Verteilen und herrschen

Die Opposition in Zimbabwe gewann zwei Nachwahlen zum Parlament und sieht sich nun einer erneuten Welle der Verfolgung ausgesetzt. von ruben eberlein

Zwei zu null, titelte die regierungskritische Tageszeitung Daily News triumphierend, weil das Movement for Democratic Change (MDC) Ende des vergangenen Monats zwei ihrer Parlamentssitze in Vorstädten der Hauptstadt Harare in Nachwahlen verteidigen konnte. »Wir feiern auf den Straßen, die Leute sind so glücklich. Wir wissen, dass die Armee heute Nacht kommen und uns verprügeln wird, aber das ist uns egal«, erklärte ein ausgelassener MDC-Anhänger der südafrikanischen Wochenzeitung Mail & Guardian.

Die regierende Zanu-PF verpasste die Chance, sich einer Zweidrittelmehrheit im Parlament, mit der Verfassungsänderungen möglich werden, bis auf drei Stimmen zu nähern, obwohl sie den gesamten Repressionsapparat gegen die Opposition einsetzte. Entführungen und Misshandlungen nahmen den Berichten des Zimbabwe Human Rights Forum zufolge zu und eine inoffizielle nächtliche Ausgangssperre wurde durchgesetzt, nachdem im Januar ein Anhänger der Regierungspartei von mutmaßlichen MDC-Aktivisten getötet worden war.

Nach einer Zeit des Schocks und der Lähmung, die den manipulierten Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr folgte, scheint sich Zimbabwes städtische Opposition nun wieder zu regen. Waren Streikaufrufe des eng mit den Gewerkschaften verbundenen MDC in der Vergangenheit oft ins Leere gelaufen, blieben Mitte März während eines zweitägigen stayaway viele Geschäfte und Fabriken in Harare und anderen Städten geschlossen. Beflügelt vom Erfolg der Aktion veröffentlichte die MDC eine Liste mit Forderungen an die Regierung. Darin werden unter anderem die unverzügliche Freilassung politischer Gefangener, ein Ende der staatlichen Gewalt und die Entpolitisierung der Verteilung von Nahrungsmittelhilfe in dem von einer Hungersnot erfassten Land gefordert. Andernfalls, so Paul Nyathi, ein Sprecher des MDC, würden die Massenaktionen »eine neue Qualität« erreichen.

Die Antwort der Machthaber erfolgte prompt. Im Laufe der vergangenen Wochen wurden Hunderte, die sich an der Arbeitsniederlegung beteiligt haben sollen, ebenso verhaftet wie ein Teil der Führungsriege des MDC. Der Vorsitzende Morgan Tsvangirai und zwei seiner Kollegen müssen sich zurzeit vor Gericht für ein angeblich von ihnen geplantes Mordkomplott gegen den Präsidenten Robert Mugabe verantworten. Oft berichten ohne Gerichtsbeschluss Inhaftierte von Misshandlungen und Folter.

Die Forderungen des MDC sorgten bei einem Sprecher Mugabes vor allem für Spott: »Offensichtlich ließ sich Paul Nyathi vom Ultimatum George Bushs an Saddam Hussein inspirieren. Der Unterschied ist allerdings, dass Bush der Präsident eines mächtigen Landes ist, während Nyathi für eine im Zerfall begriffene Partei spricht.« Tatsächlich ist es fraglich, welche Mobilisierungskraft die MDC angesichts der erneuten Welle staatlicher Verfolgung noch entfalten kann. Auch mehr als zwei Wochen nach dem Auslaufen des Ultimatums lässt der von der Partei angekündigte »finale Stoß« gegen das Regime auf sich warten.

Dank einer Mischung aus Repression und materiellen Umverteilungen konnte die Zanu-PF ihre Macht vorerst festigen. Die Verschärfung von autoritären Gesetzen und die Angriffe auf die oppositionelle Presse richten sich vor allem gegen die städtische Anhängerschaft des MDC, gleichzeitig wurde im Rahmen der entschädigungslosen Enteignung von Großfarmern bisher hunderttausenden Kleinbauern Ackerland zugewiesen. Doch viele der neuen Landbesitzer bekommen die dringend nötigen Kredite nicht, und mit staatlichen Hilfen ist wegen der leeren Kassen auch nicht im erforderlichen Umfang zu rechnen.

Wegen der überstürzten Landreform nach 2000, bei der es eher um die Rettung einer delegitimierten Regierung als um eine Befreiung vom kolonialen Erbe ging, schrumpfte die landwirtschaftliche Produktion erheblich. Die Folgen sind ausbleibende Deviseneinnahmen, Nahrungsmittelknappheit, sinkende Einkommen und steigende Preise, derentwegen nach Informationen des World Food Programme 6,7 Millionen Zimbabwer von Hunger bedroht sein könnten. Eine anhaltende Dürre verschlimmert diese Situation.

Während man zum offiziell festgesetzten Wechselkurs für ein britisches Pfund 80 Zimbabwe-Dollar erhält, wurden auf dem Schwarzmarkt im letzten Jahr bis 2 600 Zimbabwe-Dollar geboten. Ersatzteile und Maschinen zu importieren, ist unter diesen Bedingungen für die meisten Unternehmer unerschwinglich.

Die lautstarken Statements können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bis heute nicht gelungen ist, das MDC, eine Organisation der urbanen Mittelschicht und Arbeiterschaft, in ein Bündnis zu verwandeln, das die ländliche Bevölkerung einschließt. Dafür, dass ein solches Bündnis doch noch zustande kommt, könnte das zentrale Dilemma der Regierung Mugabe sorgen: Sie muss einflussreiche Teile des Establishments mit Landzuweisungen bei Laune halten, läuft deshalb aber Gefahr, ihre Wählerbasis, die Kleinbauern und Landlosen, zu verprellen.

Der in London erscheinenden Zeitschrift Africa Confidential zufolge offenbarte ein von der Regierung selbst in Auftrag gegebener Bericht zahlreiche Fälle von Korruption und gewaltsamer Vertreibung von Landbesetzern durch Funktionäre des Regimes. Der Report soll einige der engsten Vertrauten des Präsidenten nennen, die gegen das Prinzip »one man, one farm« verstoßen. Unter ihnen finden sich mehrere Provinzgouverneure, Verteidigungsminister Sydney Sekeremayi, Informationsminister Jonathan Moyo und Air Marshall Perence Shiri, der nach Recherchen der Uno auch an den Geschäften der militärisch-wirtschaftlichen Elite in der Demokratischen Republik Kongo beteiligt sein soll. Zugleich häufen sich die Spekulationen über innerparteiliche Fraktionskämpfe in Vorbereitung auf die Zeit nach Mugabe.

Auf internationalem Parkett konnte die Regierung in den vergangenen Monaten etwas Boden gutmachen, wenn auch die Wiederaufnahme in den Commonwealth in absehbarer Zeit nicht zur Diskussion stehen dürfte und die USA wirtschaftliche Sanktionen gegen Spitzenfunktionäre verhängten. Die EU zeigt im Umgang mit den Machthabern in Zimbabwe keineswegs Einigkeit, und jeder Vorstoß Großbritanniens wird in Harare dankbar dazu genutzt, die eigene »antiimperialistische« Gesinnung zur Schau zu stellen. So haben die innenpolitischen Gegner Mugabes von den Interventionen der ehemaligen Kolonialmacht nicht viel zu erwarten. Nach Einschätzung des ehemaligen Vorsitzenden des Verbandes der Großfarmer, David Hasluck, machte erst die Ablehnung jeglicher Verantwortung für Zimbabwes krass ungleiche Landverteilung durch die britische Entwicklungsministerin Clare Short im Jahre 1997 die anschließende entschädigungslose Enteignung möglich.