Zoff im Club

Gipfeltreffen in St. Petersburg von bernhard schmid

Wenn es ums Geld geht, hört bekanntlich (fast) jede Freundschaft auf. Wo es um Macht und Einfluss geht, erst recht. Ende vergangener Woche trafen in St. Petersburg die Repräsentanten jener Staaten zusammen, die sich gegen den Irakkrieg ausgesprochen hatten. Jacques Chirac, Gerhard Schröder und Wladimir Putin plädierten dafür, dass die Uno eine führende Rolle bei der Verwaltung des Irak spielen solle. Frankreich und Russland sind ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, Deutschland gehört ihm zurzeit ebenfalls an.

Ihre Motive sind eindeutig. Während US-Vertreter im Irak bereits fleißig Verträge für den Wiederaufbau an nordamerikanische Firmen verteilen und sich mit ausgesuchten irakischen Erdölspezialisten in Kurdistan treffen, fordern die anderen Mächte nun einen Anteil an der Beute.

Konflikte haben die drei Regierungen aber auch untereinander. So vermutete die russische Presse in der vergangenen Woche, dass Frankreich und Deutschland nur noch auf eine günstige Gelegenheit warteten, um sich wieder ihrem »natürlichen Lager«, also der Regierung in Washington, anzuschließen, während die Angeschmierten in Moskau säßen. Umgekehrt hieß es in der französischen Presse, für Präsident Putin sei langfristig die »Partnerschaft gegen den Terrorismus« mit den USA vorrangig, da sie die »Integration Russlands in den Westen« garantieren könne.

Das mag stimmen oder nicht – Tatsache ist, dass es einen geschlossenen Block des »Non, Nein, Njet« zum Krieg, auf den manche hofften und den andere befürchteten, nie gegeben hat. Frankreich etwa ließ 1991 beim zweiten Golfkrieg seinen alten geostrategischen Verbündeten Irak fallen und schloss sich der US-geführten Allianz an. Doch anstatt am lukrativen Nachkriegsgeschäft in Kuwait beteiligt zu werden, blieb für Frankreich nur eine bescheidene Rolle beim Wiederaufbau des Libanon übrig. Deswegen wollte Chirac dieses Mal den Preis vor dem Krieg deutlich in die Höhe treiben.

Der Gipfel von St. Petersburg ist nicht der Beginn einer Achse. Einerseits unterschätzen viele Linke die Rivalitäten zwischen westlichen Mächten, indem sie etwa behaupten, die Berliner Regierung sei eine Marionette der USA. Andere linke Kritiker hingegen überhöhen diese Konkurrenz.

Auch wenn offenkundige Interessengegensätze zwischen den Europäern und den USA existieren, ist der Konflikt zwischen Paris oder Berlin und Washington keineswegs ein antagonistischer. Selbst der Systemkonflikt im Kalten Krieg war nicht von einem völligen Antagonismus geprägt. Lange Zeit handelte es sich eher um ein beiderseitiges Abkommen zur Aufteilung der Welt, so lange, bis die UdSSR am Ende den technologischen Anschluss verpasste und im Rüstungswettlauf verlor.

Konflikte im Club der kapitalistischen Führungsmächte sind zwar unvermeidlich. Da aber sowohl europäische Staaten wie auch die USA über Massenvernichtungswaffen verfügen, ist eine direkte Auseinandersetzung zwischen ihnen kaum vorstellbar, abgesehen von peripheren Stellvertreterkriegen.

Zugleich teilen sie gemeinsame fundamentale Interessen in einer weltwirtschaftlichen Ordnung, die man als imperialistisch charakterisieren kann. Das Verhältnis zwischen den führenden Mächten wird daher auch weiterhin ein Wechselverhältnis aus Konkurrenz und Gemeinsamkeit sein, dessen Grenzen keine der beteiligten Parteien sprengen kann.