Audienz beim Saunakönig

Heiß und Eis IV

Morgens um halb zehn in Berlin-Neukölln. Mein Kiez, aber nicht meine Zeit. Hundemüde taumele ich durchs Forum Neukölln, die Rolltreppe hoch zur »Fitness Company«. Mit meinem besten Perlweiß-Lächeln säusele ich der blondierten Solariumleiche hinter dem Tresen charmant die Zauberformel zu: »kostenloses Probetraining«. Nun heißt es den Personalausweis abgeben, die Tageskarte entgegennehmen, den persönlichen Fitnesstrainer abwimmeln und hinein ins Vergnügen.

Zahlreiche Hightech-Laufbänder mit integrierten Herzfrequenzmessgeräten wollen abgelaufen werden, Fatkiller-Fahrräder müssen getreten und Stepper gesteppt werden. Anschließend mogele ich mich in die Muskelabteilung und schaue zu, wie dicke Ochsenmenschen vor der Spiegelwand Eisen heben und dabei gutturale Laute von sich geben. Nichts für mich – also ab in die Sauna!

Bei der Fitness Company gibt es einen separaten Damen- und einen gemischten Bereich. Grob gesagt, besticht die Sauna vor allem durch ihre spartanische Einrichtung. Wellness-Schnickschnack wie Farb-, Klang-, Bio- oder Feuchtluftsaunen gibt es hier nicht. Auch ein Tauchbecken, eine Frischluft- oder gar Dachterrasse sucht man vergebens. Das gibt es nur in der Luxusfiliale am Kudamm. Aber hier sind wir schließlich in Neukölln.

Man hat die Wahl zwischen einem Dampfbad und zwei finnischen Saunen. Sauna eins ist ein heißer, trockener und einsamer Ort. Zumindest am Donnerstagmorgen. Gesellschaft beim Transpirieren leistet mir nur ein grüner Kasten an der Wand, aus dem allerlei seltsame Geräusche kommen. Da plätschert Wasser, zwitschern Vögel und hin und wieder erschallt auch Papageiengeschrei. Ich hab ja echt keine Ahnung, ob sich der durchschnittliche Saunagänger durch solchen Krach beruhigen lässt, aber mir geht das ordentlich auf die Nerven. Nach 15 Minuten bin ich dem Hitzetod und dem Nervenzusammenbruch nah. Gestresst vom Paradiesvogelgeschrei aus dem grünen Kasten, wünsche ich allem Flattervieh der Welt den Wienerwald und stelle mich unter die kalte Dusche. Kurze Pause – und nächste Runde.

Dieses Mal gehe ich in die geselligere Sauna zwei. Hier gibt es keine künstlichen Papageien, aber türkische Frührentner. Der unumstrittene Saunakönig von Neukölln ist auch dabei. Er sieht aus wie der Zwerg in »Der Herr der Ringe« und hat fast genauso viele Haare im Gesicht wie auf dem Rücken. Ein paar Mal in der Woche geht er aufs Laufband und sitzt den Rest der Zeit in der Sauna ab. Alle 15 Minuten vollzieht er mit der Würde eines Zen-Meisters den Aufguss. Seine kleine Welt ist ein beschaulicher Ort, wenn nicht gerade das Schlimmste passiert, was hier überhaupt passieren kann: Damenbesuch.

Wenn sich eine Frau in die gemischte Sauna verirrt, dann bricht Panik aus. Sie wird beim Eintreten höflich begrüßt, man lächelt freundlich, guckt zur Decke und versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Unauffällig werden die Handtücher zurecht und die Bäuche eingezogen. Vor allem aber wird es schnell leer. Eine Ausrede murmelnd, ergreift schließlich selbst der Sauna-King die Flucht, beide Hände fest an sein Handtuch geklammert und gefolgt von seinem Hofstaat.

Nach der historischen Vertreibung des Königs durch eine nackte Frau begebe ich mich in den Ruheraum. Der Saunakönig und sein Gefolge duschen währenddessen in Badehosen.

jesse björn buckler