Diktat der Prozente

Die Realpolitik der PDS von angela marquardt

Die PDS ist nicht emanzipativ, nicht antiautoritär, nicht bunt, ja nicht einmal mehr spannend. Sie hat sich im wahrsten Sinne des Wortes entzaubert. Geschafft hat sie das ganz allein.

Die Suche nach gesellschaftlichen Alternativen, die Verbindung theoretischer Diskussionen mit praktischen Aktionen im Alltag und die Offenheit ihrer Strukturen machten die PDS anfangs interessant. Sie ließ sich hinterfragen und hinterfragte selbst. Sie stritt bis zur Schmerzgrenze über ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und Zukunft. Eine »neue«, große, linke Partei, die bereit ist, sich der gesellschaftlichen Realität zu stellen und eine neue linke Politik zu entwickeln: So sahen viele, auch ich, damals die PDS.

Irgendwann jedoch wurden die Kritik und die innerparteilichen Auseinandersetzungen nur noch als nervig empfunden. So wurde aus gegenseitiger Akzeptanz Duldung, und jeder ging seine eigenen Wege. Der Wunsch nach Harmonie war bestimmend. Die Partei als Heimat statt als politisches Werkzeug.

Eine Partei, die aus freien Stücken eine Nationalismusdebatte beginnt und die immer wieder mit der Rolle einer Regionalpartei liebäugelt, hat den Anspruch aufgegeben, Teil einer linken, emanzipatorischen und internationalistischen Bewegung zu sein. Eine Partei, deren einziges Ziel die Regierungsbeteiligung ist, stärkt die überkommenen Formen parlamentarischer Demokratie. Eine Partei, die ihre Inhalte am Zuspruch der Wähler ausrichtet, betreibt nichts anderes als autoritäre Machtpolitik.

»Die PDS steht stets vor der Aufgabe zu sichern, dass ihre Arbeit in Parlamenten und in der Exekutive mit ihren strategischen Zielen übereinstimmt«, heißt es im Parteiprogramm. Vergleichen wir die strategischen Ziele und die Realität. »Eine fortschreitende soziale Auslese durch die Einführung von Studiengebühren in allen ihren Formen lehnt die PDS ab«, wird verkündet. Wie ist das auch nur ansatzweise mit der aktuellen Berliner Bildungspolitik in Einklang zu bringen?

Ein anderes Beispiel: »Der massenhafte Einsatz genmanipulierter Pflanzen auf dem Saatgut- und Agrochemikalienmarkt hat dazu geführt, dass Millionen Bauern vor allem in den Ländern des ›Südens‹ in Abhängigkeit von den Konzernen geraten sind und ihre Lebensgrundlagen zerstört werden.« So weit das Programm. Doch gerade im von einer rot-roten Koalition regierten Mecklenburg-Vorpommern haben sich viele Biotechnologie-Unternehmen niedergelassen. Die Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen boomt derart, dass das Bundesland heute im Osten an erster, in Deutschland an dritter Stelle bei der Zahl dieser Freisetzungen liegt. Die PDS fördert diese Entwicklung bewusst und wirbt heftig um Biotechnologie-Unternehmen.

Das sind nur zwei Beispiele, in denen der Anspruch und die Realität der Partei weit auseinanderklaffen. Das neue Parteiprogramm deckelt weiter innerparteiliche Widersprüche und inhaltliche Defizite. Alles wird dem Diktat der Prozente untergeordnet. Der Blick auf die Machtverhältnisse genießt nach wie vor Priorität vor dem inhaltlichen Projekt PDS.

Vielleicht ist all das auch nur das Resultat der Resignation darüber, dass das Projekt inhaltlich längst gescheitert ist.