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Unmenschliche Behandlung

Österreich. Einen Menschen mit gefesselten Armen und Beinen bäuchlings auf dem Boden zu fixieren, auf ihm herumzutrampeln und ihn zu beschimpfen, ist unmenschlich und verstößt auch in Österreich gegen das Gesetz. Das bestätigte vergangene Woche der Unabhängige Verwaltungssenat in Wien. In dem Verfahren ging es darum, ob bei der Festnahme des mauretanischen Migranten Cheibati W. im Juli des vergangenen Jahres gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen wurde. Richter Wolfgang Helms wertete das Vorgehen der Polizeibeamten als eindeutigen Bruch der Konvention. Die grobe und unnötige Fixierung habe das Leben von W. »akut und konkret« gefährdet. W. war bei dieser Festnahme gestorben. Der Vorsitzende der Wiener FPÖ, Hilmar Kabas, wetterte nach dem Richterspruch, dies sei ein »ideologisch motiviertes Urteil durch ein Polittribunal. Drogenkriminelle, vor allem schwarzafrikanische, werden in Zukunft noch weitaus unverschämter und aggressiver agieren, als es schon bislang der Fall ist.«

Die sechs Beamten, die an der Tat beteiligt waren, verweigerten vor dem Senat die Aussage. Gegen sie, einen Notarzt und mehrere Sanitäter ermittelt die Staatsanwaltschaft. Es ist weiterhin unklar, ob Anklage erhoben wird.

Für die Rechte. Bedingungslos

Europaweit. Die Idee entstand während des Europäischen Sozialforums in Paris. Am vergangenen Samstag fand in elf europäischen Ländern ein Aktionstag gegen Abschiebelager, für Bewegungsfreiheit und für die Legalisierung aller Papierlosen innerhalb der europäischen Grenzen statt. Die »bedingungslose Neuregelung der Situation aller Menschen ohne Papiere im gesamten Europa« ist eine der zentralen Forderungen der Initiatoren, die die Schließung aller Internierungslager, die Abschaffung des Schengener Abkommens, die Anerkennung der Staatsangehörigkeit nach Aufenthaltsort und das Recht auf Asyl in allen EU-Ländern fordern. In London protestierten die Demonstranten gegen die Tageszeitung Daily Mirror, die fremdenfeindliche Positionen vertritt. Vor einem Abschiebeknast in Doncaster fand eine »Noise-Demo« mit Musik statt. In Paris besetzten 100 Sans Papiers das Gebäude des Wirtschafts- und Sozialrates; in Rom demonstrierten 5 000 Migranten für das Recht auf Arbeit und Wohnung. In Athen gingen etwa 3 000 Leute auf die Straße. Weitere Demos fanden in Brüssel, Genf, Barcelona und Lissabon statt.

Noch nicht immun

Frankreich. Zu schade für Alain Juppé, dass es in Frankreich nicht zwei Staatspräsidenten gibt. Dann hätte er, der bis vergangene Woche als potenzieller Nachfolger von Jacques Chirac im Gespräch war, keinen Ärger am Hals. Am Freitag verurteilte ihn ein Strafgericht in Nantes zu 18 Monaten Haft auf Bewährung. Es wird ihm vorgeworfen, er habe als Finanzdirektor im Pariser Rathaus von 1988 bis 1995 davon gewusst, dass gaullistische Parteifunktionäre zu Unrecht als kommunale Angestellte bezahlt wurden. Chirac war zu der Zeit Pariser Bürgermeister, aber jetzt ist er Staatspräsident und genießt in dem Korruptionsverfahren Immunität. Das Gericht hat Juppé für die nächsten zehn Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Der ehemalige Premierminister, der während des Verfahrens unaufhörlich seine Unschuld beteuerte, legte gegen das Urteil Berufung ein.

Gegen das Erinnern

Italien. Dass die Italiener Fußball lieben, ist bekannt. Dass Fußball für eine gute Sache steht, passiert selten. Wie am vergangenen 27. Januar, am »Tag des Erinnerns« an die Opfer des Holocaust. Um die Einrichtung eines Shoah-Museums in Rom zu unterstützen wurde das Gedenken an den Holocaust erstmals auch in ein Fußballstadion getragen. Im Olympiastadion der italienischen Hauptstadt spielten Journalisten gegen TV-Stars am vergangenen Dienstag ein »Fußballspiel des Erinnerns«. Auf ihren Trikots konnte man lesen: »Tag des Erinnerns, um nicht zu vergessen.«

Alle Institutionen und politischen Akteure der Hauptstadt begrüßen die Schaffung eines Shoah-Museums. Um den Sitz der zukünftigen Gedenkstätte ist jedoch ein heftiger Streit entbrannt, denn das Gebäude, in dem sie untergebracht werden soll, ist derzeit besetzt. Es handelt sich jedoch nicht um ein »typisches« italienisches »centro sociale«, sondern um ein rechtes »soziales Zentrum«. Die Besetzer bekennen sich zu obskuren Formeln wie: »Tradition und Modernität durch kommunitaristische Erfahrung verbinden.« Was auch immer das bedeuten mag, die Neofaschisten werden vom rechten Flügel der Regierungspartei Alleanza Nazionale unterstützt. Er kritisiert die Versuche seines Vorsitzenden Gianfranco Fini, die Partei von ihrer faschistischen Vergangenheit zu rehabilitieren. Von einer Räumung der Besetzer wurde bislang weniger geredet als von einem alternativen Sitz für das Shoah-Museum.

Sechsmal am Tag

Großbritannien/Schweiz. 24 000 Joints in elf Jahren. Das macht circa sechs am Tag. Das hat nach Meinung eines britischen Gerichtsmediziners im vergangenen Sommer zum Tod des 36jährigen Lee Maisey geführt. Diagnose: THC-Vergiftung. Die Nachricht von dem ersten Cannabis-Toten hatte nicht wenige beunruhigt.

Aber inzwischen kann man sich entspannen: Kiffen tötet nicht. Das ist zumindest das Urteil von Rudolf Brenneisen vom Department für klinische Forschung der Universität Bern, der in seiner Beurteilung des britischen toxikologischen Gutachtens im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit zum Ergebnis kam, die Feststellung einer »Cannabis-Intoxikation« als Todesursache sei eine Fehldiagnose gewesen. Maisey starb im August, und da die Autopsie keine Hinweise auf eine mögliche Todesursache ergab, wurde eine toxikologische Untersuchung geführt, bei der THC-Spuren festgestellt wurden, was nur so viel bedeutet: Der Mann hat vor seinem Tod gekifft. In seinem Bericht stellte Brenneisen fest, die medizinischen Beweise für eine tödliche Cannabis-Vergiftung seien dürftig und nicht beweiskräftig.