Leere Straßen

Die US-Offensive in Falluja von thomas uwer und thomas von der osten-sacken

Es sollte eine symbolträchtige Verteidigungsschlacht werden und die arabische und islamische Welt gegen ein weiteres »Massaker« mobilisieren. Doch als der Tag endlich kam, an dem US-amerikanische und irakische Streitkräfte ihre Offensive begannen, war die Öffentlichkeit zu sehr mit dem Chaos um Yassir Arafats Tod beschäftigt, um dem Geschehen in Falluja jene Aufmerksamkeit zu schenken, die sich die islamistischen und nationalistischen Milizen gewünscht hatten.

Die Milizionäre im irakischen Falluja haben sich seit Wochen auf den Sturm vorbereitet und alle Kompromissangebote der irakischen Regierung zurückgewiesen, wohl wissend, dass eine militärische Eskalation unvermeidlich sein würde. Ihre Forderung nach einem sofortigen Abzug aller Truppen aus der Provinz al-Anbar und der Wiedereinsetzung steckbrieflich gesuchter Kriegsverbrecher der einstigen Ba’ath-Diktatur war schon deshalb unannehmbar, weil genau dies nach dem Rückzug der US-Truppen im April dazu geführt hat, dass die Stadt zum Zentrum des terroristischen Untergrunds geworden ist. Damals wurde im Ergebnis von Verhandlungen eine von den Milizionären geduldete irakische »Polizeitruppe« unter der Führung von ba’athistischen Offizieren mit der Kontrolle Fallujas betraut. Kaum hatte die Truppe die Stadt erreicht, ging sie im terroristischen Untergrund auf. In Falluja herrschte seitdem jene Hölle, als die ausländische Beobachter die Stadt nun unter dem Eindruck der aktuellen Gefechte bezeichnen.

So sind die gefundenen CDs und Videos, auf denen die Milizen die Enthauptungen von Geiseln in Falludja dokumentiert haben, wie auch die mutmaßlichen Tatorte lediglich eindrucksvolle Hinweise auf das Leben in der Stadt vor der Offensive. Zwei abgemagerte Männer erklärten, sie seien wochenlang gequält und gefoltert worden. Ein mit Handschellen gefesselter Mann, den US-Soldaten lebend bargen, identifizierte sich als Fahrer zweier seit Monaten verschleppter französischer Journalisten. Dass die beiden Journalisten und andere ausländische Geiseln sich ebenfalls noch in Falluja befinden, gilt als unwahrscheinlich. Wie die prominenten Führer des Untergrunds dürften auch ihre ausländischen Geiseln aus der Stadt gebracht worden sein, während das Fußvolk weiter dazu angestachelt wird, sich in einem sinnlosen Kampf gegen die weit überlegene US-Armee zu opfern.

Dass es mit dem Terror der Milizen nach dem Sturm auf Falluja vorbei sein wird, glaubt folgerichtig kaum jemand. In Mossul und Ramadi haben die Milizen bereits eine Gegenoffensive begonnen. Im Unterschied zum April jedoch regt sich außerhalb ihres direkten Einflussgebietes kaum etwas.

Weder der extremistische Geistliche Muqtada al-Sadr noch andere der üblichen Verdächtigen aus dem schiitischen Süden fühlen sich bislang bemüßigt, die »Aufständischen« zu unterstützen. Irakische Geistliche haben in ihrem Aufruf zum Generalstreik bereits vorsorglich den Feiertag zum Ende des Ramadans gewählt, an dem im Irak ohnehin jeder zuhause bleibt. Und auch die viel zitierte »arabische Straße« blieb leer; keine arabische Fernsehanstalt vermochte eine größere Demonstration aus einer Hauptstadt des Nahen Ostens zu melden. Ob sich dies ändern wird, ob Falluja zu einem Symbol des heroischen Märtyrertums oder einer Niederlage des so genannten Widerstandes wird, dürfte nicht zuletzt von der Bilanz abhängen, die nach geschlagener Schlacht bekannt wird. Während die USA behaupten, die 1 000 Toten in Falluja seien vorwiegend Milizionäre, sprechen Hilfsorganisationen von unzähligen toten Zivilisten.