Spar’ doch!

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Studiengebühren von paul wellsow

Mit seinem einstimmigen Urteil hat es das Bundesverfassungsgericht Mitte vergangener Woche ermöglicht, vom ersten Semester an Gebühren zu verlangen. Damit ist absehbar, dass sich in Zukunft viele Menschen eine akademische Ausbildung nicht mehr leisten können. Mehrere Bundesländer kündigten an, ab 2006 rund 500 Euro pro Semester zu verlangen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, rechnet bereits mit 2 500 Euro pro Nase und Semester. Die bisher diskutierten 500 Euro könnten »nur ein Einstieg« in ein zu bezahlendes Bildungssystem sein.

Während Konservative und Liberale die Gerichtsentscheidung begrüßen, versuchen die Regierungsparteien den Eindruck zu erwecken, mit ihnen bleibe das Studium kostenlos: »Jeder junge Mensch muss unabhängig vom Geldbeutel der Eltern seine individuelle Chance auf eine erstklassige akademische Ausbildung erhalten«, sagte Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Doch das Ziel der Bundesregierung ist es nur noch, Alleingänge der Landesregierungen zu verhindern. Beide Parteien planen bereits Modelle für »Bildungsgutscheine« und »Bildungskonten«, die auch nichts anderes als Gebühren bedeuten. Oswald Metzger (Grüne) empfand nach der Urteilsverkündung sogar »große Zufriedenheit«.

Überraschend kam die Entscheidung des Gerichts nicht, das sich bekanntlich selten dem politischen Mainstream widersetzt. Es zog sich auf den Standpunkt zurück, lediglich einen Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern entschieden zu haben. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und Bildungschancen sei mit Studiengebühren nicht gefährdet. Ein Irrtum, denkt man weiter, was Hessens Ministerpräsident Roland Koch dem Focus sagte: Eine einheitliche Gebühr habe keinen Sinn, »wenn wir Wettbewerb wollen«. Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel hält die diskutierten 500 Euro für Peanuts. Das Geld sei sogar von ärmeren Studenten problemlos aufzubringen, sie müssten lediglich »jeden Monat für hundert Euro auf etwas verzichten oder zwei Nachhilfestunden geben«. Angesichts der immensen Zahl von Studierenden, die bereits jetzt ihr Leben vollständig mit Lohnarbeit finanzieren, ist sein Kommentar eine Frechheit.

Auf den Wirtschaftsseiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bereitet man sich derweil bereits auf die Geschäfte mit den Bildungskrediten vor. Wer das Geld für die Gebühren nicht hat, soll einen Kredit aufnehmen. Noch wird aber darum gestritten, ob die staatliche Kreditanstalt für den Wiederaufbau oder die Privatwirtschaft dabei zum Zuge kommen wird. Während die Kreditanstalt schon Pläne für die Kreditvergabe schmiedet, empfiehlt der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs den Banken, sich dieses Marktes anzunehmen: »Das ist ein neues Geschäftsfeld.«

Das Ideal kostenloser Bildung ist tot. Mit der Einführung von Studiengebühren wird das deutsche Bildungswesen noch selektiver.

Bereits am Tag seiner Verkündung gab es in mehreren Universitätsstädten Proteste gegen das Urteil. Für den 3. Februar ruft der Freie Zusammenschluss der StudentInnenschaften zu Demonstrationen auf und spricht von einer »Radikalisierung« der Proteste. Nach den Erfahrungen früherer Unistreiks und angesichts einer »Großen Gebührenkoalition«, die von der CSU bis zur taz reicht, wird dies genauso notwendig sein wie eine Verknüpfung mit anderen sozialen Kämpfen. Statt über Nachteile für den »Standort« und über den Verfall humboldtscher Bildungsideale zu jammern, muss deutlich werden: Bezahlt wird nicht!