Der kleine Grenzverkehr

Neonazis aus den Niederlanden und aus Deutschland arbeiten bestens zusammen. Bei antiisraelischen Aufmärschen in Holland sind die Deutschen gern gesehene Gäste. von andreas speit

Der zionistische Aggressor ist von der Leine gelassen«, hetzt Constant Kusters, Parteivorsitzender der neonazistischen Nederlandse Volks-Unie (NVU) auf der Website der Partei. Sollte die Gewalt gegen die Hizbollah im Libanon zunehmen, will die NVU im Oktober »gegen die aggressive Politik Israels« aufmarschieren. Es wird erwartet, dass an dem antiisraelischen Aufmarsch auch deutsche Neo­nazis teilnehmen werden.

»Seit Jahrzehnten bestehen enge Kontakte zwischen dem niederländischen Neonazispektrum und der deutschen Szene«, sagt Anton West von der Anti Fascistische Aktie (AFA). Anfang der neunziger Jahre stieg die Zahl rassistischer Gewalttaten immer mehr an, berichtet West. An den Anschlägen und Übergriffen sollen oft Aktivisten oder Sympathisanten der NVU beteiligt gewesen sein. »Der Gründer der Partei, Joop Glimmerveen, bezeichnete sich selbst als überzeugten Nazi«, betont West. Im Jahr 1996 nahm die Polizei den Altnazi in Den Haag fest, nachdem er bei einer Kundgebung gedroht hatte, einen Chefredakteur der Tageszeitung Haagsche Courant umzubringen. Auch bei dieser Kundgebung marschierten deutsche Neo­nazis mit.

Die enge Zusammenarbeit trieben vor allem die Vorsitzenden der NVU, Eite Homan und Kusters, voran. Homan war, bevor er zu der Partei kam, Europa-Koordinator der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation (NSDAP/AO) und Kader der Aktiefront Nationaal-Socialisten (ANS). Die niederländische ANS, der auch Kusters angehörte, glich der deutschen ANS um Michael Kühnen und Christian Worch. Kader der beiden Organisationen bauten die Zusammenarbeit West zufolge aus, um den Verbotsmaßnahmen in Deutschland etwas entgegenzusetzen und aktionsfähig zu bleiben. Auch nachdem die ANS im Jahr 1983 in Deutschland und sieben Jahre später in den Niederlanden verboten worden war, blieben die Kontakte bestehen. »Diese alten Vernetzungen laufen nicht über hoch offizielle Parteikanäle«, erläutert West. Vielmehr würden die persönlichen Kontakte zwischen den Kadern gemeinsame Projekte ermöglichen. In Kerkrade, Roermond und Venlo veranstalteten niederländische und deutsche Neonazis denn auch regelmäßig gemeinsame Aktionen.

Vor vier Jahren trat der frühere Kader der ANS Christian Malcoci in der Grenzstadt Kerkrade, in der 50 000 Menschen leben, für die NVU zur Gemeinderatswahl an. Der Neonazi aus Grevenbroich in Nordrhein-Westfalen erhielt als NVU-Spitzenkandidat nur 183 Stimmen, doch seiner Parteikarriere schadete der Misserfolg nicht. Heute ist er Parteisekretär.

Auch bei den Gemeinderatswahlen im März dieses Jahres konnte die Partei keinen Erfolg erzielen. Nach Informationen von West erhielt sie in fünf Kommunen insgesamt 1 923 Stimmen. »Sie kam aber nirgends auf mehr als ein Prozent.« Er geht davon aus, dass die Partei vielen rechts orientierten Jugendlichen »zu extrem« und zu »pro-deutsch« sei. Ihr Profil spiegele kaum den »klassischen holländischen Nationalismus« wider. Diesen versuchten in der Region Rotterdam vor allem die Nationale Alliantie (NA) um Jan Teijn und Virginia Kapic zu vertreten. Die NA tritt West zufolge in der Öffentlichkeit nicht mit scharfer antiisraelischer, sondern mit antiarabischer Propaganda in Erscheinung. Sie wolle antiislamische Ressentiments bedienen, um mehr Akzeptanz zu finden.

Am 1. Juli blieben Vertreter der NA daher auch dem Protestmarsch der NVU »gegen US-Imperialismus und Zionismus« in Den Haag fern. Für West stehen dahinter sowohl politische Motive als auch persönliche Querelen. Die rund 70 Teilnehmer zogen vor die US-amerikanische Botschaft. Mit dabei waren auch wieder deutsche Kameraden. Worch aus Hamburg und Sven Skoda aus Düsseldorf wetterten gegen die »aggressive amerikanische und zionistische Politik«, wie einer Presseerklärung Malcocis zu entnehmen ist.

Aber nicht nur mit den Kadern aus dem Netzwerk der Freien Kameradschaften arbeiten die Niederländer zusammen. Der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, schickte eine Grußbotschaft nach Den Haag: »In diesen schweren Zeiten stehen die Nationalisten der Völker Europas auf der Seite des freien Iran!« ließ er verkünden, während die Kameraden eine iranische Flagge schwenkten und eine durchgestrichene Israel-Fahne zeigten. Der »US-Wirtschafts-, Kultur-, und Militärimperialismus« breite sich »wie eine Krake über Europa und der ganzen Welt« aus. Zudem erklärte Voigt, »Vertreter der amerikanischen Ostküste« wollten »unsere Völker« durch multikulturelle Gesellschaften ersetzen. Die antisemitischen Stereotype und Metaphern kamen bei den Anwesenden gut an.

Die NVU plant im Okober nicht nur einen antiisraelischen Aufmarsch. Für den 16. Oktober ruft die Partei dazu auf, zusammen mit der NPD in Nürnberg für die »Revision der Nürnberger Prozesse« zu demonstrieren. Am 1. Oktober 1946 endete in der Stadt vor dem Internationalen Militärgerichtshof der Prozess gegen die nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher. Am 16. Oktober wurden zehn Todesurteile vollstreckt.