Eener wird jewinnen

Welchen Parteien die Berliner bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus ihre Stimme besser nicht geben sollten, erklärt jörg sundermeier

Lucy Redler, die Spitzenkandidatin der Berliner Wasg, meint es ernst: »Die Berliner Waschmaschinenfertigung muss bleiben«, erklärt sie, wie immer schwer engagiert, auf ihrer Website. Die Sozialistin, der man noch vor wenigen Wochen zutraute, die Vereinigung der Wasg mit der Linkspartei verhindern zu können, macht sich inzwischen mit ihren Durchhalteparolen und ihrer Proletenromantik nur noch lächerlich. Vermutlich wird die Wasg in Berlin kein Mandat erlangen und sich der halsstarrige Landesverband nach der Wahl selbst demontieren.

Doch das Zeug zum großen Wahlverlierer hat zweifelsohne die CDU. Die Partei des Westberliner Klüngels, in der die Mitglieder aus den östlichen Bezirksverbänden bis heute als Randfiguren gelten, ist bereits von Klaus Landowsky und Eberhard Diepgen, dem Führungsgespann bis zum Jahr 2001, geradezu vernichtet worden. Der derzeitige Landesvorsitzende Ingo Schmitt ist bekannt für seinen Machtwillen, der nach peinlichen öffentlichen Suchaktionen gefundene Spitzenkandidat Friedbert Pflüger schließlich wächst den Berlinern nicht ans Herz.

Dabei tut er sein Bestes, präsentiert sich als Hardliner, will gewalttätige Ausländer abschieben, spricht sich gegen den Neubau einer Moschee in Berlin-Pankow aus und versucht, Migrantenkinder in den Schulen zu kriminalisieren. Vom Tonfall her hat sich der aus Niedersachsen stammende Außenpolitiker perfekt seinem neuen Landesverband angepasst.

Mit einer in der Yellow Press öffentlich ausgetragenen Scheidungsschlacht konnte er sich zudem auch beim letzten Currybuden-Icke einen Namen machen. Seine neue Lebensgefährtin und er erwarten nun ihr zweites Kind, das vielleicht sogar noch vor dem Urnengang geboren werden wird. Es könnte alles schön sein. Doch Pflüger weiß nicht zu glänzen, seine populistischen Ausflüge in die rechte Ecke wirken steif und begeisterungsarm, und inhaltlich kann sich die CDU kaum profilieren. Die Sparwut des regierenden rot-roten Senats ist schwer zu übertreffen, und kulturpolitisch fällt ihr außer der Forderung nach einem baldigen Wiederaufbau des Stadtschlosses nichts ein.

Damit nicht genug, brüskiert Pflüger die Berliner stets auf Neue mit dem Bekenntnis seiner Liebe zu Hannover. Die Berliner Bevölkerung, die zu 90 Prozent aus eingewanderten Schwaben und Sulzbach-Rosenbergern besteht, liebt ihre Stadt nämlich mit der wilden Liebe derer, die sich ihre elende Heimat selbst ausgesucht haben. Diesen sich bereits nach drei Tagen in Berlin am »ick« versuchenden Lokalpatrioten kann Pflüger natürlich nur als ein Betrüger vorkommen, der gar nicht »wirklich« in Berlin leben und regieren will. Seine Umfragewerte sind katastrophal.

Die Beliebtheit von Klaus Wowereit, der von seiner Partei »Wowi-Bären« verteilen lässt, nimmt hingegen sogar noch zu. Seine saloppe Art und sein selbstherrliches Auftreten bedienen die Bedürfnisse der Untertanen aufs Wunderbarste. Er geriert sich als Partykönig und ist stets mit irgendwelchen mehr oder minder halbseidenen Prominenten zu sehen, lässt sich jedoch nie dabei filmen, wie er gerade neue Sparbeschlüsse unterschreibt oder seinen Kultursenator zur Sau macht. Solange der lockere, homosexuelle Sektliebhaber auf Rosenstolz-Konzerten feiert, wähnen sich seine Wählerinnen und Wähler in einer modernen Metropole.

Dass Wowereit die Wahl gewinnen wird, steht so gut wie außer Frage. Schließlich hat der frisch gekürte Waffen-SS-Bestsellerautor Günter Grass Unterstützung zugesagt und wird für Wowi mit seiner Nobelpreisträgerpfeife dampfen. Wowereit verspricht allen Eltern ein kostenfreies Kita-Jahr und lässt sich keineswegs dadurch beirren, dass sein Finanzsenator dies für nicht finanzierbar hält. Er kehrt in Auseinandersetzungen mit Pflüger den gebürtigen Tempelhofer heraus, der eine rührende Ein-Mann-will-nach-oben-Biographie vorzuweisen hat, und verspricht leichthin dieses oder jenes. Die Partei sekundiert ihm dabei nach Kräften und wird vom SPD-Fraktionsführer im Abgeordnetenhaus, Michael Müller, zum geschlossenen Auftreten gezwungen.

Müller ist es auch, der sich einen Posten im Senat ausrechnet, falls Wowereit nicht erneut mit der Linkspartei, sondern mit den Grünen koalieren würde. Rein rechnerisch wäre dies, den neuesten Umfragewerten zufolge, möglich. Ein rot-grüner Senat wäre auch mehr nach Wowereits Geschmack. Denn eine Liebe hat sich aus dem pragmatischen Bündnis der SPD mit der Linkspartei nicht entwickelt.

Und das, obschon die Ostpartei, die in den Westbezirken noch immer keine nennenswerten Wahlergebnisse erzielt, sich der SPD geradezu auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hat, eine Sparpolitik exekutierte, die beinahe zur Parteispaltung führte, und eine Kulturpolitik verantwortet, die ebenfalls nur mit Kürzungen, Schließungen und Zusammenlegungen glänzt. Der Spitzenkandidat der Linkspartei, Harald Wolf, ein ehemaliger Grüner, hat als heimlicher Parteichef und Wirtschaftssenator, der er im Jahr 2002 nach Gregor Gysis Amtsflucht wurde, so gefällig agiert, dass er nie in die Schlagzeilen geriet. Der Mann, der heute von den Wahlplakaten herablächelt, ist den meisten Berlinerinnen und Berlinern unbekannt. Wenn es für ihn schlecht läuft, könnte der Dank für die jahrelange Krämerarbeit, die er Realpolitik nennt, ein Platz in der Opposition sein.

Die Grünen, die mit dem Unwort »bildungs­grün« für sich werben, haben keine schlechten Chancen, von Wowereit zum Koalitionspartner gekürt zu werden. Sie wiederum sind eine reine Westpartei, die in Friedrichshain oder Prenzlauer Berg nur deshalb so erfolgreich ist, weil die heute dort hausenden Computerexpertinnen und Jungverleger die Partei auch schon in ihren Heimatorten gewählt haben. Die Grünen versprechen dasselbe wie alle anderen Parteien, sie sind für Bildung und Nation und gegen Migrantenkinder, die sie allerdings nicht abschieben, sondern sanft umerziehen wollen.

Bei allen Pöstchenspielen, die gerade in ihren Reihen betrieben werden, zeichnet sich ab, dass sie ganz offensichtlich wichtige Ressorts wie Wirtschaft, Inneres oder Finanzen gar nicht besetzen wollen. Sie spielen trotz der möglichen 16 Prozent der Wählerstimmen offensichtlich lieber die Rolle der Kleinpartei, um im Zweifelsfall die Verantwortung für die Senatspolitik von sich weisen zu können.

Die einzigen Parteien, die zurzeit alles richtig machen, sind die rechtsextremen, denn sie warten einfach nur ab. Sie dürften bei der bevorstehenden Wahl, anders als ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, nicht ins Parlament einziehen, doch hilft ihnen die Langeweile, die die etablierten Parteien mit ihren leeren Worten verbreiten, allemal, ihre Ergebnisse deutlich zu verbessern.

Etwas mitzuteilen hat in diesem Wahlkampf niemand. Lediglich die Bürgerrechtsbewegung Solidarität fordert etwas Originelles: »Industrie für unsere Hauptstadt!« verlangt ihr Spitzenkandidat Daniel Buchmann mit vollem Ernst vor den leer stehenden einstigen AEG-Werkhallen. Die Rote Lucy wird sich sicher ärgern, dass ihr das nicht eingefallen ist.