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Die Stimme aus dem Zuckergässchen

Nagib Machfus. Er war die literarische Stimme des arabischen Raums schlechthin. Er bekam den Nobelpreis für Literatur, was dazu führte, dass seine Bücher auch in Deutschland gelesen werden, wo arabische Literatur im Allgemeinen eher ein Schattendasein fristet.

Machfus wurde im Jahr 1911 in Kairo geboren, die Stadt war Zeit seines Lebens der Mittelpunkt seines Schaffens. Dort blieb sein Zuhause, und dort spielen die meisten seiner Geschichten. Er verschrieb sich dem realistischen Roman und begnügte sich damit, das aufregende Leben nicht irgendwo da draußen zu suchen, sondern in seiner unmittelbaren Nähe, in den Ecken der un­überschaubaren Stadt, in den Kaffeehäusern. Seine Bücher heißen dementsprechend pittoresk »Das Zuckergässchen« oder »Die Kinder unseres Viertels«.

Das Verhältnis zwischen Machfus und Ägypten war kompliziert. Der kritische Intellektuelle liebte sein Land, sprach sich jedoch gegen fundamentalistische Strömungen aus. Er begrüßte die Bemühungen Ägyptens, mit dem Erzfeind Israel Frieden zu schließen. Sein Roman »Die Kinder unseres Viertels« wurde 1959 verboten, weil er übereifrigen Muslimen nicht passte, 1994 wurde Machfus sogar von einem islamistischen Fundamentalisten niedergestochen. Seitdem fiel ihm das Arbeiten äußerst schwer. Vorige Woche ist er im Alter von 94 Jahren in Kairo verstorben. (aha)

Musik nach Zahlen

James Tenney. Er war einer der Großen der Neuen Musik, was freilich nicht bedeutet, dass man ihn außerhalb eingeschworener Zirkel für Neue Musik ernsthaft wahrgenommen hätte. James Tenney beschäftigte sich mit Minimalmusik und mit elektronischer Musik, und er versuchte, Klänge mit Hilfe mathematischer Formeln entstehen zu lassen. Er war befreundet mit John Cage und Harry Partch, die jedoch beide viel bekannter wurden als er.

Vielleicht wird Tenney postum noch zum Klassiker der amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts. In der vergangenen Woche verstarb er im Alter von 71 Jahren. (aha)

Es war einmal: Hollywood

Glenn Ford. Hollywood ist auf der Sinnsuche. Es fehlt an zündenden Ideen, packenden Erzählstoffen, und irgendwie – man denke nur an den aktuellen Boom des deutschen Kinos – lässt die marktbeherrschende universale Kraft des amerikanischen Blockbuster-Kinos allmählich nach. Daran, dass es einmal anders war, erinnert man sich immer, wenn mal wieder einer der großen Stars des klassischen Hollywood-Kinos abdankt.

Vorige Woche verstarb Glenn Ford im Alter von 90 Jahren in Beverly Hills. Bekannt wurde er vor allem druch den Film »Gilda« aus dem Jahr 1947, an der Seite einer anderen großen Hollywood-Ikone, nämlich Rita Hayworth. »Gilda« war ein großes Drama, großes Starkino, Hollywood stand noch sichtbar in Saft und Kraft.

Glenn Ford machte alles mit, was Hollywood ihm anbothat. Er spielte in Western und Thrillern, im Film Noir und in Kriegsfilmen. Und er war der Lehrer im berühmten »Blackboard Jungle«. Er drehte mit den Großen des Hollywood-Films, mit Vincente Minnelli und Budd Boetticher zum Beispiel, und er war, wie es sich für einen Star seiner Größe geziemt, nicht nur einmal verheiratet. (aha)

Perfektes Nichts

Paris Hilton. So etwas wie Paris Hilton hat es hierzulande noch nicht gegeben, zumindest nicht in dieser Größenordnung. An Promis, die berühmt sind für ihr Berühmtsein, bei denen sich aber niemand mehr zu erinnern vermag, wie es zu diesem Berühmtsein überhaupt gekommen ist, mangelt es auch in Deutschland nicht, man denke nur an Verona Feldbusch. Doch Paris Hilton ist nicht nur ein Irgendwas, sie ist eine echte internationale Ikone des Berühmt­seins wegen nichts. Sie sieht nicht besonders gut aus, hat bislang auch nichts Weltbewegendes zustande gebracht, außer schon in jüngsten Jahren eine stinkreiche Hotelerbin zu sein. Dennoch wollen junge Mädchen so sein wie Paris Hilton, dennoch wird sie für ihren Glamour, ihr schlichtes So-sein in aller Welt geliebt, gehasst, bewundert.

Das Tolle an Paris Hilton ist, dass sie ihr Berühmtsein nun im Nachhinein zu rechtfertigen scheint. Die Frau steht für ein neues Paradigma: zuerst berühmt sein, dann den Grund dafür nachliefern. Das übersteigt sogar die Phantasie Andy Warhols, der bekanntlich jedermann das Berühmtsein für 15 Minuten zugetraut hatte, doch selbst für dieses Berühmtsein brauchte es noch irgendeine Form von Vorgeschichte.

Bei Paris Hilton ist das anders. Sie war zuerst da, und erst so langsam bekommen wir mit, warum das so ist, und warum das vielleicht sogar gut ist. Schauspielerin ist sie längst, keine gute, aber immerhin. Jetzt ist sie auch noch Sängerin, keine gute, aber immerhin. Schlecht singt sie jedenfalls auch nicht, und schlecht ist ihre erste Platte, die »Paris« heißt, erst recht nicht. Produziert wurde sie von Scott Storch, der zurzeit für jeden zweiten großen Hit aus den USA verantwortlich ist und der dazu in der Lage ist, aus Scheiße Gold zu machen.

Er hat Paris Hilton eine Mixtur aus Reggae, Dance, R&B und ein paar weiteren Zutaten verschrieben, wobei der eine oder andere Ohrwurm und Mitwipp-Hit entstanden ist. Man kann auch noch deutlicher werden: Besser als die Kombination Daniel Küblböck und Dieter Bohlen ist das Duo Paris Hilton und Scott Storch allemal. (aha)