Wie es uns gefällt

Mit Filmen, Einbürgerungstests und Zeremonien soll die Integration von Migranten erzwungen werden. Dass dies funktioniert, kann bezweifelt werden. von eric krebbers

Niederländischen Käse essen, niederländisches Bier trinken, beim Karaoke die niederländische Nationalhymne singen, ein bisschen Delfter Porzellan und die niederländische Flagge mit nach Hause nehmen – und natürlich auch einen niederländischen Pass. Das war alles, was die Besucher bei den Veranstaltungen am Einbürgerungstag interessierte. Dieser neue Nationalfeiertag am 24. August wurde im vergangenen Jahr von der rechtsliberalen Justizministerin Rita Verdonk eingeführt. In diesem Jahr nahmen nur zehn Prozent der eingebürgerten Migranten an den Feierlichkeiten teil. Doch diese Zahl dürfte sich bald ändern. Ab Oktober wird die Teilnahme an einem lokalen Einbürgerungsfest Pflicht sein, ab dem Jahr 2008 werden Migranten einen Loyalitätseid gegenüber dem niederländischen Staat ablegen müssen.

Die Ministerin wählte den 24. August, weil, wie sie sagte, im Jahr 1815 an diesem Tag die niederländische Verfassung in Kraft trat. Das ist eine sehr konservative Begründung. Denn die erste Verfassung entstand bereits im April 1798. Darin wurden Religions-, Versammlungs- und Pressefreiheit festgeschrieben. Die konterrevolutionäre Verfassung von 1815, auf die sich Verdonk bezieht, schränkte viele dieser Freiheiten wieder ein und stärkte die Monarchie.

Und dennoch können Migranten, die an diesen Feierlichkeiten teilnehmen dürfen, froh sein. Denn die Regierung hat die bislang strengsten Maßnahmen gegen Migration in ganz Europa eingeführt. Flüchtlinge und Arbeitsmigranten sind in den Niederlanden keinesfalls willkommen. Eine Niederländerin oder einen Niederländer zu heiraten, wird für sie künftig nur möglich sein, wenn sie drei verschiedene Integrationskurse erfolgreich abgeschlossen haben.

Seit März müssen Migranten vor der Einreise in den niederländischen Botschaften ihrer Herkunftsländer Sprach- und Kulturtests bestehen. Solche Prüfungen kosten etwa 350 Euro, und nur diejenigen, die sie bestehen, dürfen eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Diese zu bekommen, ist dann aber keineswegs selbstverständlich.

Die Niederlande sind bisher das einzige Land in Europa, das von Migranten verlangt, sich noch vor der Einreise einem Test zu unterziehen. Um sich darauf vorzubereiten, müssen sie sich erst einmal das trostlose Video »Coming to the Netherlands« ansehen, in dem sie erfahren, dass die Niederlande »kalt und kahl« seien. Das Video zeigt auch heruntergekommene Wohnhäuser, Drogen und Gewalt. Anschließend werden den Bewerbern Multiple-Choice-Fragen über die Monarchie, die Kolonialzeit und Rembrandt gestellt. Natürlich finden sich nur positive Einschätzungen über die niederländische Kultur und Gesellschaft. Nebenbei wird behauptet, dass die Niederlande »voll« seien, was man bis vor kurzer Zeit nur aus rechtsextremistischen Kreisen gehört hatte.

Ab Januar kommenden Jahres sollen zudem die etwa 500 000 Migranten und Flüchtlinge aus Nicht-EU-Staaten dazu verpflichtet sein, sich diesem Integrationstest zu unterziehen, unabhängig davon, wie lange sie bereits in den Niederlanden leben. Die Integrationskurse werden die Teilnehmer rund 6 000 Euro kosten, wovon sie die Hälfte erstattet bekommen, wenn sie den Test innerhalb von drei Jahren bestehen. Um auch die restlichen 3 000 Euro erstattet zu bekommen, wird man einen Antrag an die jeweils zuständige Gemeinde stellen müssen. Denjenigen, die durchfallen, drohen Geldstrafen von bis zu 1 000 Euro und der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung. Bei diesen Kursen geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch darum, den Teilnehmern die »niederländische Kultur« näher zu bringen – sprich: die konservative Lebens­art des braven, sich an die Regeln haltenden niederländischen Bürgers.

Wer die Staatsbürgerschaft erhalten will, muss noch einen dritten Integrationstest meistern. Die Fragen können bereits jetzt aus dem Internet heruntergeladen werden. Viele Niederländer, die versucht haben, sie zu beantworten, sind durchgefallen. Bei den Fragen fühlt man sich in die fünfziger Jahren zurückversetzt, als der konservative Konsens noch die Gesellschaft dominierte. Die Niederlande des Fragebogens sind ein Land, dessen Bewohner immer Geschenke auf Hochzeiten mitbringen und die Straße vor der Haustür fegen.

Diese neuen Maßnahmen sind eine Folge der parlamentarischen Debatten in den Jahren 2002 und 2004. Initiiert wurden sie damals von der schnell wachsenden Socialistische Partij. Diese ehemalige mao­istische Partei weist stets stolz darauf hin, als erste das Scheitern des niederländischen Integrationsmodells konstatiert zu haben. In ihrem rassistischen Memorandum »Gastarbeiter und Kapital« aus dem Jahr 1983 konnte man lesen, Migranten hätten nur die Wahl, sich anzupassen oder das Land zu verlassen. Doch außer der extremen Rechten wollte damals niemand den Maoisten beipflichten.

Das änderte sich 1991, als der liberalkonservative Politiker Frits Bolkestein seine Offensive gegen Migranten startete. Danach wiederholten sich rassistische Debatten über Immigration, 2001 war dann der Weg für den Aufstieg des Rechtspopulisten Pim Fortuyn offen. Er und andere Politiker hielten die Muslime für zurückgebliebene Barbaren und religiöse Fundamentalisten, die von den zivilisierten Niederländern aufgeklärt werden müssten. Quer durch das politische Spektrum waren sich bald alle einig, dass Integration nun das wichtigste politische Thema sei.

Schließlich verfassten 40 namhafte Politiker, von den Links-Grünen bis zur konservativen Burke Foundation, einen offenen Brief, in dem sie kundtaten: »Wir müssen nun dafür sorgen, dass aus dem neuen Konsens konkrete politische Schritte folgen.«

Neben Integrationskursen wurden weitere Maßnahmen eingeführt. Verdonk ließ Experten ein System entwickeln, um das Integrationsniveau von Migranten zu messen. Als Vorbild für dieses System diente eine Methode aus der Marktforschung zur Messung der Popularität von Erdnussbutter. Als »am besten integriert« gelten nach dieser Methode schlicht diejenigen Migranten, die den Niederländern am besten gefallen.

Auch auf lokaler Ebene wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Migranten dazu zu bewegen, sich »niederländisch« zu verhalten. In Gouda werden Migranten dazu angehalten, in der Stadt Niederländisch zu sprechen. In Rotterdam erwartet die Stadtverwaltung sogar, dass Flüchtlinge und Migranten untereinander und zu Hause Niederländisch sprechen.

Opposition gegen diese Form der Integration gibt es nur außerhalb des Parlaments. Die meisten Organisationen von Migranten sammelten zusammen mit der Gewerkschaft FNV Unterschriften für billigere und qualitativ bessere Kurse. Radikale Kritik hingegen ist die Ausnahme. Sie kommt zum Beispiel von der linken Organisation Aksi, die von jungen Niederländern türkischer Herkunft gegründet wurde. Gemeinsam mit antirassistischen Gruppen organisieren sie Aktionen gegen erzwungene Integration. Sie fordern die Einstellung der vorgeschriebenen Integrationstests und fordern stattdessen kostenlose Sprachkurse, die freiwillig besucht werden können. Es sei wichtig, dass die Kommunikation funktioniere, wenn man für seine Rechte eintreten wolle. Zugleich wendet sich Aksi auch gegen religiösen Fundamentalismus und Nationalismus. Erzwungene Integration könne, da sind sie sich sicher, die Einstellungen von fanatischen Muslimen und Nationalisten jedoch nicht ändern. Ganz im Gegenteil, meinen sie, seien diese Tests erniedrigend und würden immer mehr Menschen radikalisieren und den Fundamentalisten in die Arme treiben.

Eric Krebbers ist Mitglied der antirassistischen Organisation De Fabel van de Illegal und lebt in Leiden.