Global bekennen

Die globale Erwärmung kann auf zwei Grad begrenzt werden, stellt der UN-Klimabericht fest. Doch ob die vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden, bleibt fraglich. von ferdinand muggenthaler

Das Lob des Vorsitzenden ging über diplomatische Floskeln hinaus. »Überwältigend in seiner Brillanz und messerscharf in seiner Bedeutung« sei der gerade verabschiedete dritte Teil des UN-Klimaberichts. Offenbar war Rajendra Pachauri erleichtert, dass anders als beim letzten Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) die US-Delegation nicht ganze Passagen herausverhandelt hatte.

Auch die Botschaft des Berichts klingt erleichternd. Zwar ist der Klimawandel nicht mehr zu verhindern. Aber mit Verabschiedung des 35seitigen Berichts Anfang Mai in Bangkok ist es eine in­terna­tio­nal akzeptierte Wahrheit, dass der Tem­pe­ra­tur­anstieg auf erträgliche zwei Grad begrenzt werden kann, und zwar zu geringen Kosten und mit bekannten Techniken.

Auf über 1 000 Seiten hat der UN-Klimarat IPCC Studien über Maßnahmen zur Begrenzung des Klima­wandels zusammengetragen. Fünf Tage berieten dann Wissenschaftler und Politiker Satz für Satz über die 35seitige »Zusammenfassung für Entscheidungsträger«, die Pachauri anschließend so begeistert präsentierte. In den zwei vorangegangenen Teilen des Klimaberichts, die im Februar und April vorgestellt wurden, ging es um die physikalischen Grundlagen des Klimawandels und die vermutlichen Auswirkungen. Darin wurde festgestellt, dass der fortgesetzte Ausstoß von Klimagasen zu katastrophalen Folgen für die Menschen in vielen Teilen der Erde führen wird. Im dritten Teil sollten die Möglichkeiten analysiert werden, den Klimawandel zu begrenzen. Festgehalten wird beispielsweise, in welchen Bereichen besonders schnell und einfach Emissionen reduziert werden können und was das kosten würde.

Glaubt man den Ergebnissen, ist so etwas wie der klimafreundliche Weltkapitalismus möglich. Werden die wichtigsten Maßnahmen ergriffen, damit es langfristig bei einem Temperaturanstieg von etwa zwei Grad bleibt, würde das globale Wirtschaftswachstum bis 2050 um weniger als 0,12 Prozent pro Jahr verringert. Um die Wirtschaft zum Umstieg auf klimafreundliche Energie zu bewegen, sei ein Preis von 20 bis 50 Dollar pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxid nötig.

Allerdings müsste bereits etwa ab 2015 muss der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen sinken. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Selbst in den meisten Ländern, die sich im Kyoto-Protokoll zur Reduzierung verpflichtet haben, steigen die Emissionen an.

Gerade mit dem viel gepriesenen »marktwirtschaftlichen« Instrument des Emissionshandels wurde bislang wenig erreicht. Eigentlich sollte es den überdurchschnittlichen Ausstoß klimaschädlicher Gase verteuern und umweltfreundlicher produzierende Unternehmen begünstigen. Doch hat z.B. Deutschland bislang die Emissionsrechte verschenkt, Braunkohlekraftwerke, die besonders viel Kohlendioxid emittieren, bekamen besonders viele Zertifikate zugeteilt. Und Konzerne, die trotzdem nicht mit ihren Emissionsrechten auskamen, können billig zukaufen. Das Recht, eine Tonne Kohlendioxid in die Luft zu blasen, kostet an der deutschen Strombörse derzeit nur 43 Cent. Zwar wird an der Börse erwartet, dass der Preis für die Zertifikate ab 2008 bei 20 Euro liegen wird, aber die deutsche Regierung will auch nächstes Jahr wieder zusätzliche Verschmutzungsrechte an die Betreiber von Braunkohlekraftwerken verschenken.

Da wirkt es eher bizarr, wenn sich der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel im Namen der EU weigert, die Abschlussresolution der UN-Umweltkonferenz zu unterschreiben, weil er »konkrete Schritte« zum Klimaschutz vermisst. Mit allgemeinen Bekenntnissen zum Klimaschutz wird wenig erreicht. Trotzdem ist auch Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und einer der Autoren des IPCC-Berichts, sehr zufrieden mit dem Ergebnis: »Ich glaube, es ist herausragend zu erwähnen, dass es in der Zwischenzeit in der Weltgemeinschaft einen Konsens gibt, dass der Klimaschutz notwendig ist und dass er finanzierbar ist. Das ist ein völlig neuer Tatbestand.«

Die analysierten Klimaschutzszenarien bauen darauf, dass die Weltwirtschaft in ähnlichem Tempo wächst wie zurzeit, aber das Wachstum schnell vom Verbrennen von Öl, Kohle und Gas unabhängig wird. Dazu sind eine ganze Menge von Maßnahmen nötig, die bis zum Jahr 2030 ergriffen werden können. Der Bericht setzt dabei nur zu einem Teil auf Marktmechanismen wie den Emissionshandel, obwohl die Studien zum größten Teil von wirtschaftliberalen Ökonomen geschrieben wurden.

Der größte Beitrag zur Vermeidung von Klimagasen könnte zunächst bei Gebäuden geleistet werden. Durch Maßnahmen wie bessere Isolierung, effizientere Heizungen und energiesparende Klimatisierung sei es möglich, hier 30 Prozent der erwarteten Emissionen einzusparen. Danach werden Landwirtschaft, Industrie und Energiegewinnung als Sektoren mit einem etwa gleich großen Vermeidungspotenzial aufgezählt.

In allen Bereichen sieht der Bericht das Energiesparen und den Einsatz effizienterer Techniken als wichtige Maßnahmen. Den größten Beitrag soll bis 2030 aber überraschenderweise die Vermeidung von anderen Treibhausgasen wie Methan oder Lachgas bringen. Beide entstehen vor allem in der Viehwirtschaft, beim Nassreisanbau und durch Stickstoffdüngung in der Landwirtschaft. Beispielsweise durch den Anbau von Reissorten, die nicht im Wasser wachsen, könnte der dadurch normalerweise entstehende Ausstoß von Methan vermieden werden.

Spätestens nach 2030 müsste jedoch auch die Energieproduktion grundlegend verändert werden. In diesem Bereich war es am schwierigsten, eine Konsensformulierung zu finden. Die US-Delegation feierte es als Erfolg, dass auch der Atomenergie ein Beitrag zur Emissionsvermeidung zugebilligt wird, allerdings betrachtet der Bericht nur die Steigerung ihres Anteils an der Energieversorgung von 16 auf 18 Pro­zent als realistisch. Die Umweltverbände und die deutsche Regierung wiederum wer­ten es als Erfolg, dass auf die Gefahren der Atomenergie hingewiesen und den erneuerbaren Energien schon 2030 ein Potenzial von 30 bis 35 Prozent zugetraut wird.

Die Diskussionen der Klimadiplomaten geben freilich nur einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Schwierigkeiten. »Starke Eigeninteressen« könnten hier die Umstellung behindern, notiert der Bericht lapidar. Wie gegen diese Interessen anzukommen ist, bleibt offen.

Vielleicht verbreiten die Autoren des IPCC-Berichts nichts als Zweckoptimismus, vielleicht ist ein klimafreundlicher Kapitalismus tatsächlich möglich. Derzeit sieht es jedenfalls nicht danach aus, als würden Marktkräfte und Klimadiplomatie ihn rechtzeitig zustande bringen. Was diese Trägheit des Systems gekostet hat, das können die Ökonomen dann im Jahr 2100 ausrechnen, wenn sich die mittlere Temperatur irgendwo zwischen zwei und sechs Grad über dem derzeitigen Niveau eingependelt hat.