Lasst sie noch drin!

Schon die Diskussion um eine frühzeitige Haftentlassung der notorischen Nervensäge Paris Hilton ist absurd. von martin schwarz

Sie isst nichts mehr. Sie zittert am ganzen Leib. Sie steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Und wir sagen: Gut so! Wenn die von latenter Mentalbulimie heim­gesuchte Göre Paris Hilton in einem US-amerikanischen Knast vor sich hin leidet, ist das für den Rest der Menschheit die Bestätigung dafür, dass das Justizsystem des Landes noch nicht völlig verkommen ist. Warum soll Paris Hilton, wiewohl sie selbst die Schöpfung seit Jahren mit ihrer bloßen Existenz besudelt, eigentlich aus der Haft entlassen werden? In den USA kommt man schon wegen geringerer Vergehen als Trunkenheit am Steuer hinter Gitter. Wäre Paris Hilton mit ihrem massiven Wehklagen über die fehlenden Annehm­lichkeiten im Knast durchgekommen, so wäre das nach dem Freispruch für O. J. Simpson wohl schon die zweite juristische Fehlentscheidung zugunsten eines Prominenten, der mit allerlei Winkeladvokaten und PR-Taktiken das Recht beugt.

Im Übrigen scheint gerade im Fall der stets überdrehten und von allem Geist verlassenen Selbstdarstellerin Paris Hilton so ein Knastaufenthalt therapeutische Wirkung entfalten zu können. Vielleicht gelingt der abgehobenen Göre dann auch die Resozialisierung besser, und sie lernt jenen Teil der US-amerikanischen Gesellschaft kennen, der trotz Doofheit keine Eigenmarke hat entwickeln können und nun im Knast verrottet. Letztlich sollte die abermalige Kasernierung vielleicht auch die Wirkung haben, der erfolglosen Popsängerin und erfolgreichen Werberin in eigener Sache unmissverständlich klar zu machen, dass eine Mischung aus Blödheit und Millionen nicht vor Strafe schützt.

Unter Umständen könnte der wochenlange Knastaufenthalt auch dazu führen, dass Hilton ihr berufliches Portfolio neu überdenken muss. Ihre Agentur hat sie gefeuert, der verzogene Balg muss sich also neue Manager suchen, die ihre Eskapaden zu wohlfeilen PR-Paketen für Werbekunden schnüren und die Blondine mit den schlechten Manieren als Gesamtkunstwerk verkaufen.

Natürlich: Paris Hilton, jetzt noch leidend, zitternd, hungernd und weinend, wird ihren Knastaufenthalt nut­zen. Ein Buch will sie schreiben, kurz nach ihrer Entlassung wird sie durch sämtliche US-Talkshows tingeln, um zu erzählen, was die Amerikaner, die schon einmal im Gefängnis sitzen mussten, längst wissen: dass Knast was Grausames ist, dass die Wärter Schweine sind, dass die Mithäftlinge sie, die Prominente, vielleicht gemobbt, dass die Speisen wohl nicht besonders geschmeckt haben.

Wochenlang werden nicht nur die Vereinig­ten Staaten eine Überdosis Paris ertragen müssen. Vermutlich wird sie auch irgendwann einmal auf der Kichercouch von Stefan Raab sitzen. Paris Hilton wird noch ein paar Millionen mehr verdienen durch ihre verstärkte Präsenz in der telemedialen Gosse.

Aber dann – und das ist eine sehr optimis­tische Prognose – könnte sie das Kübl­böck-Schicksal ereilen: Als er ohne Führerschein in einen Tiertransporter gefahren ist, wurde er auch durch sämtliche bundesrepublikanischen VIP-Ressorts geschleift. Gleichzeitig aber hat das zu einer gewissen Übersättigung geführt und letztlich auch die Ver­mark­tungsmaschinerie davon überzeugt, dass der sensible Daniel nun einfach nicht mehr ausgeschlachtet werden konnte. Wenige Monate später ist er von der gleichen Vermarktungsmaschinerie, die ihn vorher inszeniert hat, in die Tonne der Vergessenheit getreten worden.

Bei Paris Hilton könnte ähnliches ein­treten. Die Konzentration auf ihr zweifellos unangenehmes Erlebnis könnte schließlich zu einer gewissen Ernüchte­rung führen und die Illusion zerstören, sie habe auch Begabungen. Das wäre dann endlich die überfällige Befreiung von der Prosecco-Träne.

»Betet für mich!« ließ die Nobeltrulla ihren Fans aus dem Knast ausrichten. Solche dramatisierenden Appelle sind schon die ersten Vorboten einer Kampagne, die uns in den nächsten Wochen erwarten wird. Aber irgendwann, davon ist auszugehen, werden auch die Fans das letzte Amen gesprochen haben und dann verschwindet die 26jährige wieder aus dem Medienzirkus.

Wahrscheinlich arbeiten Marketing­strategen schon am Aufbau einer würdigen Nachfolgerin, und sie wird leicht und schnell zu finden sein. Und wenn Hilton das nächste Mal im Knast landet, wird das mit Verlaub nicht mal mehr uns interessieren.