Tanz der Vampirjägerinnen

Die bekannte Fernsehserie »Buffy the Vampire Slayer« wird als Comic fortgesetzt. Den Kampf der Heldin gegen mächtige, lebende und untote Männer beschreibt eiken bruhn

Sie ist wieder da. Zwar nur als Comic­figur, aber sie prügelt sich so mutig wie eh und je mit Monstern, ist selbst im heftigsten Gefecht nie um eine Pointe verlegen und immer noch eine Spur zu selbstgerecht und zu impulsiv. Vor vier Jahren lief die letzte Folge der Fernsehserie »Buffy – Im Bann der Dämonen«. Im Original heißt sie »Buffy the Vampire Slayer«. Das klingt nicht nur nach einer Teenie-Serie, es ist auch eine. Selten wurden die Sorgen von Heranwachsenden so ernst genommen wie hier, sei es »das erste Mal« oder das Gefühl: »Niemand versteht mich.« Nicht zuletzt deswegen handelt es sich um eines der besten Werke der Popkultur. Anrührend, aufregend, sehr komisch, formal innovativ und voller Einsichten in das menschliche Dasein und eine Gesellschaft, die so viele wegen ihres Andersseins ausschließt, dass man sich fragen muss, wer eigentlich noch dazugehört. Die Gesellschaftskritik kam dankenswerterweise nie allzu aufdringlich daher, sondern in Bildern und Metaphern, die jeder und jede selbst interpretieren durfte. Als »Buffy« nach sieben Staffeln trotz guter Quoten abgesetzt wurde, trauerten Millionen Teenager – und auch diejenigen, die einmal Jugendliche waren.

Im März kehrte »Buffy« endlich in Form eines Comics zurück. Anfang August erschien das fünfte Heft der neuen, lang ersehnten, achten Staffel. Die Wehmut darüber, dass man sie nur auf dem Papier verfolgen kann, ist schnell verflogen. Klar, die Bildkraft ist geringer, aber der Zeichner Georges Jeanty trifft die Figuren dennoch gut. Die mit übermenschlichen Kräften ausgestattete Buffy streitet mit ihrer kleinen Schwester Dawn, deren Bedürfnis nach Aufmerksamkeit unübersehbar geworden ist. Die Lesbe Willow überschätzt ihre eigenen natür­lichen wie übernatürlichen Kräfte, und der Durchschnitts­typ Xander versucht, den Laden zusammenzuhalten, indem er allen als emotionale Stütze dient. Zwischendurch erledigen sie ein paar Dämonen und träumen von Sex oder der großen Liebe oder beidem. Auch Giles, der väterliche Freund und Dämonenkenner, steht ihnen zur Seite, wenn auch in weiter Ferne. Andere, die bisher noch nicht oder wie Buffys ehemaliger Liebhaber Spike nur im Traum aufgetaucht sind, folgen noch.

Wichtiger als die Ähnlichkeiten mit den TV-Figuren sind die Dialoge, in den ersten vier Heften geschrieben vom Erfinder der Serie, dem Drehbuchautoren und Regisseur Joss Whedon. Er hat Zeit für solche kreativen Ausflüge, seitdem auch seine anderen Fernsehserien, der »Buffy«-Ableger »Angel« und »Firefly«, eine Mischung aus Western und Science-Fiction, überraschend abgesetzt wurden. Zuletzt musste er auf die Arbeit am Drehbuch und die Regie für den Film »Wonderwoman« verzichten. Es mag an Whedons Weigerung liegen, mit halbgaren Geschichten ein möglichst großes Publikum zufriedenzustellen.

Dass »Buffy« als Comic funktioniert, liegt daran, dass Whedon nicht einfach die Fernsehserie mit anderen Mitteln fortsetzt. Mit dem Ende der letzten Staffel hatten er und sein Team eine Entwicklung komplett und unwiderruflich abgeschlossen. Buffy ist kein Teenager mehr. Die Studienabbrecherin hat ihre Identität als Superheldin akzeptiert und die Verantwortung für ihr Leben übernommen. Als Bild steht dafür die komplette Zerstörung ihres kalifornischen Heimatortes Sunnydale, dem Schauplatz ihres Erwachsenwerdens und der Serie. Er zog fortwährend allerlei übles Gesindel an, weil er auf dem Höllenschlund gebaut war. Das Grundkonzept der Serie gab Whedon auf, indem er Buffy mit einer Jahrtausende alten, von Männern geschaffenen Tradition brechen ließ. Nach dieser war immer nur eine auserwählt, gegen die Mächte des Bösen zu kämpfen. Buffy aktivierte mithilfe von Willow die Superkräfte Hunderter anderer junger Frauen und Mädchen.

Für Buffy ist also nichts mehr so, wie es einmal war. So ist es eben, wenn man die Welt verändert, wie die Heldin selbst zu Beginn lakonisch feststellt. »Jeder nennt mich ›Ma’am‹ heutzutage«, sagt sie. Vorher bekämpfte sie als Anführerin einer überschaubaren Clique von Außenseitern Vampire, phallusköpfige Dämonen und gesundheitsbewusste Bürgermeister mit Weltherrschaftsgelüsten. Die Mitglieder der ­Clique besitzen zwar weder Buffys Schnelligkeit noch ihre Kraft, sind ihr aber ebenbürtig, weil sie ihr aufgrund anderer Fähigkeiten, und sei es nur der zur Empathie, oft genug aus scheinbar ausweglosen Situationen geholfen haben, einmal sogar aus dem Grab. Die flachen Hierarchien und pragmatischen Bündnisse, auch mit Vampiren, solange diese nicht beißen, kommen nicht von ungefähr: Gemeinsam ist den Figuren ein tiefes Misstrauen gegen jegliche Form von Autorität, denn hinter ihr verbirgt sich in dem Kosmos der Serie, im »Whedonverse«, stets das Böse.

Deshalb beunruhigt die Organisationsform, in der Buffy im Comic agiert. Xander, einer ihrer Mitstreiter, trägt neuerdings eine Uniform, was sich nicht nur mit seinem alten Militärfetisch erklären lässt, sondern auch mit seiner neuen Rolle. Er ist der Leiter des Kontrollzentrums in einer Burg in Schottland, von dem aus er Buffys Einsätze dirigiert. Dass man nicht weiß, wer die Headsets und Hubschrauber bezahlt hat, ist der Spannung zuträglich. Wichtiger noch ist: Die Helden rackern sich nicht mehr nur an dem Ungeheuer ab, das gerade ihren Weg kreuzt, sondern kämpfen mit System. 500 Jägerinnen, organisiert in zehn Einheiten, arbeiten für und unter Buffy. »Terroristen nennen so etwas Zellen«, merkt dazu der US-General Voll an, von dem man noch nicht weiß, in wessen Auftrag er Buffy beseitigen will. In jedem Fall hält er die 23jährige für eine gottlose, zerstörerische Kraft, die nicht »im Einklang mit amerikanischen Interessen« steht. Als Beleg dient ihm der Krater, der einmal Sunnydale war. Dabei müsste dieser dem General eigentlich imponieren, hält er doch selbst »kein Problem für zu groß oder zu kompliziert, als dass man es nicht in die Luft sprengen könnte«. Doch sind Whedons Bösewichter stets komplexer als reale Schurken – und vorausschauender. Die Befürchtung des Generals, Buffy könne ihre Macht missbrauchen und Menschen gefährden, klingt durchaus plausibel.

Auch Buffy muss erkennen, dass die Lage weniger eindeutig ist als erwartet. »Sie hassen die Worte ›Frauen‹ und ›Macht‹ in einem Satz, oder?« hält sie dem General entgegen, verblüfft, dass sie nicht schon früher auf die Idee gekommen ist. »Sie wird erkennen, dass mit dieser Welt mehr verkehrt ist, als dass ein paar Monster in ihr wohnen«, hatte der erklärte Feminist Whedon in einem Interview angekündigt und gefragt, warum sich der Frauenhass durch jede Kultur ziehe. Nicht zufällig kehrt wohl auch Warren in die Handlung zurück, ein Comic- und Film-Freak, der Frauen für lebensgroße Sextoys und sich selbst für Buffys größten Gegenspieler hält. Obwohl gefährlicher denn je, bleibt er eine Nervensäge, die Buffy von Wichtigerem abhält. Doch kaum hat sie erkannt, dass Frauenhass kein individueller Charakterfehler ist, erfährt sie, dass sie ein noch viel größeres Problem hat als das Patriarchat. Welches? Hier gilt im Comic wie in der TV-Serie: Fortsetzung folgt!

Joss Whedon/Georges Jeanty: Buffy the Vampire Slayer. Season 8/Bd. 1-5. Dark Horse Comics, Milwaukie 2007, ­jeweils 40 S., 2,99 US-Dollar