Die Convention der US-Republikaner in Minneapolis besucht

Two Colors: Red

Der Parteitag der US-Republikaner war keine groß angelegte Show wie die Convention der Demokraten. Mög­licherweise lag das am drohenden Hurricane, der doch nicht kam. Jeden­falls waren in St. Paul weniger Journalisten und noch weniger Prominen­te anwesend. Nur Abraham Lincoln und Miss Texas ließen sich blicken.

30. August
Lege in Boulder, Colorado, einen Zwischenstopp ein, um Sally zu treffen, bevor ich nach Minneapolis zum Parteitag der Republikaner weiterfahre. ­Sally ist sehr versiert in Astrologie und fängt an, eine Sprache zu sprechen, die ich nicht verstehe. Irgendwas über den Umstand, dass die Geburts­tafeln der USA (4. Juli 1776) und die von Barack Obama sich mit einer scheinenden Sonne überschnitten, während die von John McCain, nun … mit dem Mars. Hm.
Wir berichten einander, was sich in den vergangenen zehn Jahren so ereignet hat, dann setzt mich Sally am Busbahnhof ab. Nehme den Bus zum Flughafen, dann weiter nach Minneapolis.

31. August
Weil sich ein starker Hurricane auf New Orleans zubewegt, verschiebt sich der Ablauf des republikanischen Parteitags, und es gibt mehr Willkommenspakete für die Presse, als benötigt werden. Ich nehme zwei, und so bin ich glücklicher Besitzer von zwei Packungen republikanischer Mak­karoni mit Käse (# 25), zwei Schachteln Minzbonbons von UPS und zwei Päckchen mit Samenkörnern. Es gibt noch verschiedene andere Überraschungen (# 18, # 24), aber kein Aspirin. Glücklicherweise habe ich noch etwas von den Demokraten übrig. Eine Demonstration in einem nahe gelegenen Park geht gerade zuende, und die Mitglieder der Theater­gruppe Missile Dick Chicks (» … bom­bardiert, wie andere euch bombardieren wollen«) liegen wechsel­weise im Gras oder posieren auf sehr großen silbernen Raketen (Farbdosenspenden optional).
Unterdessen haben sich die Organisatoren im Minneapolis Convention Center entschieden, dass die geplanten Partys stattfinden werden, wo die Delegierten nun schon mal hier sind.
Ein Typ läuft als Abraham Lincoln verkleidet herum (# 15) (»der authentischste Abraham Lincoln seit Abraham Lincoln«). Ich belausche seine etwas mühsame Unterhaltung mit den Delegierten, während er bemerkt, was für ein toller Vorwahlkampf es gewesen sei, »bei beiden Parteien«. Was ist das für ein Typ, ein Kommunist? Wie ist er hier reingekommen? Aber von einer freund­lichen Dame aus Alaska ergattere ich ein Abzeichen der National Rifle Association als Souvenir (# 6). Dann hole ich mir eine »Civic Fest«-Pressekarte (# 17). Anscheinend wollen sie sicher gehen, dass ich mich nicht verlaufe oder in Schwierigkeiten gerate und ich bekomme eine offizielle Fremdenführerin.
Das »Civic Fest« (ein Festival zur Feier »von Minnesota, der amerikanischen Geschichte, der Demokratie und der Präsiden­ten«) besteht aus einer großen Sammlung von amerikanischen Kulturgegenstän­den, einschließlich diverser Abendkleider von First Ladys, Tischsets aus dem Weißen Haus und allerlei lustiger Dinge. Es gibt auch einen Bus des Parlamentsfernsehsenders C-Span, in dem durch irgendeinen Zufall gerade eine Wahlkampfrede von Obama läuft. Das Publikum ist insgesamt auf über­wältigende Weise weiß (# 13), ziemlich passend, wenn man bedenkt, dass die Ausstellung fast ausschließlich weiße christ­liche Männer feiert, mit ihren Autos, Frauen, Haustieren und anderem Besitz.
Vielleicht liegt es nur daran, dass mich Republikaner nervös machen (sie scheinen zu erkennen, dass ich keiner von ihnen bin), jedenfalls fühle ich mich ziemlich deplatziert. Fotografiere einen Gast aus Taiwan (seltsam, dass er nicht deplatziert wirkt). Hole ein Souvenir von der Flurdekoration (# 23), dann einen GOParty-Wegweiser (# 12), dann gehe ich wieder nach draußen. Ich habe mir von Liz und Aaron (bei denen ich für die Dauer des Parteitags woh­ne) ein Fahrrad geliehen – es ist ein recht klappriges Damenrad mit altmodischem Lenker und einem großen Korb, und wieder komme ich mir ziemlich auffällig vor, als ich sehe, dass der Bus der Delegierten aus Michigan und Missouri direkt neben mir geparkt hat, aber was soll man machen? Packe mein Pressetütchen in den Korb und finde meinen Weg über den Mississippi zurück nach Hause.

1. September
Heute sollte eigentlich der Parteitag beginnen, aber es stellt sich heraus, dass es bloß der erste Tag des Wartens auf den Hurricane ist. Es gibt eine große Demonstration am Capitol, aber ich bin noch damit beschäftigt, meinen Bericht vom Par­teitag der Demokraten fertigzustellen, und als ich später dorthin komme, löst sich gerade alles auf (# 1). Dennoch bin ich nicht zu spät, um die Buchauslagen durchzugehen, aber ich lasse »Kuba­nische Führer zur neoliberalen Globalisierung« aus und stoße auf einen Typen, der die Satzung der Revolutionären Kommu­nistischen Partei der USA liest (kein Wunder, dass die Organisatoren vor der Demons­tration von der Polizei durchsucht wurden).
Die Gegend ist voller Polizisten in Kampf­montur, und sie schauen skeptisch von meinem Presseausweis zu meinem Fahrrad und zurück, aber schließlich lassen sie mich durch. Endlich finde ich den Zugang für Journalisten mit Parkettpass, aber das Programm wurde wegen des Hurricane ver­kürzt. Arme Republikaner! Nach jahrelanger Planung und zig Millionen Dollar werden sie freigiebig und zeigen, wie sehr sie sich dem Land verpflichtet fühlen, indem sie neue Rekorde im Sammeln von Spenden aufstellen, wegen eines Unglücks, das vielleicht gar kein Unglück wird.
Die Überreste des Parteitags sind hier viel überschaubarer als bei den Demokraten, aber ich stoße auf eine Visitenkarte: »Tzu Mahan Lee und Mitchell: Strategie ist stärker als Kraft«. Ein Zeichen Gottes?
Zeichen oder nicht, ich verhungere fast und mache ein paar Fotos von Journalisten (# 3) sowie von Gästen aus Deutschland (CSU) und Bul­garien (Parteizugehörigkeit un­bekannt) (# 7), dann finde ich den Weg zum »Cap­tain’s Corner«, wo ich schickes Essen und schicken Alkohol bekomme. Verfolge Sondersen­dun­gen, abwechselnd über Hurricane Gustav und Sarah Palins schwangere Tochter; radle nach Hause.

2. September
Das Unglück, für das sie Geld gesammelt haben, ist gar kein Unglück, zumindest nicht groß genug, um den zweiten Tag des Parteitags abzusagen. Seltsamerweise verpasst die Presse die Story über die »Spaltung der Republika­nischen Partei«, nachdem sie in der vorigen Woche ausnahmslos über die »Spaltung der Demokratischen Partei« berichtet hat. Vielleicht, weil die Unzufriedenen von der Hauptveranstaltung ausgeschlossen wurden?
Fahre zu Ron Pauls »Kundgebung für die Republik« im Target Center in Minneapolis. Hole den Presseausweis ab (# 19), betrete die Halle gerade noch rechtzeitig, um den Anti-Steuer-Lobbyisten Grover Norquist sprechen zu hören. Finde einen guten Aussichtspunkt; mache Fotos von ihm (# 11), dann drum herum (# 5, # 9) und gehe zum Pressebuffet, das das traurigste ist, was ich seit langem gesehen habe. Esse genug, um den schlimmsten Hunger zu stillen, aber mehr geht beim besten Willen nicht, wenn ich an die armen Leute denke, die ihr Geld gegeben haben, um hierzu beizutragen. Draußen finde ich einen Bus zum XCel-Center, wo ich unserer Polizei­eskorte meinen Pressepass zeige, und fahre durch die Stadt zurück nach St. Paul.
Ein Vertreter von Fox News verteilt kos­ten­lose falsche Strohhüte, ich folge einer Gruppe Parteitagsbesucher zur Absperrung. Ein Polizist will wissen, für wen ich arbeite, und will dann meinen Presseausweis sehen. Es fällt ihm schwer, den Namen meiner Zeitung zu verstehen, und noch schwerer, dass ich keinen Jungle World-Presseausweis habe. Ich frage ihn, warum er nur mich rausgepickt hat; er gibt mir die ­Chance, mich mit dem Secret Service zu unterhalten. Ich entscheide mich dafür, ihm meinen Führerschein zu zeigen.
Gestern gab es kostenlos Kartoffelchips und Wasser, weil die Verkaufsstände alle geschlossen waren; heute haben ein paar geöffnet, aber sie sind im Nachbargebäude versteckt. Ich höre, wie ein hungriger Republikaner vermutet, das könnte das Werk der Demokraten sein.
Ich unterschreibe einen Parkettpass (# 21) und komme noch rechtzeitig zur Eröff­nungs­zeremonie. Seltsamerweise scheinen hier manche der Leute, die im vergangenen Jahr Obama sicherlich attackiert haben (»dabei gefilmt, dass er seine Hand nicht aufs Herz legte«), ihre Hand nicht aufs Herz gelegt zu haben. Ich nähere mich einigen von ihnen mit der Kamera, und durch einen seltsamen Zufall zucken ihre Hände sofort zu ihren Herzen (# 8).
Heute ist viel mehr los (# 16) und ich bekomme einige Gelegenheiten, meine unscharfe Bilder-Serie zu erweitern: ich mit einer John-McCain-Pappfigur, ich mit Newt Gingrich (dem echten). Eine stolze Cindy McCain tritt mit ihrer Adoptivtochter auf, und George W. Bush wird per Video­signal in die Halle übertragen. Für den Fall, dass jemand dachte, Obama sei nicht der ein­zige, der für »Change« steht, haben ein paar Frauen Hüte aufgesetzt, auf denen das »C« in »Change« durch Hammer und Sichel ersetzt wurde.
Die Delegierten scheinen eine Menge Spaß zu haben, auch wenn sie, das muss man fairerweise sagen, von einem Cheer­leader unterstützt werden, der beobachtet, welche Gruppe lauter ist. Joe Lieberman rundet den Abend ab; hinterher finde ich Miss Texas, die als Ehrengast der Delega­tion aus Texas angehört. Mir scheint, sie sollte eigentlich den ganzen Staat repräsentieren, nicht bloß die republikanische Wählerschaft, aber ich behalte meine Gedanken für mich. Mache Fotos von ihr, von dem Mann, der für ihre Krone zuständig ist und von der »Miss America«-Kronenkiste (# 14).
Fotografiere einen verletzten Journalisten (# 2), der abgelenkt wurde und eine Stufe hinuntergefallen ist (der Beruf ist eindeutig gefährlicher, als die Leute denken, nicht nur wegen des Fotografen des Stern, der früher am Tag Pfefferspray von der Polizei abbekam).
Mache weitere Fotos von der verlassenen Halle (# 4), hole eine Karte, um die Tele­fonnummer bereit zu haben, falls ich mich tatsächlich für das »Land zuerst« entscheiden sollte (# 22). Dann mache ich Fotos von Schildern, von einem roten Telefon und von einer McCain-Pappfigur, die für die Nacht in eine abgelegene Ecke verbannt wurde.

3. September
Ich würde wirklich gerne den ganzen Partei­tag über hier bleiben, aber ich habe bereits die ersten beiden Tage meines Sohnes im Kindergarten versäumt, und außerdem habe ich heute Geburtstag, und wenn die Republikaner auch sehr nett sind, so will ich doch lieber zurück zu meiner Familie. Komme als letzter in den Frühflug nach Philadelphia (# 20), und von dort fliege ich nach Boston und zurück nach New Hamp­shire.
Ich weiß nicht genau, wie es passieren konnte, aber letzte Nacht muss ein McCain-Aufkleber an meiner Schuhsohle kleben geblieben sein; nachdem ich in drei Flughäfen hinein und wieder aus ihnen heraus gegangen bin, komme ich nach Hause und stelle fest, dass es doch nicht so einfach ist, die Republikaner hinter mir zu lassen, wie ich gedacht habe. Entferne den Aufkleber, puste Geburtstagskerzen aus (# 10). Krieche ins Bett.

Aus dem Amerikanischen von Martin Schuster
Der Foto- und Videokünstler David Reed lebt in New London, New Hamp­shire, und unterrichtet Communications am Colby-Sawyer College. Er arbeitet seit 1999 für die »Jungle World«. In der vorigen Ausgabe erschien von ihm die Reportage »Mile High« über die Convention der Demokratischen Partei (»Jungle World« 4/08).