Über den neuen Wirtschaftsminister

Feudalismus in der Krise?

Bis zur Bundestagswahl soll der 37jährige Wirtschaftsminister mit den vielen Namen in der Großen Koalition für gute Laune sorgen.

Unverhofft hat die Große Koalition in diesen Tagen ein unverbrauchtes Gesicht bekommen. Mit Karl Theodor von und zu Guttenberg wurde ein 37jähriger zum jüngsten Wirtschaftsminister seit Bestehen der Bundesrepublik. Der Kontrast könnte nicht größer sein, war doch sein Vorgänger Michael Glos (CSU) der beste Beweis dafür, dass man auch mit einem Untoten an der Spitze dieses Ministeriums die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise bestehen kann. Oder auch nicht.
Nach Glos’ überraschendem Rücktrittsgesuch wurde die Personalfrage innerhalb weniger Tage gelöst. Und es sieht so aus, als hofften CDU und CSU darauf, im Superwahljahr einen Gegenspieler zum sozialdemokratischen Finanzminister Peer Steinbrück im Kabinett etablieren zu können.

Der Coup scheint erstmal geglückt, die Medien haben einen neuen, schillernden Liebling. Wie schnell die vierte Gewalt einer Faszination erliegen kann, wurde sofort und mit aller Macht demonstriert. Angesichts der Vornamensfülle des blaublütigen Dr. Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg mogelte ein Jungjournalist einen weiteren Vornamen, einen preußischen »Wilhelm«, in den biografischen Eintrag Guttenbergs in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Prompt übernahmen alle wichtigen Blätter diese Ente – ein anschauliches Beispiel für den Qualitätsjournalismus hierzulande.
Allerdings illustriert dieses Ereignis auch die mangelnde Kenntnis über den neuen Amtsträger, der einen kometenhaften Aufstieg hinter sich hat, seit er überraschend im November letzten Jahres vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zum Generalsekretär der CSU berufen wurde. Denn nach dem für die CSU niederschmetternden Wahlausgang – die CSU verlor die absolute Mehrheit – musste dem innerbayerischen Regionalproporz Genüge getan werden. Der Franke Günther Beckstein war gestürzt, und der Oberfranke Guttenberg musste in der Parteihierarchie zu einem bedeutenden Posten kommen. (Auf der Bundesebene dasselbe Spiel: Der Unterfranke Glos musste durch einen Landsmann ersetzt werden.)
Seehofer benötigte außerdem jemanden, dessen zartes Alter den proklamierten »Neuanfang« der Partei dokumentierte, der die Seele der verunsicherten Parteimitglieder streicheln konnte und der der Basis erstmal nur »zuhören« sollte. Das war ein bisher ungekanntes Stellenprofil für einen CSU-Generalsekretär, dessen typische Aufgabe früher zu sein pflegte, mit markigen Sprüchen den rechten Rand an die Partei zu binden und zu verhindern, dass aus Bonn / Berlin ein zweites Moskau werde.
Allerdings kann Guttenberg auch diese Klientel bedienen. Mögen seine Wortmeldungen als Bundestagsabgeordneter mit außenpolitischem Profil auch nicht die ihnen angemessene Beachtung gefunden haben, sie zeugen doch von einem Weltbild, nach dem Farc, PKK, RAF, Castros Kuba und SED / PDS / Linkspartei so ungefähr dasselbe sind.
Aber auch innenpolitisch weiß er sich auf dem sicheren Boden der FDGO zu bewegen. Öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr wollte der ehemalige Gebirgsjäger der Bundeswehr gleich vor dem Brandenburger Tor ausrichten. Denn: »Gedenken und Geloben sind zwei tief menschliche Befindlichkeiten, die einander bedingen dürfen.« Unter den Gegnern solcher Ansinnen, Gegendemonstranten, sah er »jene, die offen den Staat zu missbrauchen pflegen«. Ein schönes, sexualisiertes Bild!

Was qualifiziert Guttenberg denn nun als Wirtschaftsminister? Mitten in der Rezession wird diese Frage – anders als bei anderen Ministern – gern gestellt und gern beantwortet. Glaubt man Ziehvater Seehofer, so verfügt Guttenberg über einen »tiefen Fundus in wirtschaftspolitischen Fragen«. Das klingt zwar sehr nach Rumpelkammer, bleibt aber schön undeutlich – was ein Vorteil sein kann. Das ARD-Magazin Panorama hat jedenfalls herausgefunden, dass es mit der behaupteten Erfahrung des Juristen in der freien Wirtschaft nicht so weit her ist. »Verantwortung« habe er bisher nur in der (mittlerweile liquidierten) »Guttenberg’schen Hauptverwaltung« und in der Betreuung der familiären Forste übernommen, also bei der Verwaltung des eigenen Vermögens. Die Behauptung, er habe an dem Börsengang der Rhön-Kliniken »mit teilnehmen« dürfen, den seine Familie »mit begleitet« habe, wie er auf der ersten Pressekonferenz nach seiner Nominierung erzählte, bleibt ebenfalls fragwürdig. Damals war er gerade mal volljährig – und in den Aufsichtsrat wurde er erst später berufen.
Auch seine gesellschaftliches Engagement ist geheimnisumwoben. So gibt er an, Vorsitzender des Neuen Akademischen Forums e.V. in München zu sein – ein Verein, von dessen Existenz neben dem Vereinsregister lediglich die Internetseiten mit biografischen Details der Guttenbergschen Vita künden. Die Adresse des ominösen Vereins ist zugleich die Anschrift der liquidierten Gutten­berg’schen Hauptverwaltung. Guttenberg scheint also ein echter selfmade man zu sein – und deshalb natürlich für das Amt des Wirtschaftsministers prädestiniert.

Aber was sind seine wirtschaftspolitischen Ziele? Seine Person ist ein wirtschaftsliberales Angebot zur Bundestagswahl an alle konservativen Wähler, damit diese nicht im Übermaß zur FDP überlaufen. Nach dem – derzeit prognostizierten – Wahlsieg der konservativ-liberalen Parteien würde Guttenberg vermutlich sowieso in seinem Amt von einem FDP-Minister abgelöst werden. Bis dahin hat er gute Laune zu verbreiten: »Hoch motiviert, voller Tatendrang« (Bild) startet der »Frankenblitz« (Spiegel) in den Wahlkampf, pardon: in sein Amt. Der Bild-Zeitung gibt er sein erstes Interview nach der Amtseinführung und sagt: »Machen wir uns nichts vor, wir stecken mitten in einer sehr harten Krise. Aber wir haben ein sehr gutes Konjunkturpaket geschnürt. Nicht zuletzt deshalb erwarten wir, dass es spätestens ab Herbst wieder aufwärts geht.« Man sieht, es kommt gar nicht auf eine reale Einschätzung der Krise an.
Ein durchsichtiges Wahlkampfangebot stellen auch seine Ankündigungen dar, im Wirtschaftsministerium nunmehr Steuerreformmodelle »durchrechnen« zu lassen und eine große Steuerreform ab 2010 zu versprechen. Dabei ist doch der Bundeshaushalt dank der Wirtschaftskrise schon jetzt unkalkulierbar. Seine Vorschläge zur Abschaffung der »kalten Progression« im Steuerrecht zielen ebenso auf den Wahlkampf und gehen in Richtung einer flat tax.
Mit Guttenberg haben die Christsozialen einen charming guy gefunden, der ihr wirtschaftsfreundliches Profil bis zur Wahl verkörpern soll. Indem die CSU Steuerentlastungen fordert, versucht die Partei, aus der eigenen Krise zu entkommen und die FDP nicht zu groß werden zu lassen. Nach der Krise des Kapitalismus kommt mit Guttenberg wohl nicht der Feudalismus.