Kritik an der Kooperation der Universität Köln mit Bayer-Healthcare

Hier wird streng geheim geforscht

Vor knapp vier Jahren vereinbarte die Universität Köln eine »Kooperation« mit der Bayer-Healthcare AG. Über den Vertrag wird seitdem Stillschweigen gewahrt. Die »Coordination gegen Bayer-Gefahren« hat bislang erfolglos dagegen geklagt.

Die reinen Fakten hören sich an wie aus einem Lexikon des Marxismus-Leninismus. Die ökonomische Basis – das Großkapital – kauft sich in die öffentliche Forschung – den Überbau – ein und bestimmt fortan in Geheimverträgen, was und wie geforscht wird, ganz im Interesse der Profitmaximierung. Doch ganz so einfach wie in den alten Lehrbüchern aus dem Dietz-Verlag lässt sich die Realität nicht beschreiben. Und dennoch gibt es Entwicklungen, die ein genaueres Hinschauen erfordern.
Konkret geht es um Forschungsfreiheit und den Umgang mit Drittmitteln im Rahmen universitärer Forschung. Genauer: um einen Kooperationsvertrag, den die Universität Köln mit der Bayer-Healthcare AG vor nunmehr knapp vier Jahren geschlossen hat. Damals wurde die Kooperation von der schwarz-gelben Landesregierung bejubelt. »Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist«, begeisterte sich der sogenannte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals auf einer Pressekonferenz. Das Unternehmen Bayer teilte mit, es werde das Universitätsklinikum jährlich mit »einem soliden sechsstelligen Betrag« ausstatten – genaue Zahlen wurden nicht genannt. Von gegenseitigen »Synergieeffekten« bei der Forschung zu Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen war auch die Rede.

Solche »Kooperationen« sind in der gegenwärtigen Forschung keine Seltenheit mehr. Der Bayer-Konzern allein hat weltweit mehrere hundert dieser Kooperationen mit Universitäten. Neben Geld stellt das Pharma-Unternehmen auch direkt Stiftungsprofessuren zur Verfügung und vergibt Stipendien. Alltag, könnte man meinen. Die »Coordination gegen Bayer-Gefahren« (CBG) beobachtet die Geschäfte des Chemiekonzerns jedoch seit Jahrzehnten. »Über die genauen Inhalte des Vertrages ist nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Da haben wir vor vier Jahren kritisch nachgefragt: Wer sucht die Forschungsthemen aus? Woher kommen die Patienten für die Forschungsstudien? Gibt es wirkliche Publikationsfreiheit?«, so Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied der CBG. Vom Konzern erhielt die CBG nur einen Zweizeiler als Antwort, in dem es lapidar hieß, es handele sich bei den genannten Fragen um Betriebsgeheimnisse. Mimkes und die CBG ließen sich von dieser Antwort nicht abhalten, weiter nachzuforschen. Wahrscheinlich hat sie ihre Neugierde eher noch genährt. Denn seither gibt es ein Gerangel um den Vertrag, genauer gesagt um dessen Inhalte. Während die einen ihn öffentlich machen wollen, verhindern das die anderen und berufen sich auf die Forschungsfreiheit. »Forschungsverträge müssen geschützt sein! Stellen sie sich vor, als Journalist müssten Sie Ihre Recherche bereits vor der Veröffentlichung in einer Zeitung permanent online stellen!«, so Philipp Honecker, Pressesprecher der Universität Köln. Bayer äußert sich kaum anders: Es gehe um die »Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie der Forschungsfreiheit, mit der das Unternehmen jederzeit verantwortlich und angemessen« umgehe, so der Konzern in einer Pressemitteilung.

Die CBG sah und sieht dies anders und ließ sich mit der knappen Antwort nicht abspeisen. In den Jahren nach 2008 vergrößerte sich das Bündnis der Unterstützer. Von Transparency International, Medico International bis hin zu dem Ärzteverband IPPNW und dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte schlossen sich viele Gruppen und Verbände an, um der Forderung der CBG Nachdruck zu verleihen. »Anfang 2009 haben wir eine Anfrage beim Landesbeauftragten für Informationsfreiheit gestellt. Ihn haben wir im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes um Prüfung gebeten, ob die Einsicht in den Vertragstext möglich sei«, so Mimkes. Rund ein Jahr später wurde dem Antrag stattgegeben. Nach Einschätzung der nordrhein-westfälischen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit sollte der Vertrag zwischen der Universität und Bayer offengelegt werden. Er regele nur grundsätzliche Fragen der Kooperation und beinhalte keine Forschungsgeheimnisse. Also entspreche alles dem Informationsfreiheitsgesetz. Mit diesem Entscheid wandte sich das Bündnis erneut an die Universität mit der Bitte um Einsichtnahme in den Vertragstext. Doch die Universität blockte erneut ab. »Das Informationsfreiheitsgesetz bezieht sich explizit auf öffentliche Einrichtungen. Es gilt nicht für Hochschulen, wenn sie wissenschaftlich tätig werden. Die Wissenschaftsfreiheit, die in der Verfassung geregelt ist, umfasst auch begleitende und vorbereitende Tätigkeiten«, so Patrick Honecker, Kommunikationsdezernent der Universität. Darüber hinaus stehe in dem Vertrag, dass Bayer keinerlei Einfluss auf die Ergebnisse der Forschung habe und auf keinen Fall wissenschaftliche Veröffentlichungen vor Erscheinen kontrollieren könne. Da müsse der Kläger den Aussagen einfach Glauben schenken. Doch auf diese Vertrauensbasis wollte sich die CBG nicht verlassen. Philipp Mimkes reichte im Mai vergangenen Jahres Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. Der Klage wurde stattgegeben und so beschäftigte sich das Gericht im zurückliegenden Jahr mit der Frage, ob der Kooperationsvertrag nun einsehbar sein solle oder nicht. »Das Verfahren haben wir aus Spendengeldern bestritten, während die Gegenseite jeweils eine hochkarätige Anwaltskanzlei engagiert hatte«, so Mimkes.

In der vergangenen Woche erfolgte nun das ernüchternde Urteil. Die Richter folgten der Argumentation der Kooperationspartner und erklärten deren Vorgehen für rechtens: Das Informationsfreiheitsgesetz gelte in diesem Fall nicht, da es sich um Forschung handele. Die Universität und der Bayer-Konzern begrüßten das Urteil. Das Bündnis der Kritiker will jedoch nicht nachgeben. »Wir sammeln jetzt Spendengelder und gehen in Berufung vor das Oberverwaltungsgericht in Münster. Dort rechnen wir uns gute Chancen aus«, sagt Mimkes. Sollten sich »Geheimverträge« durchsetzen, sieht er die Forschungsfreiheit bedroht. Er erinnert daran, dass in Berlin solche »Kooperationen« bereits gescheitert sind. Die Deutsche Bank wollte hier die Technische und die Humboldt-Universität unterstützen, jedoch vor Veröffentlichungen als Zensor auftreten. Die Hochschulen zogen sich daraufhin aus dem Vorhaben zurück.

Für die Universität Köln ist die Aufregung nicht ganz nachvollziehbar. »Es hat immer schon Kooperationen gegeben, und diese sind auch elementar wichtig für den Austausch von Know-How«, so Honecker. Insgesamt gehe es nur um einen kleinen Prozentsatz im Haushalt der Universität. Rund 4,5 Prozent kommen von privaten Geldgebern – die sogenannten Drittmittel. Den Rest des Haushalts stellt die öffentliche Hand. »Wir müssen den Realitäten aber ins Auge blicken. Die Schuldenbremse kommt, und insofern wird der Bereich der Drittmittel noch wichtiger als bisher«, so Honecker.
Den Eindruck, dass man es mit »Geheimverträgen« zu tun hat, wird auch das Oberverwaltungsgericht Münster wohl nicht tilgen können. Es bleibt auch unverständlich, warum die »Kooperationspartner« Öffentlichkeit vermeiden wollen. Gerade weil es so wirkt, als habe man etwas zu verbergen, eröffnet sich Raum für Spekulationen. Will das Großkapital doch den Überbau bestimmen? Zumindest eine teilweise Offenlegung des Vertrages – zum Beispiel derjenigen Passagen, die nur die äußeren Details der Kooperation betreffen – würde hier wahrscheinlich Abhilfe schaffen. Forschungsgeheimnisse wird er ja kaum enthalten – als Patent wurde er jedenfalls noch nicht angemeldet.