»Lyrik von Grass leiten wir immer ungelesen weiter«

Die Zeitschrift Pardon wurde vor kurzem zum wiederholten Mal wiederbelebt. Was davon zu halten ist, erklärt Oliver Maria Schmitt, der von 1995 bis 2000 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Titanic war und heute dessen Mitherausgeber ist. Darüber hinaus ist er Ehrenvorsitzender der Partei »Die PARTEI«.

Ist der Humorzeitschriftenmarkt nicht bereits gesättigt? Schließlich gibt es mit dem Spiegel, der Frau im Spiegel und dem Eulenspiegel für die Ostzone schon genug Satireblätter.

Am Kiosk ist noch genug Platz für weitere, zum Beispiel gibt es immer noch kein gutes Satireblatt für die vielen Landleute, also die Leser von Landlust, Landleben und Landliebe. Da würde mir ein Blatt wie »Landlachen« oder »Kicher Country« gut gefallen. Prinzipiell ist auch die Wiederbelebung publizistischer Leichen zu begrüßen, schließlich müssen die ehemaligen Mitarbeiter von Vanity Fair, Brigitte Balance und der Financial Times Deutschland auch irgendwo unterkommen. Die neue Pardon kann den Eindruck jetzt auch schon ganz gut vermitteln, dass sie von solchen Leuten gemacht wird.

Herausgeber ist Wolfram Weimer, als ehemaliger Chefredakteur von Focus, Cicero und Berliner Morgenpost ausgewiesenes Spitzentalent auf dem Satiresektor. Ist das ein gutes Zeichen?

Zumindest kein ganz schlechtes. Es beunruhigt mich aber, dass weder Helmut Markwort noch Helmut Schmidt noch Helmut Kohl in das Projekt eingebunden sind. Ohne Helmut Kohl kann man in Deutschland keine zukunftsfähige und nachhaltige Satire machen.

Im neuen Pardon gibt es Beiträge von so berühmten Humorkanonen wie Heinrich Böll und Hellmuth Karasek. Muss man damit rechnen, dass bald auch Günter Grass oder Jakob Augstein ihre Witztexte in seriösen Publikationen wie der Titanic veröffent­lichen?

Die lyrischen Einsendungen von Günter Grass, die uns seit Jahren erreichen, leiten wir ja immer ungelesen an die Süddeutsche weiter, die drucken das dann weg. Und die im Zweifel eher rechten Etüden eines Jakob Augstein würden plötzlich unglaubwürdig wirken, erschienen sie nicht in einem Boulevardtrash-Umfeld wie etwa auf Spiegel Online. Sollte sich allerdings herausstellen, dass Augstein auch noch der uneheliche Sohn von Günter Grass ist, sähe ich für ihn ganz gute Chancen, in den publizistischen Premiumsektor vorzudringen. Er muss sich ja wohl beruflich ohnehin bald neu orientieren.