Skandale schaden der Deutschen Bank nicht

Wie bei den Hells Angels

Bei der Deutschen Bank folgt ein Skandal auf den anderen. Ihrer Stellung als zen­tralem Träger des Wirtschaftsstandortes Deutschland wird dies aber keinen Abbruch tun.

»Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?« fragte Bertolt Brecht schon vor 90 Jahren. Seit einigen Jahren hat dieses Zitat wieder Konjunktur. Und auch bei der vorweihnachtlichen Mahnwache von »Occupy Frankfurt« gegen die »kriminellen Machenschaften« der Deutschen Bank durfte diese Sentenz natürlich nicht fehlen. Verglichen mit den fast 500 Polizisten, die Mitte Dezember die Deutsche Bank durchsucht hatten, wirkten die kaum zwei Dutzend Protestierenden vor der Zentrale des größten deutschen Finanzinstituts eine Woche später allerdings ausgesprochen harmlos. Bei der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Durchsuchung der Bank hatten noch bewaffnete Polizisten die Bank abgeriegelt und anschließend vier Banker unter den Augen der Öffentlichkeit abgeführt. An einen »Actionfilm« erinnert fühlte man sich in der Redaktion von Zeit Online. Fast schien es, als hätten die Staatsanwälte eine Brecht-Schulung erhalten oder die »Dreigroschenoper«, aus der das Zitat stammt, als Adventslektüre entdeckt.
Immerhin bekommen die Verantwortlichen im Tower langsam Routine angesichts der Razzien in ihrem Haus. Ein erster Besuch der Staatsmacht wegen des gegenwärtig im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Steuerbetrugs beim Handel mit Emissionsrechten – der Bank wird vorgeworfen, mindestens 230 Millionen Euro an Umsatzsteuer hinterzogen zu haben – fand bereits im April 2010 statt, dem im November 2011 die erste Razzia wegen des eventuell von Verantwortlichen der Bank mitverursachten Untergangs des Kirch-Imperiums folgte. Diesmal kamen die Ermittler wegen dieser beiden Fälle in dichterer Folge, denn auf die öffentlichkeitswirksame Abriegelung folgte nur zwei Wochen später eine weitere Durchsuchung von Räumen der Bank durch die mit dem Fall Kirch befasste Münchner Staatsanwaltschaft. Vier Durchsuchungen in zweieinhalb Jahren, das bekommt so manches Hells-Angels-Chapter nicht hin.

Hinzu kommt noch der Ärger, den das Institut auch in anderen Ländern hat. In den USA ist bereits seit Mai 2010 ein Verfahren gegen die Bank anhängig, das die US-Wertpapieraufsicht SEC wegen der vermutlich bewusst betrügerischen Überbewertung von Derivate-Portfolios angestrengt und das nach den jüngsten Aussagen ehemaliger Angestellter der Deutschen Bank neuen Schwung bekommen hat. Und auch bei dem internationalen Verfahren der europäischen und US-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden gegen sieben Großbanken wegen der Manipulationen des Libor- bzw. Euribor-Zinssatzes ist die Deutsche Bank ganz vorne mit dabei. Den Banken wird vorgeworfen, diese Zinssätze, die anzeigen, zu welchem Preis sich Banken untereinander Geld leihen, systematisch zu niedrig angegeben, so Gewinne mit Derivaten gemacht und die Kreditwürdigkeit des jeweiligen Instituts künstlich aufgewertet zu haben, um weiterhin billig an Geld zu kommen. Nach Angaben der US-Notenbank Fed könnte der Gesamtwert der Finanzprodukte, die sich auf den Libor als Basiszins beziehen, bei 350 Billionen US-Dollar liegen. Angesichts dieses Volumens haben die ersten Banken bereits Vergleiche mit den Aufsichtsbehörden geschlossen. Nachdem die britische Großbank Barclays bereits 454 Millionen US-Dollar gezahlt hat und ihr Vorstandsvorsitzender Robert Diamond zurückgetreten ist, hat nun auch die Schweizer Bank UBS einen Vergleich über insgesamt 1,4 Milliarden Schweizer Franken ausgehandelt. Es könnte also teuer werden für Deutschlands Vorzeigebank.
Und die Skandale reißen nicht ab. In Mailand verurteilte unlängst ein Gericht die Deutsche Bank gemeinsam mit drei weiteren Instituten – JP Morgan, UBS und der deutsch-irischen Depfa – zu einer Geldstrafe von jeweils einer Million Euro und einer Gewinnabschöpfung von insgesamt 87 Millionen Euro, von der die Deutsche Bank 24,3 Millionen tragen muss. Den Banken wurde nachgewiesen, dass sie beim Verkauf von Zinswetten bewusst Millionenverluste für die norditalienische Metropole in Kauf nahm, ohne die Stadt in angemessener Weise auf die Gefahren hingewiesen zu haben. Auch wenn die Strafe nach den schon sprichwörtlichen »Peanuts« aussieht, könnte sich daraus ein »Tsunami für das ganze System« entwickeln, wie der Gutachter Tommaso Iaquinta meinte, denn insgesamt haben die vier Banken rund 600 italienischen Kommunen Derivate im Volumen von 36 Milliarden Euro verkauft. Nun drohen den Gemeinden nach Erhebungen der heimischen Notenbank Verluste von fast vier Milliarden Euro. Dass das Mailänder Urteil ein Präzedenzfalls werden könnte, der über Italien hinausweist, deutete Staatsanwalt Alfredo Robledo bereits direkt nach dem Urteilsspruch an: »Das ist ein historisches Urteil, weil es den Grundsatz anerkennt, dass die Geschäfte von Banken mit der öffentlichen Hand transparent sein müssen.« Ganz ähnlich hatte dies der Bundesgerichtshof gesehen und die Deutsche Bank verurteilt, weil die Finanzprodukte »bewusst zu Lasten des Anlegers« konstruiert worden seien. In Deutschland war die Bank aber letztlich durch den Abschluss von Vergleichen mit zahlreichen Kommunen recht glimpflich davongekommen.

Angesichts so vieler schlechter Nachrichten wird man sich in der Zentrale der Deutschen Bank ganz besonders über das Vertrauen gefreut haben, das der Bundesfinanzminister ihr offensichtlich weiterhin entgegenzubringen bereit ist. »Natürlich sind das alles keine guten Nachrichten und ich mache mir Gedanken«, sagte Wolfgang Schäuble zuletzt auf einer Pressekonferenz zum Thema. »Aber ich habe die Zuversicht und das Vertrauen, dass die Verantwortlichen die Dinge ernst nehmen und möglichst schnell aufklären und abstellen.« Es sei für eine stark auf Export orientierte deutsche Wirtschaft von großem Interesse, leistungsfähige Banken zu haben. Er werde sich jedenfalls als deutscher Finanzminister auch weiterhin für die Interessen Deutschlands einsetzen, kündigte er zum Schluss an. Dass dabei der Deutschen Bank als einzigem Global Player eine zen­trale Bedeutung zukommt, musste nicht eigens erwähnt werden.

So wollte sich der Minister auch nicht lange mit dem Beschwerdeanruf von Jürgen Fitschen, dem Co-Vorsitzenden des Vorstands der Deutschen Bank, beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) beschäftigen, in dem Fitschen sich über den angeblich durch die Razzien verursachten verheerenden Imageschaden für die Bank beklagt hatte. Schließlich habe Fitschen eingeräumt, so Schäuble, »dass sein Anruf bei Bouffier ein Fehler gewesen« sei. Fitschen hatte vorher dem Druck nachgegeben und etwas zerknirscht eingestanden, dass »die Unabhängigkeit der Rechtspflege« auch für ihn »ein hohes Gut« darstelle. Für Schäuble war das genug an innerer Einkehr – ein wenig Geld wird die Bank zusätzlich an Strafen und Steuernachzahlungen schon auch noch rausrücken müssen –, um weiterhin an Fitschen als Wunschkandidaten für die Spitze des Bundesverbandes deutscher Banken, als »Partner« für die Politik und als Repräsentant des Finanzgewerbes festzuhalten. Nicht nur »too big to fail« ist die Bank, sondern auch zu groß, um dauerhaft einen schlechten Ruf haben zu können.