Griechische Neonazis in Süddeutschland

Dämmern in jeder Ecke

Die griechische Neonazipartei Chrysi Avgi behauptet, sie würde weltweit Büros gründen, angeblich auch eines in Süddeutschland.

Glaubt man ihrer Internetpräsenz, will die griechische Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) in »jeder Ecke der Welt« Büros eröffnen. In Montreal, in London, im neuseeländischen Auckland und in New York habe sie dies bereits getan. Ihre Anhänger wollen damit vor allem die Arbeit der Partei in Griechenland finanziell unterstützen.
In New York schickte der Ku Klux Klan ein Grußwort, ansonsten gab es jedoch keinerlei öffentlichen Zuspruch. Ganz anders in Griechenland, wo die Neofaschisten in der ökonomischen und po­litischen Krise vermehrt Zulauf haben. In den vergangenen drei Jahren vervielfachte die Partei ihr Wahlergebnis. Bei den griechischen Parlamentswahlen im Juni 2012 erhielt sie bereits 450 000 Stimmen (6,9 Prozent) und zog mit 18 Abgeordneten ins Parlament am Syntagma-Platz ein. In aktuellen Umfragen liegt die Partei, die sich als einzige »nicht korrupte« Kraft inszeniert, bei mindestens dem Doppelten.
In vielen weiterführenden Schulen beherrscht Chrysi Avgi die Schülervertretungen und mindestens 35 Prozent der etwa 100 000 griechischen Polizisten sollen mit der Partei sympathisieren. Aber die Neonazis dringen nicht nur in die Schulen und den Staatsapparat ein, sondern zunehmend auch in Solidaritätsstrukturen. Regelmäßig werben ihre Mitglieder für Blutspenden oder verteilen Lebensmittel – allerdings ausschließlich an Griechen. Im Mai 2012 rekrutierte Chrysi Avgi in der Türsteherszene und stellte eine rassistische Motorradpatrouille auf. Viele der anlässlich der Massenproteste in Athen eingestellten »Sonderbeamten« der griechischen Polizei verbündeten sich schnell mit den Aktivisten von Chrysi Avgi. Die motorisierten Schlägertrupps verüben seitdem regelmäßig nach Sonnenuntergang Überfälle. Die meisten ihrer Opfer sind Migrantinnen und Migranten sowie Angehörige der queeren Szene.
»Chrysi Avgi ist natürlich eine kriminelle Vereinigung nach dem Strafgesetzbuch, Paragraph 187, aber wenn die Täter rechtsextrem sind, dann wird nicht ermittelt wie sonst«, sagt Klio Papapantoleon, Generalsekretärin der griechischen Liga für Menschenrechte. Die jungen Männer, die in den schwarzen T-Shirts mit dem Parteilogo und der an Runen erinnernden Schrift in den Stadtvierteln patrouillieren, stoßen dennoch auf wachsendes Verständnis in der griechischen Bevölkerung.

Ähnliches lässt sich für die in Deutschland lebenden Griechinnen und Griechen nicht sagen. Im Herbst 2012 kursierten in der griechischen Community viele Gerüchte um eine angebliche Eröffnung eines Parteibüros in München, die sich jedoch als falsch erwiesen. Hier lebende prominente Griechinnen und Griechen initiierten eine bundesweite Unterschriftenaktion mit dem Titel »Nichts Goldenes an dieser Morgenröte« gegen die Neofaschisten. In dieser Erklärung heißt es unter anderem: »Wir sind erschüttert von den täglich an Brutalität zunehmenden und rassistischen Übergriffen der neonazistischen Chrysi Avgi, der sogenannten Goldenen Morgenröte.«
Am 7. Januar 2013 will Chrysi Avgi nun ein Büro in Nürnberg eröffnet haben. Von dieser »Zelle« hat die Partei jedoch weder eine Adresse noch Bilder veröffentlicht. Anfragen dazu werden nicht beantwortet. Für kurze Zeit wurde immerhin eine eigene Homepage ins Internet gestellt. »Die Auslandsgriechen antworten auf die dreckigen Hippies und das Regime der demokratischen Diktatur in unserer Heimat«, heißt es dort. »Wir erwarten das Trompetensignal unseres Führers, Nikolaos Michaloliakos, um uns wie ein gewaltiger Strom auf der ganzen Erde auszubreiten und den Endsieg zu erzielen.«
Die Griechische Gemeinde Nürnberg veröffentlichte gegen die Behauptungen von Chrysi Avgi, die zwar unbewiesen blieben, aber ein großes Medienecho hervorriefen, eine Erklärung: »Diejenigen, die die Renaissance der Neonazis in der Stadt Nürnberg erwünschen, (…) werden von allen lebenden Griechen in unserer Region als Feinde angesehen.«
Bei den in Deutschland lebenden griechischen Migrantinnen und Migranten, deren Zahl irgendwo zwischen den von offizieller Seite genannten 380 000 und 900 000 liegen soll, kann die migrantenfeindliche Partei Chrysi Avgi also offensichtlich nicht landen. Ausgebaut hat sie dagegen die Kontakte zur deutschen Neonaziszene. Schon seit den neunziger Jahren pflegten griechische Neonazis einen gewissen Austausch mit der NPD. In den vergangenen Jahren fuhren Mitglieder von Chrysi Avgi zum »Fest der Völker« nach Jena und zum »Tag der deutschen Arbeit« in Rostock. Auch beim »Day of Honour« in Budapest, einer »Blood & Honour«-Veranstaltung, und bei den rumänischen Neonazis der »Nuoa Drepta« begegnete man sich.

Der griechische Journalist Dimitris Psarras beobachtet Chrysi Avgi seit vielen Jahren. Ende 2012 ist sein »Schwarzbuch Goldene Morgenröte« in Griechenland erschienen. Auf einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung im November 2012 in Athen gab er auf die Frage nach einer Zusammenarbeit der deutschen und griechischen Neonazis eine differenzierte Antwort: »Sehr früh schon wollte die Chrysi Avgi nichtgriechische Kinder aus den Kindergärten werfen. Das hatte sie von der NPD in Mecklenburg-Vorpommern abgeguckt. Zudem soll die neue Generation der Führungskräfte der Chrysi Avgi Seminare in Deutschland besucht haben, aber unklar ist, wen sie da besucht haben.«
Einen Dämpfer erhielten die Kontakte im vorigen Jahr, als die NPD mit einer Kundgebung »Deutsches Geld für deutsche Interessen« vor dem griechischen Konsulat in Düsseldorf auftauchte. Chrysi Avgi schmollte wegen der »völkischen Aktion« und empfahl den deutschen Kameraden, doch lieber vor die israelische Botschaft zu ziehen. Begeisterung für die »Goldene Morgenröte« zeigen jedoch die süddeutschen Kameradschaften. Auf dem Heidelberger »Infoportal 24« und auf der Homepage des bayerischen Kameradschaftsdachverbands »Freies Netz Süd« (FNS) erscheinen Dutzende schwärmerische Artikel über die Chrysi Avgi.

Im November 2012 soll es in Nürnberg einen Stadtrundgang von griechischen Neonazis mit dem derzeit in seinem württembergischen Elternhaus lebenden Holocaust-Leugner Ernst Zündel gegeben haben. Bei dem »kulturpolitischen Ausflug« standen eigenen Angaben zufolge »die Verkündungsstätte der Nürnberger Rassengesetze« und die »Judensau« an der Sebalduskirche auf dem Programm. Am 2. Februar besuchten die FNS-Kader Matthias Fischer und Sebastian Schmaus eigenen Angaben zufolge auf Einladung des Parteivorsitzenden von Chrysi Avgi, Nikolaos Michaloliakos, die Abgeordnetenbüros der Partei im griechischen Parlament. In der »Zentrale der NS-​Partei« habe man, so berichtet das FNS mit zahlreichen Bildern auf seiner Internetseite, »den politischen Austausch über Ländergrenzen hinweg« vereinbart. Neben dem Parlamentsbesuch nahmen die deutschen Neonazis – mit dabei auch Mitglieder der NPD und Neonazis aus Dortmund – am Imia-Aufmarsch in Athen teil, einer nationalistischen Demonstration, bei der es um die sowohl von Griechenland als auch der Türkei beanspruchte Mittelmeerinsel Imia beziehungsweise Kardak geht.
Die Einladung ist auch ein Zeichen dafür, dass sich Chrysi Avgi schon seit vielen Jahren ideologisch vom italienischen Faschismus entfernt und dem deutschen Nationalsozialismus nähert. Doch deutsche Nationalsozialisten im griechischen Parlament – 70 Jahre nach den Massakern der NS-Wehrmacht in Griechenland sorgte dieser Tabubruch für Empörung. Chrysi Avgi ­reagierte auf den Skandal. »Unsinn«, verkündete ihr Sprecher Ilias Kasidiaris gegenüber der Presse, »Chrysi Avgi gibt in allen Richtungen bekannt, dass sie überhaupt keine Beziehungen mit fremden politischen Organisationen oder Parteien pflegt.« Mit der Wahrheit nehmen sie es bei Chrysi Avgi offenbar nicht immer so genau.