Verbiestert und verspießt

Opa, Vater, Mutter, Sohn und Tochter fassten sich bei den Händen und schwenkten Fahnen. Zwischen ihnen hippe Jugendliche in Röhrenjeans und coolen Turnschuhen. Als Soundtrack lief das neue Daft-Punk-Album, »Go West« von den Pet Shop Boys wurde von Sprechchören gehijackt und heterosexualisiert. Welch eine Koinzidenz: Während in Paris Abertausende ihre Verachtung der Homo-Ehe kundtaten, wurde in Cannes etwas inhaltlich Entgegengesetztes gefeiert. Bei den 66. Festspielen des international wichtigsten Filmfestivals hat der französische Film »La vie d’Adèle« die Goldene Palme gewonnen. François Hollande gratulierte dem Regisseur Abdellatif Kechiche für sein dreistündiges Werk über die Liebe zweier lesbischer Frauen. Es ist ein Statement, zum ersten Mal wird in Cannes ein Film mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, dessen Hauptthema Homosexualität ist. Die Massen auf den Pariser Straßen dürften darin ein weiteres Indiz für den Untergang des Abendlandes sehen.   OKO
Vernebelt und versprüht
Für einige kann die Welt nicht trist genug sein. Farbe sollte verschwinden, Kunst erst recht. Zumindest außerhalb der Museen, da, wo man sie nicht haben will. Deshalb geht die Deutsche Bahn mit der Zeit: »Wir müssen neue Wege bei der Graffiti-Bekämpfung gehen«, sagte Gerd Neubeck, Leiter der Abteilung Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, der Zeitung Bild am Sonntag. Um den nächtlichen Aktionen Einhalt zu gebieten und den ungeliebten Kunstschaffenden das Handwerk zu legen, sollen künftig Drohnen mit Wärmebildkameras eingesetzt werden. Die kleinen Hubschrauber – übrigens stilecht mit dem Deutsche-Bahn-Logo verziert – können in einer Höhe von 150 Metern operieren, große Flächen überwachen und sich dabei beinahe lautlos bewegen. Die Aufnahmen sollen inklusive Standortdaten dokumentiert werden, um die Übeltäter erfolgreich juristisch belangen zu können. Die Anti-Graffiti-Drohne soll aus Datenschutzgründen vorerst nur über Bahngeländen eingesetzt werden. Da darf man ja beruhigt sein.   OKO
Verlabert und versprochen
Eine weitere Koryphäe, ein Gigant des deutschen Unterhaltungsfernsehens schmeißt hin. Reinhold Beckmann will Ende 2014 mit seiner ARD-Talkshow aufhören. Seine Begründung: »Ich bin der Debatten über Sinn oder Unsinn der politischen Talkshows in der ARD einfach müde.« Zu viel Debatte für einen Talkmaster? Naja, der ARD bleibt er auch weiterhin erhalten. Mit der Sportschau und weiteren Formaten, die bereits in Vorbereitung sind: »Ich plane mit der ARD ein neues Format, das mehr filmische Formen enthält. Es wird hochkarätige Gäste geben, die wir porträtieren, und ich werde die Moderation übernehmen. Und auch mit dem NDR geht es weiter.« Ein großes Aufatmen. Bei den einen, weil sie sich auch nach 15 Jahren seiner TV-Präsenz nicht an sein selbstverliebtes Betroffenheitsgequatsche gewöhnen konnten. Die anderen freuen sich, dass Beckmann weiterhin beim Fernsehen bleibt. So kommt er nämlich nicht auf die übergeschnappte Idee, sich verstärkt seiner Karriere als Musiker zu widmen.   OKO
­Verschlafen und verschnarcht
­Michael Caine und Morgan Freeman werden im Morgenfernsehen live interviewt. Sie wollen »Now You See Me« vorstellen, ihren neuen Film. Es ist früh. Verdammt früh. Während Michael Caine sich wacker schlägt, die Fragen pflichtschuldig beantwortet, wird Morgan Freeman müde. Entsetzlich müde. Bis er schließlich die Augen nicht mehr offen halten kann und vor laufender Kamera einschläft. Nein, natürlich hat er nur so getan, subversive Medienkritik nennt man das. Gut gemacht, Mr. Freeman!   OKO