Mit Ullrich und Ulrike

Rund 20 Leute sind am Montag in den linken Buchladen »Schwarze Risse« im Berliner Bezirk Kreuzberg gekommen. Der Soziologe Peter Ullrich stellte sein neues Buch »Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt. Politik im Antisemitismus- und Erinnerungsdiskurs« (Wallstein-Verlag) vor. Es ging also um ein Thema, das zuverlässig für leidenschaftliche Diskussionen sorgt. Von Leidenschaft war zu Beginn von Ullrichs Einlassungen allerdings wenig zu spüren – was zum einen wohl der typischen Buchladenatmosphäre geschuldet war. Nur vereinzelt nippten Leute verstohlen an ihrem mitgebrachten Bier, Ul­rike Meinhof blickte von einem Plakat streng auf das Publikum herab. Zum anderen könnte es an Ullrichs Strategie gelegen haben, bloß niemandem auf die Füße zu treten.
Seine These, dass es in Sachen Nahost »einen Lernprozess innerhalb der Linken« gegeben habe, wurde mit allerlei Bekanntem unterfüttert. Einzig als es darum ging, den Aufsatz »Antisemiten als Koalitionspartner?« von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt zu attackieren, bezog er klar Stellung. Dieser Aufsatz, den Ullrich mit ironischem Unterton konsequent »Studie« nannte, sei »stark übertrieben«. Der Rest versank in konsensheischender Abwägerei. Klar gebe es auf Seiten der Palästina-Solidarität auch Hamas-Fans, dafür würden einige Antideutsche am liebsten in die israelische Armee eintreten. Von der gegen Israel gerichteten Boykott-Kampagne BDS wollte er sich nicht einfach distanzieren, sie befürworten natürlich auch nicht. Die Diskussion war dann eher lau. Während sich die einen fragten, was denn die Alternative zu Boykott­aufrufen sei, wiesen andere darauf hin, dass bereits frühere Israel-Boykotte arabischer Länder »nichts gebracht« hätten. Am Ende blieb es ein netter Argumentetausch mit zu wenig Bier und einer wachenden Ulrike Meinhof an der Wand, der zu diesem Thema sicherlich etwas Kontroverses eingefallen wäre.