Verbotene Brote

Vor der Schule, an der ich unterrichte, gibt es zwei Backläden, die beide von wahnsinnig zuvorkommenden Türken ­betrieben werden. Zuvorkommend sind sie aber nur den Kunden gegenüber, zueinander sind sie es weniger, letztens musste sogar die Polizei kommen. Denn wenn man wissen will, was beinharte kapitalistische Konkurrenz ist und warum sie nichts mit freier Individualität zu tun hat, geht man entweder in eine Schule oder besser noch in die Berliner Gastronomie und macht in Kreuzberg einen Dönerladen auf oder eben eine Bäckerei gegenüber von meiner Schule. Dort gibt es noch einen weiteren local player, der versucht, ans Essens- und Taschengeld der Schülerinnen und Schüler zu gelangen, aber dieser ist staatlich gefördert und der freien Konkurrenz daher eigentlich entzogen: die Schul-Cafeteria. Deren Betreiber – wahnsinnig zuvorkommende Türkinnen natürlich – haben dafür andere Probleme, weil sie ja diejenigen sind, die für die Bereitstellung eines Schulessens Verantwortung tragen, das supergesund, schülerkompatibel, in der Menge ausreichend und vor allem billig sein muss: 3,25 Euro pro Portion. Das sei momentan aber leider nicht zu schaffen, erklärt eine der wahnsinnig zuvorkommenden Damen, während sie mir meinen täglichen Nudelsalat reicht. Denn dafür müssten sich mindestens zwölf Schülereltern entscheiden, für 37 Euro pro Monat und einen Euro pro Mahlzeit mit Förderung durch das Teilhabepaket ein gesundes, warmes Mittagessen für ihr Kind im Voraus zu reservieren. Dies konnten unsere Schülerinnen und Schüler bisher offenbar erfolgreich verhindern.
Um den Backläden das Wasser abzugraben und so die Cafeteria zu unterstützen, wurden inzwischen sogar die Aufsichten in den Pausen verstärkt. Nun stehen wir Lehrerinnen und Lehrer da und verhindern mit äußerst fadenscheinigen Begründungen, dass die Kinder ihr Geld auf dem freien Markt auf den Kopf hauen statt auf dem staatlich geförderten.
Diese Situation erhöht die Attraktivität der Backläden in den Augen der Schüler naturgemäß ganz ungemein, die Bäckerei ist jetzt etwas ähnliches wie Rauchen, Sex ohne Kondom oder Hausaufgaben Abschreiben – gefährlich und verboten und genau deswegen sehr glamourös. Wenn der Senat schlau wäre, würde er natürlich heimlich einen der Bäcker dafür bezahlen, püriertes und unnatürlich eingefärbtes Gemüse und Obst in durchsichtigen Becherchen anzubieten und das ganze »Porn Pulp«, »Mega Heroin Shot« oder »Extreme Sex Boost« zu nennen. Dann müsste die Schulleitung nur noch drakonische Strafen für den Konsum verhängen und schon würden’s alle dauernd trinken. Aber der Senat ist ja nicht schlau, und das ist ja wahrscheinlich auch gut so. Wer will schon püriertes Gemüse schlürfen?