Die AfD im Wahlkampf

Kampf dem Mehltau

Die »Alternative für Deutschland« führt ihren ersten Wahlkampf auf Landesebene. Neben allerlei Absurditäten fällt dabei der Widerspruch zwischen rechter Ideologie und liberaler Außendarstellung auf.

Mit dem Trabi durch Ostdeutschland fahren und drei Kinder pro Familie fordern – von deutschen Familien wohlgemerkt –, den Eltern gleich noch für jedes Kind ein zusätzliches Stimmrecht zugestehen, dieses aber Ausländern verweigern (»Wahlrecht nur für Deutsche, auch in Thüringen!«), da diese angeblich »ganze Bagger vom Hof« klauen, und dazu noch in Interviews Sätze von sich geben wie: »Die politische Korrektheit liegt wie Mehltau über unserem Land.«
All das könnte zur Wahlkampagne einer Satirepartei gehören, ist aber der Wahlkampf der Alternative für Deutschland (AfD). In drei Bundesländern – Sachsen, Thüringen und Brandenburg – steht diese in den kommenden Wochen zur Wahl. Und glaubt man den Prognosen, hat sie gute Chancen, in die dortigen Parlamente einzuziehen. Eine Spitzenkandidatin und zwei Spitzenkandidaten sollen dort, wo die Partei bei der Europawahl die meisten Stimmen bekam, die AfD in die Landtage bringen: Frauke Petry in Sachsen, Björn Höcke in Thüringen und Alexander Gauland in Brandenburg.

Bisher war das Hauptmerkmal der Partei ihr deutschnationaler Populismus, der in den Medien gerne euphemistisch als »eurokritisch« bezeichnet wird. Bei Landtagswahlen ergibt dies allerdings wenig Sinn und so hat die AfD ihr Programm den ostdeutschen Gegebenheiten angepasst. Durch die Grenznähe der Länder ist eines der großen Themen die Einwanderung, die mit Kriminalität gleichgesetzt wird. Auch die Ursache des Drogenhandels wird in den tschechischen Crystal-Meth-Küchen gesehen, und nicht etwa bei den deutschen Konsumenten gesucht. Die AfD möchte deshalb wieder Kontrollen an den ostdeutschen Grenzen einführen. »Sichere Grenzen statt grenzenlose Kriminalität« steht auf ihren Plakaten. Zusätzlich bedürfe es nach Herkunft sortierter Kriminalitätsstatistiken, »um ein klares Bild zu erhalten, welche Einwanderergruppen Probleme bereiten«, wie der Kandidat Gauland forderte und dabei dem zutiefst deutschen Bedürfnis nach der Erstellung von Listen Ausdruck verlieh. »Deutschland ist kein Einwanderungsland«, lautet der Grundsatz der Migrationspolitik der AfD.
Damit der deutsche Osten auch deutsch bleibt, soll in Volksentscheiden über Moscheebauvorhaben abgestimmt werden. Schulkinder sollen wieder die Nationalhymne singen und eine Deutschquote fürs Radio soll eingeführt werden. »Noch steht in jedem Dorf eine Kirche«, so Gauland, und so solle es auch bleiben. Die Forderung nach einer Drei-Kind-Politik steht hierzu in enger Verbindung: Der schleichenden »Überfremdung« soll die deutsche Mutter gebärend Einhalt gebieten. Die Familie ist das andere große Wahlkampfthema, wobei sich die AfD nach eigenen Angaben an der Familienpolitik der DDR orientieren möchte. Der thüringische Spitzenkandidat Höcke will zudem die gesellschaftliche Rolle der Familie stärken, die darin bestehe, die »natürliche Geschlechterordnung« zu bewahren und Kindern eine »positive Unterordnungsfähigkeit« beizubringen.
Wenn Vertreter der AfD gerade mal keine rechtskonservative und -populistische Ideologie von sich geben, sind sie damit beschäftigt zu betonen, dass die Partei keine rechtskonservative und -populistische Ideologie vertritt. Der Vorwurf des Rechtspopulismus gründe nämlich auf Lügen und Verleumdungen. Die »historische Mission der AfD« bestehe vielmehr darin, »der Meinungsfreiheit in diesem Land wieder zum Durchbruch zu verhelfen und die politische Korrektheit in die Schranken zu verweisen«, ließ Kandidat Höcke wissen. Nachdem der Sprecher der Leipziger Grünen, Jürgen Kasek, dazu aufgerufen hatte, ein Friseurgeschäft in der Stadt zu meiden, dessen Inhaber Mitglied der AfD ist, warf ihm die sächsische Kandidatin Petry in einer Pressemitteilung vor, in »SA-Manier« vorzugehen und sich so eines »unerträglichen Rückfalls in die Zeiten der Nazi-Diktatur« schuldig gemacht zu haben. »Damals hieß es: ›Deutsche kauft nicht beim Juden.‹« Der Friseur der AfD sei nun das verfolgte Opfer, legt Petry nahe. Die AfD ist die Band Freiwild in Parteienform: Sie verbreitet konformistisches Rebellentum, gepaart mit Opfergehabe und rechten Inhalten.

Der Widerspruch zwischen rechter Ideologie und mediengerechter liberaler Außendarstellung sorgt in der Partei aber bereits seit geraumer Zeit für Streitigkeiten, so auch im derzeitigen Wahlkampf. Nachdem Spitzenkandidat Höcke seine »Zehn Thesen für den Freistaat Thüringen« vorgestellt hatte, konterte die frühere Landessprecherin Michaela Merz auf Facebook, seine Aussagen würden »die AfD als eine Partei der Ewiggestrigen erscheinen« lassen. »Die AfD ist nicht Republikaner ›light‹ und auch nicht eine Pro-Irgendwas-Partei. Wer sich mit diesen Strömungen identifiziert, ist möglicherweise falsch in der AfD«, schrieb Merz.
Vielleicht irrt sich Merz da aber gehörig. Der stellvertretende Vorsitzende der sächsischen AfD, Thomas Hartung, machte sich im Juni im Internet über einen Lehrer mit Down-Syndrom lustig und warnte davor, einen solchen Fall als »normal« zu akzeptieren. Zwar musste er daraufhin zurücktreten, aber auch im Wahlprogramm der AfD wird die schulische Trennung von Kindern mit und ohne Behinderung gefordert. Der als »völkischer Christ« bekanntgewordene Sprecher der AfD Thüringen, Matthias Wohlfarth, der in Interviews rassistische Angriffe als Folge einer fehlgeleiteten Migrationspolitik und eine »ausländerskeptische Haltung« als »biologisch normal« bezeichnet hat, ist weiterhin im Amt – weshalb andere die Partei mittlerweile verlassen haben.
In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass drei sächsische Landtagskandidaten, die der »Patriotischen Plattform«, einem Zusammenschluss von Mitgliedern und Anhängern der AfD, angehören, den FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer zu einer Veranstaltung nach Leipzig eingeladen haben. Mölzer wurde über Österreichs Grenzen hinaus bekannt, als er die EU als »Negerkonglomerat« bezeichnete und anschließend seine Kandidatur für das EU-Parlament niederlegen musste. Bisher hatte die AfD stets betont, nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten zu wollen. Doch die »unüberhörbar rechten Töne«, die das Internetportal »Blick nach Rechts« in den Landeswahlprogrammen ausmacht, weisen in eine andere Richtunng.
Das Hin und Her zwischen bürgerlich-liberalem Anschein und rechtsnationaler Propaganda scheint auch die Wähler und Wählerinnen zu verunsichern. Die vielen persönlichen Querelen tun ihr Übriges. So will derzeit ein AfD-Kreisvorsitzender aus Bautzen mit einer Klage vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof verhindern, dass seine Partei bei den Landtagswahlen antreten darf, da sie ihn gegen seinen Willen von der Wahlliste gestrichen habe. Lag die AfD zu Beginn des sächsischen Wahlkampfs in Umfragen bei bis zu acht Prozent, liegen die Prognosen aktuell bei fünf Prozent.

Für einen Einzug in den Landtag würde das immer noch reichen. Und einen guten Nebeneffekt könnte es mit sich bringen. Die AfD macht der NPD Wähler abspenstig. Den Umfragen zufolge könnte die NPD den Einzug in den sächsischen Landtag verpassen, in dem sie seit mittlerweile zehn Jahren sitzt. Zwar unterscheiden sich AfD und NPD in gewissen Bereichen nur geringfügig. Doch eine offen neonazistische Partei würde eine öffentliche Bühne und einen ihrer staatlichen Fördertöpfe verlieren. Und die AfD hätte die passenden Büroräume im Landtag zur Verfügung.