Die Debatte über den CIA-Folterskandal in den USA

Die Lebensretter

Im Konflikt um die Folterpraktiken der CIA geben sich Republikaner verstockt, ­juristische Konsequenzen bleiben aus.

Der CIA-Folterskandal hat in den USA nicht etwa zu Reflexion und Nachdenken geführt, sondern zu einer Schlammschlacht. Wieder einmal nehmen Republikaner und Demokraten unversöhnliche Positionen ein und verteidigen diese mit schriller Vehemenz. Doch die Gesellschaft kann sich nicht einmal auf die Einhaltung grundlegender Normen einigen.
Die Republikaner sehen sich in der Rolle der Law & order-Partei, die alles tut, um das Land zu beschützen. »Ich würde es jederzeit wieder tun«, so der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney am Sonntag. Für Cheney ist die Sache klar: Der Zweck heiligt die Mittel.
So erlebt man in den USA dieser Tage ein unwürdiges Spektakel, einer der größten moralischen Fehltritte der vergangenen Jahre wird zum Zankapfel der großen Parteien. Der Tatbestand der Folter geht dabei völlig unter. Konservative Kommentatoren und ranghohe Vertreter der Regierung Bush tun alles als notwendiges Übel ab. Dank dem Senatsbericht ist klar, dass 26 der gefolterten Gefangenen im Sinne der Anklage – wenn es eine Anklage gegeben hätte – unschuldig waren beziehungsweise nichts mit Terrorismus zu tun hatten. Nicht alle Gefangenen haben überlebt. Ein Mann namens Gul Rahman starb nach 48stündiger Folter an Unterkühlung in seiner Zelle. Sein Tod löste einen internen Skandal aus, doch es änderte sich nichts.
Es ist kein Zufall, dass George Tenet, der ehemalige Direktor der CIA, ausgerechnet jetzt eine neue Website mit dem vielsagenden Titel »CIA saved lives« gestartet hat – die CIA hat Leben gerettet. Tenet beharrt darauf, dass damals nichts falsch gelaufen sei. Das Vorgehen der CIA, so schreibt er, sei vom Präsidenten angewiesen, von der NSA überwacht und vom Justizministerium für rechtens befunden worden. Das stimmt, und genau darin liegt das Problem.
Denn auch die Demokraten haben keine weiße Weste. Nancy Pelosi und andere hochrangige Mitglieder des Senats und des Kongresses waren die ganze Zeit über im Bilde. Die derzeitige Entrüstung von Seiten der Demokratischen Partei – an dem Senatsbericht waren nur Demokraten beteiligt – ist heuchlerisch.
Es ist schlimm genug, dass in den Vereinigten Staaten gefoltert wurde – mit der stillschweigenden Unterstützung vieler anderer Länder, beispielsweise Polen, Litauen und Rumänien –, aber noch viel schlimmer ist, dass fast das gesamte politische Establishment sich weigert, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Nicht nur die CIA hat moralisch versagt, sondern das ganze politische System.
Es ist klar geworden, dass die Nachrichtendienste, allen voran die CIA und die NSA, zu monströsen Apperaten angewachsen sind, die die Grundwerte des Landes bedrohen. Wäre es zu viel verlangt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen? Oder nach dem Vorbild Südafrikas zumindest eine Wahrheitskommission ins Leben zu rufen, die zwar Immunität garantiert, aber immerhin ein öffentliches Eingeständnis fordert?
Doch die Vereinigten Staaten schauen weg, und die Folgen sind nicht abzusehen. Beide Parteien haben bereits die nächste Präsidentschaftswahl im Blick und versuchen lediglich, mit ihrem Gehabe die jeweiligen Stammwähler zu bedienen. Ein Trauerspiel.