Der Handel mit Fossilien

Mein Dino, dein Dino

Haben Sie auch schon mal darüber nachgedacht, ein Mammutskelett für Ihre Empfangshalle zu erwerben? Der Fossilienhandel boomt. Das ist nicht nur nachteilig für die Wissenschaft.

Als im November des vergangenen Jahres das britische Auktionshaus Summers Place in Billing­hurst ein fast komplettes Mammutskelett, »Monty« genannt, für 238 000 Euro an einen britischen Privatmann verkaufte, waren das zwar nicht annähernd die 300 Millionen Dollar, die gerade für ein Bild des französischen Südseemalers Paul Gauguin gezahlt worden sein sollen. Aber immerhin: 238 000 Euro sind auch nicht zu verachten und für Mammutskelette, die wesentlich häufiger sind als Dinosaurierskelette, sind sie ein ungewöhnlich hoher Preis. Mammutskelette sind in der Regel um die 10 000 Jahre alt und in den gerade vom Klimawandel aufgeweichten Permafrostböden Sibiriens und Kandas in relativ großer Zahl zu finden.
Dagegen ist das 17 Meter lange Langhalsdinosaurierskelett »Misty«, das Summer Place 2013 für 477 000 Euro an einen Privatmann verkaufte, um die 150 Millionen Jahre alt; solche Skelette sind natürlich wesentlich seltener. 150 Millionen Jahre zu überdauern, ohne von den natürlichen Verwitterungsprozessen aufgelöst zu werden, ist schlicht schwieriger, als 10 000 Jahre im Eis zu erstarren.

»Monty« und »Misty« stehen als Einzelfälle für mehrere allgemeine Tendenzen. Der Fossilienmarkt boomt seit ein paar Jahren ähnlich wie der Kunstmarkt und beide rücken immer näher zusammen. Eine Tatsache, die man auch an den ähnlichen, vermeintlich kritischen Reaktionen auf diese Tendenz ablesen kann. Als im Jahr 2007 die Pariser Dependance des Auktionshauses Chris­tie’s ein vollständiges Mammutskelett und die Überreste anderer Urzeittiere versteigerte, gab es teilweise heftige, aggressive Reaktionen. Weder die Allgemeinheit noch die kompetentesten Mammutforscher würden diese Zeugnisse der Urzeit je zu Gesicht bekommen, hieß es, sondern einfach nur die Meistbietenden. Der Paläontologe Philippe Janvier vom Pariser Museum für Naturgeschichte befand, dass damit künstlich ein Markt für Fossilien geschaffen werde, der diese so teuer mache, dass die wichtigen Stücke für die Wissenschaft unerschwinglich würden.

Wenn man einmal die Frage, ob es überhaupt Märkte gibt, die nicht künstlich sind, beiseite lässt, beruht Janviers Kritik auf ein paar Annahmen, die zumindest fragwürdig sind. Denn die Kontrastierung von Naturkundemuseen und den ihnen angeschlossenen Wissenschaften mit dem sogenannten Markt impliziert Seriosität auf der einen Seite und inkompetente Spekulation auf der anderen. Eine Annahme, die man bei genauer Betrachtung der Bestände der großen Naturkundemuseen in Paris, London und Berlin nicht mehr aufrechterhalten kann. Denn in allen diesen Museen ist der größte Teil der ausgestellten und nicht ausgestellten Objekte in den ehemaligen Kolonialreichen der westlichen Großmächte in Akten eingesammelt worden, die oft mit dem Wort Plünderung ganz gut beschrieben werden können. Und in allen großen Naturkundemuseen der westlichen Welt werden diese Gewaltakte natürlich mitausgestellt, auch wenn nur selten auf sie verwiesen wird.
Der französische Philosoph Jacques Rancière sieht in der Kennzeichnung der großen Museen als ehrenwert, als der Wissenschaft und Kunst um ihrer selbst Willen dienend, eine Geschichtsvergessenheit, die sich um eine klare Sicht auf die Entstehung der modernen Museen drückt. In seinem Hauptwerk »Aisthesis«, auf Deutsch 2013 erschienen, beschreibt Rancière die Bedingungen für die Kunstmuseen in ein paar klaren Sätzen. Als man in Deutschland die Museen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, seien dort aus den königlichen Sammlungen vor allem jene volkstümlichen Szenen sichtbar gemacht worden, die die deutschen Fürsten, die sich fürs Exotische begeisterten, den niederländischen Händlern abgekauft hatten. Und der republikanische Louvre in Paris sei irgendwann vor Fürstenporträts und religiösen Gemälden übergequollen, die von den revolutionären Armeen aus italienischen Palästen oder holländischen Museen geplündert worden seien. Auf ganz ähnliche Weise haben auch die großen Naturkundemuseen ihre Bestände im 19. Jahrhundert zusammengeraubt oder Abenteurern abgekauft, die in den Kolonien Pflanzen und Tiere sammelten und jagten.
Das heißt, die modernen Museen, in ihrer Spaltung in Naturkunde- und Kunstmuseen in der französischen Revolution entstanden und aus den königlich-fürstlichen Wunderkammern hervorgegangen, in denen die Dinge der Kunst und der Natur noch nicht getrennt wurden, waren von Anfang an Teil der Märkte, die mit Kunst- und Naturgegenstände handelten.
Für die sich um die Naturkundemuseen entwickelnde Paläontologie lässt sich die Verbindung von »wildem«, unwissenschaftlichem Markt und wissenschaftlicher Arbeit an einigen Objekten wunderbar zeigen. So entdeckte der deutsche Paläontologe Gustav von Koenigswald 1935 Gigantopithecus, den mit einer Größe von zwei bis 3,65 Metern größten Vertreter in der Abstammungsreihe der Primaten, nicht bei einer Ausgrabung, sondern in der Schublade einer chinesischen Apotheke in Hongkong. Und einer der heute bedeutendsten Funde für die Entwicklungsgeschichte der Hominiden, also der Menschen und ihrer direkten Vorfahren, der Schädel des jungen Australopithecus von Taung, wurde 1924 von einem südafrikanischen Geologen als Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch des damaligen Direktors der Northern-Line-Gesellschaft in Taung in Betschuanaland im heutigen Botswana »entdeckt«.

Auch die moderne Paläontologie ist auf solche Weise immer mit dem verbunden geblieben, was man einmal als Kuriositäten- oder Varietätenhandel bezeichnet hat. Selbst als diese Wissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika langsam in ihre postkoloniale Phase eintrat, blieb sie mit dem Markt verbunden. Denn natürlich konkurrierten auch die Institute verschiedener Museen und Universitäten miteinander. Nicht selten hingen und hängen wissenschaftliche Karrieren mit dem Zugang zu für Ausgrabungen besonders lohnenden Gegenden zusammen, welche die ­Institute und Wissenschaftler dann auch so eifersüchtig verteidigen und vor dem Zugang anderer schützen, wie es konkurrierende Marktsubjekte überall tun.
Zudem ist keinesfalls sicher, dass naturgeschichtlich relevante Objekte in der Hand kompetenter wissenschaftlicher Institutionen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die großen Naturkundemuseen wie auch die universitären Institute lagern den größten Teil ihrer Sammlungen in Depots, die nie an die Öffentlichkeit gelangen und nicht selten auch noch nie von Wissenschaftlern inspiziert worden sind. Ähnliches gilt im Übrigen für die großen öffentlichen Kunstsammlungen. Dass sich in der Zeit knapper werdender öffentlicher Gelder daran etwas ändert, ist nicht zu erwarten.

Kein Wunder also, dass der privat-kommerzielle Fossilienhändler Raimund Albersdörfer 2013 in einem Gespräch mit der Zeit darauf hinwies, dass ein Dinosaurierskelett in Privatbesitz besser sei als ein zerstörtes, nicht ausgegrabenes. Albertsdörfer ist der Finder und Verkäufer des Langhalsdinosaurierskeletts »Misty«. »Misty« war dabei das dritte Skelett seiner Art, das Albertsdörfer verkauft hat, die ersten beiden Exemplare erstanden Museen. Gefunden hat der ausgebildete Geologe und Paläontologe die Skelette auf seiner Ranch in Wyoming. Wobei der Kauf dieser Ranch wiederum kein Zufall war. Als Paläontologe wusste er, in welchen Gebieten sich mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich nach Fossilien suchen lässt. Und nicht nur in den USA lassen Wissenschaftler viele dieser potentiell bedeutenden Fundstätten brachliegen. Auch hierzulande ist das nicht anders. Es fehlt den Wissenschaften für eine sachgerechte Erschließung einfach das Geld, Archäologie und Paläontologie gehören nicht zu jenen Forschungsgebieten, von denen sich die ökonomisierten Universitäten eine schnelle Rendite versprechen.
Kommerzielle Paläontologen wie Albersdörfer füllen eine Lücke, die der schrumpfende öffentliche Raum hinterlässt. Albersdörfer benennt in dem Interview aber nicht nur seine Methoden, sondern auch die Wünsche seiner Kunden. Es seien weniger die wissenschaftlich relevanten seltenen Stücke als die dekorativen, die gekauft würden. Wunderschöne versteinerte Fische oder fos­sile Seelilien aus Süddeutschland als Wanddekoration bildeten einen großen Markt, von dem er mit seiner Firma profitiere.
Da ist es nur noch ein kleiner Schritt,die Sammlungen von Oligarchen, Scheichs oder anderen reichen Leuten als Wiederkehr der alten fürstlichen Wunderkammern zu betrachten, in denen die Sachen der Natur neben den Sachen der Kunst stehen wie vor der französischen Revolution. Geschichte wiederholt sich eben doch. Ob das allerdings gleich als Farce geschehen muss, ist in diesem Fall noch nicht ausgemacht. Denn das Eindringen der Dinge der Natur in die Welt der Kunst muss die Wahrnehmung der Welt nicht unbedingt ärmer oder armseliger machen. Nur müsste man die Wunderkammern natürlich auch wieder öffnen, in einem nächsten Schritt, der dann nicht unbedingt eine Wiederholung sein muss.