Das neue Islamgesetz in Österreich

Emotion statt Ratio

Ein neues Islamgesetz sorgt in Österreich für eine mit Agitprop veredelte Debatte.

Die Neufassung des Islamgesetzes in Österreich brachte Zustimmung und Kritik, sowohl von Muslimen als auch von Nichtmuslimen. Unbestritten ist, dass das alte Islamgesetz von 1912 in einigen Aspekten dringend reformbedürftig war. Das Resultat dieser Reform bleibt aber umstritten.
Die auch nach geringfügigen Überarbeitungen immer noch zu findende sicherheitspolitische Sprache und die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften, etwa in Hinblick auf die Auslandsfinanzierung, bleiben problematisch und werden von vielen Muslimen als Benachteiligung gesehen. Die von mehreren Verbänden angekündigten Klagen werden wohl in absehbarer Zeit dazu führen, dass sich der Verfassungsgerichtshof mit dem Gesetz auseinandersetzen muss.
Proteste von Muslimen waren zu erwarten. Zugleich hat aber die extrem emotionalisierte und emotionalisierende Debatte über das Gesetz eine rationale Erörterung kritischer Punkte nicht erleichtert. In jener Tageszeitung, die sich nennt wie dieses Land, wurde behauptet, dass das Gesetz die »Terrorfinanzierung« verbiete, geradeso, als wäre Terrorfinanzierung bisher erlaubt gewesen. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz präsentierte das Gesetz als Auftakt für einen »Islam österreichischer Prägung«. Der Verein »Muslimische Jugend Österreichs« (MJÖ), der über mehrere Jahre Mitglied beim der Muslimbruderschaft nahestehenden Forum of European Muslim Youth and Student Organisation war und eine medial sehr präsente Kampagne gegen das Gesetz fuhr, behauptete monatelang, dass damit Muslime zu »Bürgern zweiter Klasse« gemacht werden. In Propagandavideos wird ein Szenario an die Wand gemalt, in dem österreichische Po­lizisten jegliche religiöse Aktivität von Muslimen verfolgen. Der Leiter des Türkischen Amts für Religion Diyanet, Mehmet Görmez, verstieg sich zu der Behauptung, das Gesetz gefährde die Einheit der Muslime und ihre Existenz in Österreich.
Und das Ganze wird auch für innerislamische Abrechnungen genutzt. Führende Mitglieder der MJÖ posten seit Tagen Gehässigkeiten über den in Sachen Islamgesetz sehr unglücklich agierenden Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Fuat Sanaç. Dieser hingegen versucht, das Islamgesetz zu nutzen, um die für dieses Jahr vorgesehene Wahl der IGGiÖ-Führung zu verschieben und damit seine Amtszeit auszudehnen. So verständlich eine Emotionalisierung des Themas als Teil einer politischen Mobilisierungsstrategie ist, so sehr trägt diese selbst zur befürchteten Radikalisierung junger Muslime bei.
Das Gesetz hat problematische Aspekte, bringt aber auch Verbesserungen, etwa mit der Etablierung einer islamischen theologischen Fakultät an den Universitäten. Auch die islamischen Reaktionen darauf waren keineswegs einheitlich. Bisher weniger arrivierte muslimische Gruppen wie die Islamisch-Alevitische Glaubensgemeinschaft und die Islamische Schiitische Glaubensgemeinschaft äußerten sich positiv über das Gesetz.
Ein allgemeines Religionsgesetz, das für alle anerkannten Religionsgemeinschaften gegolten hätte, wäre sicher eine zeitgemäßere Alternative gewesen als ein neues Islamgesetz. Davon kann man in Österreich allerdings angesichts des großen Einflusses der Kirchen wohl nur träumen.