Gegen Staat, Nation und Kapital: Auf nach Frankfurt!

Den Mittelfinger zeigen

Blockupy protestiert in Frankfurt gegen die EU-Austeritätspolitik, gegen Deutschland, Staat, Nation und Kapital. Der Protest dient auch einer linken europäischen Vernetzung. Also auf nach Frankfurt!

»Nun sag, wie hast du’s mit Syriza?« Das Verhältnis zur neuen griechischen Regierung scheint zur Gretchenfrage für die deutsche Linke zu werden: Während die kritische Kritikerin die Integration in das Herrschaftsprojekt des europäischen Kapitalismus schon vorgezeichnet sieht, welche die Koalition mit der nationalkonservativen Partei Anel sowie die Kompromisse mit »den Institutionen« formerly known as Troika nur noch bestätigen, jubelt der Bewegungslinke über jede Gegenmacht zu einer inhumanen Ökonomie, und sei es ein halbstarker Staat. Dass Staat und Ökonomie keine voneinander getrennten Sphären, gar Gegensätze sind, ist offenbar nicht mal mehr eine Binsenweisheit. Genauso lahm ist es aber, sich auf dem Ticket des Reformismusvorwurfes aus der Affäre zu ziehen.

Mit der neuen griechischen Regierunghat beides wenig zu tun. Klar, ein wenig Punk hat der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis nach Brüssel gebracht. Angesichts der technokratisch-neoliberalen Vorhölle, in der wir leben, heißt das nicht viel. Die neue griechische Regierung ist nicht der Messias, sondern ein sozialdemokratisches Projekt für soziale Mindeststandards. Dass die Linderung der größten Not und das Programm einer linkskeynesianischen Sozialdemokratie mittlerweile spektakulär wirken, ist nicht der Radikalität der griechischen Regierung geschuldet, sondern der Schwäche linker Politik: Solidarität kann hier nur heißen, die Frage »Wie hast du’s mit Syriza« zurückzuweisen. Statt die Partei mit überspannten Erwartungen zu überfordern, gilt es, an den geringen Spielraum parlamentarischer Politik zu erinnern. Und unsere eigenen Dinger zu drehen.
Eines davon hat mittlerweile viele Namen: Blockupy, NoEZB, Destroika, M18. Sie zeigen, dass sich ein ziemlich breites Spektrum unterschiedlicher linker Kräfte dazu durchgerungen hat, bei der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Zwischenstopp einzulegen. Es geht dabei nicht gegen irgendeine Geschäftsbank, sondern gegen einen Akteur und ein Symbol der deutsch-europäischen Austeritätspolitik, gegen die in Glas, Beton und Gesetz gegossene nationalstaatliche Konkurrenzordnung. Dass diese Tatsache in den von den verheerenden Auswirkungen dieser Ordnung besonders krass betroffenen Ländern unmittelbar einsichtig ist, weswegen die Störung der EZB-Eröffnung tatsächlich zu einem gesamteuropäischen Protest werden könnte, verwundert erstens wenig und macht sie zweitens nicht falsch.
Das ist auch der Punkt, an dem sich die Kampagne M18 und der Wahlsieg in Griechenland (wenn auch nicht notwendig die neue griechische Regierung) erneut treffen: Beide zeigen gerade in ihrer Beschränktheit auf, dass eine Politik der Freiheit gegen die Systemzwänge erkämpft werden muss. Nach Frankfurt sollte man also nicht fahren, um den Wahlerfolg der griechischen Syriza zu feiern, genauso wenig, wie man es sein lässt, um sie für die Koalition mit Anel zu bestrafen. Den Griechinnen und Griechen Manieren beibringen, dazu braucht der deutsche Selfie-Mob keine Linksradikalen. Nach Frankfurt sollte man fahren, weil EU, Deutschland und Austerität, Staat, Nation und Kapital so oder so scheiße sind. Die moralische Erpressung, sich als Linke auf irgendeine Seite schlagen zu müssen, zieht nicht. Wenn das Mantra neoliberaler Politik zurückzuweisen ist, dann erst Recht die Kritik um ihrer selbst willen und der linke Bekenntniszwang, in welche Sprache er sich auch kleidet.

Klar, auch wenn es trotz des zu erwartenden Polizeiaufgebots zur Störung der Eröffnungsfeierlichkeiten der EZB kommt, bleibt das Symbolpolitik. Auch das hat mit der Schwierigkeit zu tun, die Ordnung in einem Land durcheinanderzubringen, in dem sich viele selbst auf dem Weg zum nächsten Minijob noch verzweifelt daran klammern, Krisengewinnler zu sein. Jedes Frühjahr aufs Neue in den Bus (beziehungsweise Zug) nach Frankfurt zu steigen, hat natürlich ebenfalls etwas Gezwungenes. Elegant geht anders. Wer allerdings versucht, soziale Kämpfe, zumal in Deutschland, gegen Event-Politik auszuspielen – wie es in der Kritik an M18 oft getan wird – tut den sozialen Kämpfen angesichts der herrschenden Verhältnisse keinen Gefallen. Als Platzhalter für eine fehlende revolutionäre Perspektive werden sie bis auf weiteres scheitern. Das spricht überhaupt nicht gegen sie, aber gegen ihre sozialromantischen Apologetinnen und Apologeten.
Den falschen Gegensatz aufgelöst haben die, im Vergleich zur hiesigen Parteihysterie, wesentlich abgeklärteren griechischen und italienischen Genossinnen und Genossen ohnehin schon länger. Auch das ist etwas, was es bei Blockupy zu lernen gibt. Diese Kritik juckt uns also wenig. Zumal auch Symbolpolitik ihr handfestes Korrelat hat. Rund um die Proteste gegen die EZB herum ist der seit langem erste Versuch erfolgt, einen kontinuierlichen Austausch linksradikaler Kräfte über Landesgrenzen hinweg zu organisieren. Diese Vernetzung ist mittlerweile immerhin in der Lage, gemeinsam an der herrschenden Krisengewinnlererzählung auch hier zu rütteln – beispielsweise am 18 . März in Frankfurt.
Und damit unterstützt man nicht zuletzt die antiautoritären Genossinnen und Genossen in Griechenland dabei, in den Straßen den Druck auf die neue griechische Regierung aufrecht zu halten. Das ist nicht so viel. Aber richtig. Wer nach Frankfurt fährt, zeigt der sozialchauvinistischen deutschen Lesart der Europäischen Finanzkrise den Mittelfinger. Wer lieber von der Couch aus zusehen mag, ist natürlich auch dazu herzlich eingeladen. Eleganter ist das nicht.