Die Kleinstädter

Um die im Folgenden geschilderten Ereignisse auch nur ansatzweise zu verstehen, ist es sehr hilfreich, sich Twitter wie drei, einander nicht ausstehen könnende Kleinstadt-Kaninchenzüchtervereine mit ausgeprägtem Hang zum Verfassen äußerst empörter Leserbriefe vorzustellen.
Und nun zu den Fakten: Kürzlich erschien in einer Zeitung ein Beitrag zum Thema Feminismus, geschrieben von einer Nachwuchsautorin, die eben diesen Feminismus nicht mag. Dieser Artikel erfreute, wenig verwunderlich, Feministinnen nicht. Auf Twitter kam es daher zwischen Fans und Nichtfans des Textes zu ausgedehnten Diskussionen, was, zugegeben, ein Euphemismus für gegenseitige Beleidigungen und Vorwürfe ist. Im Verlauf dieser Twittereien führten dann schließlich alle Seiten alles auf, was sich gegen die jeweils Andersmeinenden auch nur leidlich benutzen ließ, was schließlich darin gipfelte, sich gegenseitig vorzuwerfen, von wem man alles wohlwollend zitiert wurde. Und so hätte die Sache eigentlich den Verlauf nehmen können, den derartige Twitter-Kriege immer nehmen: Nach viel Aufregung sind rund 50 Menschen für alle Zeiten miteinander verkracht und blocken einander demonstrativ, was in der Praxis bedeutet, dass sie nur noch heimlich mit ihren Zweitaccounts nachgucken, was die jeweils verhasste Person so alles twittert, um dann umgehend spitze Bemerkungen darüber zu machen.
Diesmal allerdings ging man einen Schritt weiter und forderte öffentlich von den jeweiligen Arbeitgebern umgehende Entlassungen von Twitterern, die anderer Meinung waren, und schließlich landete das Thema sogar im einen oder anderen Feuilleton. Das Sommerloch, so hat es den Anschein, hat sich in diesem Jahr trotz des ganz und gar nicht dazu passenden Wetters ganz besonders früh aufgetan. Jedenfalls in dieser Kleinstadt namens Twitter.