Im EU-Parlament formiert sich eine neue rechte Fraktion

Mit dem Euro gegen Europa

Im Europaparlament formieren sich neue rechtsextreme Bündnisse, auch weil sie davon finanziell profitieren.

Große Zufriedenheit strahlte Marine Le Pen bei der Pressekonferenz aus. Mit breitem Lächeln blickte die Vorsitzende des französischen Front National (FN) in die Kameras. Hoch erfreut schaute auch der Vorsitzende der niederländischen »Partei für die Freiheit« (PVV), Geert Wilders, von der Bühne den Journalisten entgegen. Der Grund für ihre Freude: Am Dienstag voriger Woche konnten sie in Brüssel ihre Faktion »Europa der Nationen und der Freiheit« präsentieren. Im Europaparlament erklärte Le Pen am 16. Juni sogleich: »Die Gründung ist eine gute Nachricht für unsere Parteien, doch auch für unsere Länder, unsere Völker, für die Freiheit.« Wilders sagte: »Hier und heute beginnt die Befreiung, dieses ist ein historischer Tag, ein historischer Augenblick.«

In der neuen Fraktion des Europaparlaments haben sich 36 bekennende Feinde der Europäischen Union (EU) aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Italien, Belgien, Polen und Großbritannien vereint. Der neue Status als Fraktion bringt sofort mehr Redezeit und mehr Rechte im Parlament sowie drei Millionen Euro pro Jahr und rund 30 Mitarbeiter. Bis zum Ende der Legislaturperiode kann die von Le Pen angeführte Fraktion mit 17,5 Millionen Euro rechnen. Mit dem Geld der EU gegen die EU – für die Fraktion kein Widerspruch. »Wir sind die Stimme des Widerstands«, sagte Wilders.
In Brüssel reagierte Paul Nemitz (SPD), der Direktor der Generaldirektion Grundrechte und Unionsbürgerschaft der Europäischen Kommission, auf die Gründung bemüht gelassen. »Diese Fraktion kann die Arbeit des Parlaments nicht beeinflussen«, sagte er. Die Verantwortung für die Abgeordneten mit »extrem populistischen Positionen« läge in den Ländern, wo sie Wahlzuspruch erzielten, sagte Nemitz im Hanse-Office, der gemeinsamen Vertretung von Hamburg und Schleswig Holstein bei der EU. Nicht ganz so gelassen zeigte sich ebendort der Hamburger EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht (Grüne). »Mit der Fraktion hat Marine Le Pen die Störkraft im Parlament erhöht«, sagte er. Die neuen Möglichkeiten, in den parlamentarischen Ablauf einzugreifen, werde die rechtsextreme Fraktion nicht ungenutzt lassen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode des Europaparlaments habe er beobachtet, dass das Agieren der Rechtsextremen und Rechts-populisten die Diskussionen über Einwanderungs-, Flüchtlings- und Asylpolitik beeinflusste. Albrecht befürchtet, dass ein stärkeres parlamentarisches Auftreten erneut auch nicht zur Fraktion zählende EU-Abgeordnete darin bestärken könnte, rechte Ressentiments bei der Gleichberechtigungs- und Genderpolitik aufzugreifen.
Gabi Zimmer von der Linkspartei warnt davor ebenfalls: »Besonders die konservative EVP muss unter Beweis stellen, mit wem sie in Zukunft Politik machen will.« Bei der Einwanderungspolitik sei die Europäische Volkspartei, zu der auch CDU und CSU gehören, in letzter Zeit nach rechts gerückt. Allzu oft spielten viele Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten selbst die nationale Karte und brächten so immer mehr Menschen in und zwischen den Mitgliedsländern gegeneinander auf, sagt Zimmer, die seit 2012 Vorsitzende der Fraktion Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke ist.
Die Fraktion um Le Pen und Wilders befeuerte denn auch gleich bei der Pressekonferenz die Debatte um Flüchtlinge, die nach Europa kommen. »Eine Katastrophe droht«, sagte Wilders, und dabei ging es ihm nicht um die Menschen, die derzeit vor Krieg, Not und Verfolgung auf der Flucht sind. Wilders warnte vor einer »Masseneinwanderung« und einer »Islamisierung Europas« und forderte, dagegen vorzugehen. Wer illegal komme, dürfe nicht damit rechnen, kostenlos in Krankenhäusern versorgt zu werden oder seine Kinder in die Schule schicken zu können, befand Le Pen. Sie bevorzuge den »australischen Weg«, der Flüchtlingen signalisiere, dass »Nichtkommen das Beste« sei.

Bereits vor einem Jahr hatten Le Pen und Wilders versucht, eine Fraktion zu bilden. Die dazu nötigen 25 Abgeordneten konnten sie angesichts der Wahlerfolge der extremen Rechten bei der Europawahl 2014 leicht aufbieten, allerdings scheiterten sie damals an der Anforderung, dass die Mandatsträger aus mindestens sieben unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der EU kommen müssen. Nun ist es Le Pen gelungen, eine Abgeordnete aus Großbritannien und zwei Abgeordnete aus Polen für die Zusammenarbeit zu gewinnen: Die Britin Janice Atkinson, die im März aus der EU-feindlichen UK Independence Party (UKIP) ausgeschlossen wurde, sowie die Abgeordneten des polnischen Kongresses der Neuen Rechten (KNP) Michal Marusik und Stanislaw Zoltek. Abgesehen vom FN und der PVV werden die weiteren Fraktionsmitglieder von der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ), der italienischen Lega Nord und dem belgischen Vlaams Belang gestellt. Ein gemeinsames Grundsatzprogramm, das mehr als die Ablehnung der EU, eine Kritik an »Masseneinwanderung« und der pluralen Gesellschaft sowie eine Warnung vor der »Islamisierung Europas« enthält, präsentierten Le Pen und Wilders jedoch nicht. »Pardon, wir haben uns gerade erst gegründet«, entgegnete die neue Fraktionsvorsitzende auf Nachfragen von Journalisten.
»Nein, da war ich gar nicht enttäuscht«, antwortete Udo Voigt auf die Frage, wie es sich anfühle, nicht zur neuen Fraktion gehören zu dürfen. Im zweiten Stock des Parlamentsgebäudes ASP hat der ehemalige langjährige Bundesvorsitzende der NPD, der als ihr einziger Abgeordneter im Europaparlament sitzt, sein Büro. Einen Tag nach der Gründung der rechtsextremen Fraktion sagt er: »Ich habe das schon vorher gemerkt, an der Eiseskälte, die mir von ihrer Person entgegengebracht wurde.« Le Pen, so Voigt weiter, habe jedoch nicht den »richtigen Ansatz« gewählt: »Wenn man sich nicht auf ein weltanschauliches ideologisches Minimum in einer Fraktion einigt und nur eine technische Fraktion macht, dann ist diese nicht von besonderer Dauer.« Er selbst habe mit seiner fünfköpfigen »Mannschaft«, der »Allianz für Frieden und Freiheit« (APF), angestoßen.

Kurz vor Weihnachten fand auf Einladung der rechtsextremen italienischen Partei Forza Nuova ein Treffen der Initiatoren der APF in Mailand statt. Am 4. Februar folgte die Gründung. Als Vorsitzenden wählte die APF Roberto Fiore von der Forza Nuova, zum Generalsekretär wurde Jens Pühse, »Auslandsbeauftragter« der NPD, gekürt. In der APF sind zudem Mandatsträger der »Nation« aus Belgien, der dänischen Danskernes Parti, der griechischen Chrysi Avgi, der Democracia Nacional aus Spanien und der schwedischen Svenskarnas Parti. Nick Griffin, der ehemalige Vorsitzende der British National Party, schloss sich der APF ebenso an wie Olivier Wyssa, ein ehemaliges Mitglied des FN.
Die Allianz versuche auf einer geistig-ideologischen Grundlage etwas aufzubauen, sagt Voigt. »Das ist haltbarer.« Die früheren Konflikte, wie jene über Grenzverläufe nach dem Zweiten Weltkrieg, seien mittlerweile unbedeutend. »Das Thema Grenzen ist heute nicht unser wichtigstes Problem«, sagt Voigt. »Wenn wir das Problem der Überfremdung nicht lösen, dann brauchen wir auch nicht das Problem der Grenzen lösen, dann wird das alles kein Thema mehr sein.« Voigt kündigte an, dass die APF bald als Europapartei angemeldet werden solle – auch um EU-Mittel zu beziehen.