Kein Problem der anderen

Die »Topographie des Terrors« war ein geschichtsträchtiger Ort für eine Konferenz zum Thema »Antisemitismus heute«. Auf dem ehemaligen Gelände der Zentralen von Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in Berlin fand vorige Woche die erste Veranstaltung des »Netzwerks zur Erforschung und Bekämpfung des Antisemitismus« (NEBA) statt. Vor 200 Gästen forderte der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel, dass die »Macht der Erinnerung« und die ­Bekämpfung von Antisemitismus die Antriebe der Forschung zum Thema bleiben müssten. Zentrale Forderung der Veranstalter war die systematische Berücksichtigung der jüdischen Perspektive bei der Erforschung, Erfassung und Bekämpfung des Antisemitismus. Dies sei nur vermeintlich selbstverständlich: So sorgte die Bekanntgabe der Bildung des zweiten unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, der Empfehlungen für die Bundesregierung erarbeiten soll, im Frühjahr für einen Skandal, da zunächst niemand mit einem jüdischen Hintergrund für dieses Gremium vorgesehen war. Die Gründung von NEBA durch das Berliner Büro des American Jewish Comitte, die Amadeu-Antonio-Stiftung und das Moses-Mendelssohn-Zentrum Potsdam (MMZ) ist ein Zeichen des Protests gegen diese Entwicklung. Auf der Konferenz betonten viele Referenten, dass der Antisemitismus 2014 durch verbale und körperliche Übergriffe in der Öffentlichkeit bis hin zu Anschlägen auf Synagogen in Deutschland eine neue Qualität erreicht habe. Einigkeit bestand darin, dass die Konstruktion eines »Antisemitismus der anderen« – politische Randgruppen, Ausländer und Muslime – in die Irre führe, da es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handele. Kritisiert wurde auch der wissenschaftliche Mainstream, dort fehle oft ein Bewusstsein für die Spezifik antisemitischer Feindbilder. »Es ist an der Zeit, die Antisemitismusforschung auf Sinnhaftigkeit und Defizite zu überprüfen«, so Julius H. Schoeps vom MMZ.