Der große Kandidatencheck der Jungle World

Der Kandidatencheck

Überraschend treten in der Frühphase des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs Außenseiter unter den Bewerbern hervor. Die Amerikaner lieben Außenseiter, aber so ein Wahlkampf kostet Geld. Sehr viel Geld, das gespendet werden muss. Vor der eigentlichen Wahl muss die Vorwahl gewonnen werden, da entscheiden die Fans. Als Kandidat muss man dann aber alle anderen davon überzeugen, dass man sie auch lieb hat und etwas für sie tun will. Und man braucht noch mehr Geld. Sehr viel mehr Geld. Kein leichter Job also. Wer wird ihn bewältigen? Eine Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten mit guten Chancen haben wir für Sie in unserem exklusiven Jungle World-Kandidatencheck zusammengestellt.

Hillary Clinton (67):
Die Kronprinzessin

»If I want to knock a story off the front page, I just change my hairstyle.«

Die amerikanischen Politikerfamilien und ihr dynastisches Denken sind nicht sehr populär, aber erfolgreich. Zudem denken die meisten Amerikaner gerne an Bills Regierungszeit zurück, als ein blow job noch das schlimmste Problem des Landes zu sein schien. Hillary war damals streng zu ihm, blieb ihm aber treu. Eine liberale Christin – sie stammt aus einer Methodistenfamilie –, die zu den family values steht. Ihr Image ist gefestigt, jeder kennt sie und der Ruf als ­eiserne First Lady eilt ihr voraus: cold as ice, aber energisch und effizient. Politisch liegt sie nun auf der Linie Obamas. Sollte die E-Mail-Affäre nicht alles vermasseln, hat sie gute Chancen, die erste Präsidentin der USA zu werden.

Vermögen: 21,5 Millionen Dollar
Twitter - Follower: 4,32 Millionen
Nähe zu Gott: ✝ ✝ ✝ ✝
NRA-Mitgliedschaft*: nein
Größter Vorteil: Der Name Clinton steht für Glück und Geld
Größtes Handicap: Frauen und Technik

Bernie Sanders (74):
Der Sozi

»Let us wage a moral and political war against war itself, so that we can cut military spending and use that money for human needs.«

Die Linken – das war lange Zeit nur »das andere Amerika«. Dann kam der Sommer 2015 und mit ihm der Überraschungskandidat Bernie Sanders. Nun liegt Sanders in wichtigen Umfragen mit der früheren First Lady gleichauf. Hat Amerika womöglich seine Angst vor dem Sozialstaat verloren? Reiche Spender fehlen ihm, aber die Menschen strömen zu seinen Wahlkampfauftritten wie zu Rockkonzerten. In Portland kamen kürzlich 28 000, um ihn zu sehen, in Seattle 15 000, in Phoenix 11 000, in Los Angeles 27 000. Gegen guns hat er, ungewöhnlich für einen Linken, nichts einzuwenden, sein Verhältnis zu God ist aber distanziert, auch wenn er bekundet, er sei »stolz, jüdisch zu sein«.

Privatvermögen: 500 000 Dollar
Twitter - Follower: 588 000
Nähe zu Gott: 0
NRA-Mitgliedschaft: ja
Größter Vorteil: Kumpeltyp, von dem man auch einen Gebrauchtwagen kaufen würde
Größtes Handicap: Auch Antisemiten gehen wählen

Martin O’Malley (52):
Der Sunnyboy
»If you give voters a choice between a Democrat who promises to do nothing and a Republican who promises to do nothing, they’re generally going to side with the Republican, because they’re better at that than we are.«

Der ehemalige Bürgermeister von Baltimore hat einen unübersehbaren »The Wire«-Faktor. Der irisch klingende Nachname und sein verschmitztes Lächeln machen den Juristen aus Maryland sympathisch. Viel mehr street credibility hat er allerdings nicht zu bieten, auch seine Anziehungskraft für reiche Spender ist dürftig. Als liberaler Katholik ist er ein Fan von Papst Franziskus, befürwortet aber die gleichgeschlechtliche Ehe. In seiner Freizeit treibt er gerne Sport. Der »Rock ’n’ Roll Governor« spielt Gitarre in einer Band. Aber wer hört heutzutage noch Celtic Rock?

Privatvermögen: 250 000 Dollar
Twitter - Follower: 84 000
Nähe zu Gott: ✝ ✝ ✝ ✝ ✝
NRA-Mitgliedschaft: nein
Größter Vorteil: sein Sixpack
Größtes Handicap: sein Gitarrenspiel

Donald Trump (69):
Der Macker

»When Mexico sends its people, they’re not sending their best. They’re sending people that have lots of problems and they’re bringing those problems with us. They’re bringing drugs, they’re bringing crime, they’re rapists. And some, I assume, are good people.«

Der Immobilienunternehmer aus New York will Präsident werden und glaubt, der Wahlkampf sei ein Wettbewerb in schlechtem Benehmen – dafür lieben ihn seine Fans. Der amerikanische Berlusconi wettert gegen Drogen, Abtreibung und Immigration. Er hat die Absicht, eine die gesamte Grenze zu Mexiko absperrende Mauer zu bauen. Trump ist zweimal geschieden, er bezeichnet sich als Protestant und seine Religion als die wunderbarste. In den meisten Umfragen unter Anhängern der Republikaner liegt er bislang vor seinen Konkurenten.

Privatvermögen: vier Milliarden (Forbes) bis zehn Milliarden Dollar (Trump)
Twitter - Follower: 4,28 Millionen
Nähe zu Gott: ✝ ✝ ✝ ✝
NRA-Mitgliedschaft: ja
Größter Vorteil: Bunga-Bunga
Größtes Handicap: Würden Sie diesem Mann einen Atomkoffer anvertrauen?

Jeb Bush (62):
Der Sohnemann

»It’s a complex relationship when your dad happened to be president and you are president and then you have all the amateur psychology that goes on when people try to speculate about motivations.«

Kein Blödmann, kein Hardliner, kein Großmaul – und doch ein echter Bush. Der vom Protestantismus konvertierte Katholik meint es ernst mit christlichen Werten. Dass er die meisten illegalen Einwanderer nicht abschieben will und Spanisch spricht, irritiert viele Republikaner. Jeb Bush vertritt einen eher zurückhaltenden Politikstil, überdies fehlt ihm alles, was einen guten Entertainer ausmacht. Das ist bei republikanischen Vorwahlen ein großer Nachteil. Zudem gilt er als Mann des Establishments und der Name Bush steht für Krieg und Krise.

Privatvermögen: 20 Millionen Dollar
Twitter - Follower: 318 000
Nähe zu Gott: ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ 
NRA-Mitgliedschaft: ja
Größter Vorteil: seine Familie
Größtes Handicap: seine Familie

Ben Carson (64):
Der Neuling

»God has opened many doors of opportunity throughout my lifetime, but I believe the greatest of those doors was allowing me to be born in the United States of America.«

Er ist ein Symbol des American Dream und ein lupenreiner Patriot, der mit seinen erzkonservativen Statements Stimmen gewinnt. Als Neuling im Politbuisness ist er bei vielen Republikanern beliebt, doch muss er Verbindungen zum Establishment nun schnell aufbauen. Der ehemalige Neurochirurg aus Detroit erklärt politische Korrektheit zu einem Grundübel der Gesellschaft. Als Kandidat der Tea Party, verwundert sein christlicher Fundamentalismus kaum. Dem Bildungsstandort USA könnte es allerdings unzuträglich sein, wenn der Präsident die Evolution anzweifelt.

Privatvermögen: zehn Millionen Dollar
Twitter - Follower: 675 000
Nähe zu Gott: ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ ✝ 
NRA-Mitgliedschaft: nein
Größter Vorteil: Er ist reaktionär und seriös
Größtes Handicap: Weiße Republikaner haben nichts gegen Schwarze, aber...