Rechte Angriffe in Brandenburg und Sachsen

Tägliche Bedrohung

In Brandenburg und Sachsen werden Linke und andere Unterstützer von Flüchtligen immer öfter von militanten Rassisten und Neonazis attackiert. Laufend kommt es zu gewalttätigen Übergriffen.

»Refugees not welcome« – überall in der brandenburgischen Gemeinde Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) sind Aufkleber mit diesem Schriftzug zu sehen. In Briefkästen wurden Zettel mit derselben Botschaft geworfen. Manchmal finden Unterstützer der im Ort wohnenden Flüchtlinge sogar Fäkalien in Postkasten. Die Stimmung in dem Ort, der zu DDR-Zeiten Marxwalde hieß, ist eindeutig: In dem ehemaligen »Sozialistischen Musterdorf« sind Flüchtlinge nicht willkommen. Nach einer Reihe ähnlicher Vorfälle brannten Mitte September zwei Autos, die Mitgliedern des örtlichen Willkommenskreises für Flüchtlinge gehörten. Die Flüchtlingshelfer machten deutlich, dass sie sich von dem Brandanschlag auf ihre Fahrzeuge nicht einschüchtern lassen. »Wir werden weitermachen«, sagte der Leiter des Willkommenskreises, Horst Nachtsheim, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Zum Glück sei niemand verletzt worden. Zwei volle Gasflaschen, die sich in einem der Fahrzeuge befanden, seien nicht explodiert, so Nachtsheim. Die Autos hatten nur fünf Meter vom Wohnhaus entfernt auf dem Grundstück der Familie gestanden. Gegenüber sind rund 260 Flüchtlinge in einem Plattenbau untergebracht.

Die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) fordert, die, »die sich für geflüchtete Menschen engagieren, nicht alleine stehen« zu lassen. Sie sollten »die volle Unterstützung der Brandenburger« bekommen. Laut Polizeiangaben liegt der Sachschaden, den der Brandanschlag anrichtete, bei mehr als 30 000 Euro. Trotzdem steht für Nachtsheim fest: »Es ist besser, dass der Brandsatz auf unseren Bus geflogen ist als in eine Wohnung im Asylbewerberheim, wo Menschen hätten zu Schaden kommen können.« Im Ort gibt es seit längerem eine aktive rechtsextreme Szene. Im Mai wurde eine Gruppe somalischer Flüchtlinge auf dem Heimweg von einem Fußballturnier aus einem Trabant heraus beschimpft. Die Insassen drohten, die Afrikaner in ihrer Unterkunft aufzusuchen und zu »klatschen«. Bereit s während des Fußballturniers wurden wiederholt rassistische Beleidigungen aus dem Zuschauerblock gerufen, einige Spieler mit Bananen beworfen. »Um deutlich zu machen, dass rechter Terror keinen Millimeter Platz hat in unserem Land«, so Baerbock, gelte es, »die möglichen Täter mit allen Mitteln des Rechtsstaats« zu verfolgen.
Allein das Parteibüro von »Die Linke« in Nauen (Landkreis Havelland) wurde in diesem Jahr bereits fünf Mal aus politischen Gründen angegriffen. 2014 waren es insgesamt lediglich vier Attacken im gesamten Land Brandenburg. Die Polizei konnte nach zwei Anschlägen mit Farbschmierereien im Sommer zwei Täter im Alter von 26 und 29 Jahren fassen. Dabei stellte sich heraus, dass die beiden Männer auch für einen Angriff auf das Büro im März verantwortlich waren. Damals hatten sie versucht, mit 29 Hammerschlägen die gesicherten Fenster und Türen aufzubrechen.
Der harte Kern der ostdeutschen Neonaziszene besteht aus Wiederholungstätern. Das zeigt auch ein Beispiel aus Zossen (Teltow-Fläming). Ein Tatverdächtiger des Brandanschlags auf ein geplantes Flüchtlingsheim in der Stadt soll auch an dem Neonazi-Angriff auf eine DGB-Maikundgebung im thüringischen Weimar beteiligt gewesen sein. An diesem Tag griffen 40 Rechtsextreme aus Sachsen und Brandenburg die Kundgebung der Gewerkschafter an, verletzten mehrere Menschen, rissen das Mikrophon an sich und skandierten rechte Parolen. An der Attacke waren nach bisherigen Erkenntnissen insgesamt 17 Brandenburger beteiligt. Der Landesregierung liegen zu elf der an der Tat beteiligten Personen Informationen vor, wonach sie der NPD beziehungsweise deren Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« angehören oder diese zumindest unterstützen, teilweise in »verantwortlicher Position«.

Im benachbarten Freistaat Sachsen verübten Unbekannte Ende Juli einen Anschlagauf das Auto des Kommunalpolitikers Michael Richter (Linkspartei) aus Freital. Die Täter hatten zunächst eine Scheibe eingeschlagen und dann einen Feuerwerkskörper in das Innere des Fahrzeugs geworfen. Der Polizei zufolge handelte es sich dabei »um ein pyrotechnisches Erzeugnis, das in Deutschland nicht zugelassen ist«. Ende September zerstörte eine Explosion die Fensterscheibe des Bürgerbüros der Landtagsabgeordneten Uta-Verena Meiwald (Linkspartei) in der sächsischen Kleinstadt. Wenige Stunden zuvor, ganz in der Nähe des Tatorts, wurde mit einem Sprengsatz die Fensterscheibe einer Wohnung zerstört, in der Flüchtlinge aus Eritrea untergebracht waren. Die Polizei geht in beiden Fällen von einem rechten Tatmotiv aus.
Unterstützer von Geflüchteten geraten immer wieder in das Visier sogenannter »Asylkritiker«. So ist die Zahl der Anschläge auf Büros der Linkspartei bereits im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Nach Angaben der Bundestagsfraktion der Partei wurden 2014 mindestens 50 Mal Häuserwände mit rechten Parolen beschmiert, Fenster eingeworfen oder Reifen der Autos von Abgeordneten zerstochen. Im Jahr zuvor wurden nur 28 solcher Fälle gezählt. »Bei uns gehen derzeit fast täglich Scheiben zu Bruch, werden Mitglieder bedroht und auch attackiert«, heißt es in einem Facebook-Posting des Landesverbandes Sachsen der Linkspartei. Ende August zerstörten Unbekannte die Fensterscheibe des Büros des Linkspartei-Landtagsabgeordneten Sebastian Scheel in Riesa. Besonders oft traf es Scheels Parteifreundin Caren Lay. Die beiden Wahlkreisbüros der sächsischen Bundestagsabgeordneten in Bautzen und Hoyerswerda wurden seit 2012 17 Mal attackiert. »Mal fliegt ein Mülleimer durch die Fensterscheibe, mal ein Stein«, berichtete Lay in einem Interview mit der Taz. »Die Stimmungslage wird rechtslastiger und damit nehmen auch die Angriffe zu«, sagte die Politikerin. Höhepunkt der bisherigen Anschlagsserie war Mitte September die Zerstörung von 34 großen Scheiben am Tagungsort der sächsischen Linken in Neukieritzsch bei Leipzig. Die Tagung konnte fortgesetzt werden, der Schaden aber soll sich auf rund 250 000 Euro belaufen.