Ein Pegida-Verbot wäre nutzlos

Das falsche Signal

Während der Bundestag das Asylrecht verschärft, denken die Innenminister über ein Pegida-Verbot nach. Das ist irreführend und widersprüchlich.

Um das Offensichtliche vorwegzunehmen: Ein Pegida-Verbot wird es nicht geben, weil schon formell zu viel dagegen spricht. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Grundrechte, die Hürden für ein Verbotsverfahren entsprechend hoch. Außerdem erschwert es die lose Organisa­tion der Pegida-Bewegung, ihre Anhänger in den verschiedenen Bundesländern mit rechtlichen Mitteln effektiv an weiteren Demonstrationen zu hindern. Zu fragen ist dennoch: Sollte Pegida verboten werden? Mehrere Gründe sprechen dafür, dass dies ein falsches Signal wäre und die Debatte an sich ein Symptom grundlegender Missstände ist.
Hinter den Überlegungen der Innenminister stehen taktische Gründe. Angesichts der inhaltlichen Radikalisierung von Pegida sowie der aus dem Umfeld der Bewegung heraus erfolgenden Übergriffe wollen die Minister Stärke demons­trieren und im Namen des wehrhaften Rechtsstaats durchgreifen. Doch dafür braucht es kein Verbot. Wenn Indizien für Volksverhetzung vorliegen, ist Anzeige zu erstatten – wie im Fall von Lutz Bachmann oder Akif Pirinçci. Werden aus einer Kundgebung heraus Unterkünfte von Geflüchteten angegriffen, müssen sich die Täter vor Gericht dafür verantworten. Dass so etwas nicht öfter passiert, liegt an der ignoranten Haltung der die Demonstrationen begleitenden Polizei und nicht an den fehlenden rechtlichen Möglichkeiten. Wer einen Abschreckungseffekt gegenüber gewaltbereiten Nazis erzielen will, muss die Tatenlosigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft in Dresden, Heidenau oder Köln beenden. Die Versammlungsfreiheit einzuschränken, wird dabei nicht helfen. Zumal nicht absehbar ist, gegen wen sich der Verbotseifer als nächstes richtet.

Es ist zynisch, wenn der Bundestag die Asylrechtsverschärfung zur Bekämpfung einer ins­zenierten »Flüchtlingskrise« im Eilverfahren durchwinkt und Innenpolitiker gleichzeitig vor dem Erstarken rassistischer Bewegungen warnen. Wo der Zusammenhang zwischen Horst Seehofers Hetze, besorgten Talkshow-Runden und dem Zulauf für Pegida und Co. verschwiegen wird, verengt sich der Blick auf »in Teilen offen rechts­radikale Empörungsbewegungen« (Sigmar Gabriel). Dabei gehört in Sachsen für den Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich »der Islam nicht zu Deutschland« und der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Frank Kupfer ist der Ansicht, dass Pegida-Demonstranten »ernst genommen und nicht erzogen werden müssen«. Warum wird nicht exemplarisch über die Verantwortung der Landesregierung für die Zustände in Dresden gesprochen? Weil es unbequem wäre, wenn auf den vermeintlichen »Sommer der Migration« eine Diskussion der eigenen nationalkonservativen und rassistischen Ressentiments folgen würden.
Stattdessen geht es nun entschlossen gegen die »harten Rechtsextremisten« (Thomas de Maizière) von Pegida. Dass da welche zu finden sind, ist unbestritten. Ebenso klar ist aber auch, dass neben den schon immer sichtbaren Neonazis ein gemäßigter, rechtspopulistischer Flügel der Bewegung existiert. Dessen Anhänger hatten ihre politische Heimat in der CDU und wenden sich peinlich berührt ab, wenn Pirinçci das Fehlen von Konzentrationslagern in der Gegenwart bedauert. Pegida besteht nicht nur aus gefestigten Rechtsradikalen, sondern erhält Zuspruch aus allen Gesellschaftsteilen. Wenn Innenpolitiker und Verfassungsschützer diese Vielfalt auf einen »rechten Rand« reduzieren, verhüllen sie im Sinne der Extremismustheorie ein weiteres Mal die Verankerung rechten Gedankenguts in der Gesamtgesellschaft. Dabei ist gerade diese Einbettung zu skandalisieren und politisch aufzubrechen.

Überhaupt, welche Folgen hätte ein Pegida-Verbot? Große Teile der aufgebrachten Patrioten würden annehmen, dass die »Lügenpresse« sich nun endgültig mit dem repressiven Staat verbündet hat, um den freien Volkswillen zu unterdrücken. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Eindruck die Positionen und den Aktionismus der Pegida-Anhänger noch verschärft. Im Übrigen rief Bachmann schon Anfang September nach einem »zuverlässigen Arm in der Legislative«, der die Bewegung langfristig stützt. Dafür müsste gegenwärtig wohl nicht einmal eine neue Partei gegründet werden. Denn auch die Alternative für Deutschland organisiert schon Demonstrationen gegen »Asylmissbrauch«. Umfragen sehen die Partei bei etwa neun Prozent. Verbotsdiskussionen bezüglich der AfD? Nicht in Sicht.