Der DFB, die Fifa und das »Sommermärchen«

Schmierschland

Die Diskussion über eine mögliche Verstrickung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Korruptionszahlungen bei der Vergabe der WM 2006 geht am Kern der Sache vorbei.

Im Jahr 2003, also drei Jahre vor dem, was mittlerweile überall nur noch als »Sommermärchen« gilt, waren in Berlin drei ganz Große ihres jeweiligen Fachs aufgetreten: Otto Schily, Franz Beckenbauer und André Heller präsentierten stolz das Kulturprogramm zur Fußball-WM 2006. Eine britische Journalistin fragte Otto Schily, ob mit der WM ein »Relaunch für Deutschland« beabsichtigt sei. Der Sportminister reagierte unwirsch. Mittlerweile weiß man, dass die Antwort Ja hätte lauten müssen: Seit der WM gilt Schwarzrotgold als Symbol für Modernität, für Weltoffenheit, für Toleranz und allerlei mehr, an das glauben mag, wer faktenresistent genug ist.
Man weiß inzwischen, dass es die große WM-Gala im Berliner Olympiastadion, die Schily, Beckenbauer und der fürs Kulturprogramm zuständige Heller damals vollmundig vorstellten, nie gab. Die deutschen WM-Organisatoren haben derzeit nicht geringe Probleme zu erklären, warum sie – angeblich zur Finanzierung dieser Gala – 6,7 Millionen Euro von irgendwo bekommen, nach irgendwo überwiesen und nirgendwo richtig verbucht und versteuert haben.
Oh weh, wurde das Sommermärchen etwa durch Stimmenkauf nach Deutschland geholt? Hm. Sicher lässt sich jedenfalls sagen, dass das ziemlich egal ist: Die Frage juckt vermutlich nur solche Zeitgenossen, die die wundersamen Effekte des »Sommermärchens« nicht gefährdet sehen wollen – etwa durch den Verdacht, dass bei einem Ereignis dieser Größenordnung auch Interessen im Spiel gewesen sein könnten.
Zudem tut die Rede von der – schlimmen und zu bekämpfenden – Korruption so, als würde alles zum Wohl aller geschehen, gäbe es nicht hin und wieder charakterschwache Menschen, die mit Geld gefüllte Briefumschläge an sich nehmen.
Um sich die Gemengelage vor diesem Deutschland-Relaunch zu vergegenwärtigen, kann man nachlesen, wie André Heller das Zustandekommen der letztlich abgesagten Gala beschrieb: »Herr Schröder meinte damals, das sei doch eine herrliche Möglichkeit, aus dem friedlich wiedervereinigten Deutschland ein Signal hinaus in die Welt zu senden, wes Geistes Kind wir sind.« Der Bundeskanzler und sein Sportminister hatten Heller zu Hause besucht. Die Idee, die sie dort ausheckten, sei so toll gewesen, die habe auch Fifa-Präsident Joseph Blatter begeistert. »Wir alle waren froh und haben gedacht, das ist ja wunderbar, dass unsere Idee der Fifa 25 Millionen Euro wert ist und der deutsche Steuerzahler keinen Groschen dafür hinlegen muss«, berichtete Heller in der FAZ. Als die Fifa später die Gala abgesagt hatte, wollte die Bundesregierung, mittlerweile ohne Schröder und Schily, kein Geld mehr geben.
Das verwundert nicht: Im Grunde war zu dem Zeitpunkt alles getan. Was die Bundesregierung mit der WM und Hellers Kulturprogramm erreichen wollte, hatte sie erreicht. Und die Fifa wollte mit ihrem eingetragenen Warenzeichen »Fifa World Cup« Geld verdienen – Hellers teure Show hätte nur den Gewinn geschmälert.
Die Bundesregierung hatte also politische Interessen, für deren Realisierung sie der materiell interessierten Fifa bereitwillig Steuerfreiheit und allerlei mehr für die WM garantierte. Was derart glatt läuft, braucht doch keiner zu schmieren.