Berlin Beatet Bestes. Folge 318.

Happy Hannukah

Berlin Beatet Bestes. Sharon Jones & The Dap-Kings: It´s a Holiday Soul Party (2015). Folge 318.

Meine Freundin ist eigentlich kein Szenetyp, aber auf das Daptone-Label bin ich dennoch durch sie aufmerksam geworden. Rein zufällig hat nämlich meine Freundin vor 25 Jahren Neal Sugarman in Provincetown, Cape Cod, auf der Straße angesprochen, als der dort Saxophon spielte. Sie fragte ihn, ob er ihr Unterricht geben könne, das tat er dann auch und seitdem sind sie befreundet. 2002 kam er mit seiner Band The Sugarmen 3 nach Berlin und übernachtete bei uns. Eigentlich übernachteten nur seine Bandkollegen bei uns, denn Neal war wie immer mit irgendeiner Frau unterwegs. Die Bandkollegen waren ganz anders als die Musiker, die ich bis dahin kennengelernt hatte, viel vernünftiger und ausgeruhter. Es waren eben keine stumpfen Rocker, sondern ausgebildete Jazzmusiker, die sich freuten, endlich bei uns ihre Klamotten waschen zu können und in der Küche Karten zu spielen. Später wurde Neal Sugarman Mitbegründer des Dap­tone-Labels und wenn er mit Sharon Jones und den Dap-Kings nach Berlin kommt, treffen wir ihn auch meistens.
Jetzt gibt es ein neues Album von Sharon Jones und den Dap-Kings, das Weihnachtsalbum »It’s a Holiday Soul Party«. Die erste Seite beginnt aussagekräftig mit dem von der Band gemeinsam geschriebenen »8 Days of Hannukah«, in dem aufgelistet wird, was an den acht Tagen des jüdischen Festes gegessen und wie gefeiert wird. Die Chanukkia, ein spezieller neunarmiger Leuchter, der zu Chanukka entzündet wird, illustriert auch die Coverrück­seite der LP. »Ain’t No Chimneys in The Projects« wurde von Sharon Jones selbst geschrieben. Dann folgen Interpretationen von »White Christmas« und »Silent Night«. Stille Nacht, heilige Scheiße, den Song kann ich eigentlich gar nicht leiden, die Version der Dap-Kings killt aber alle mir bekannten Originale. Sharon Jones’ Up­tempo-Version von »White Christmas« gefällt mir ­sogar besser als die von Otis Redding. Mein Favorit ist das jazzmäßige, von der Backgroundsängerin und Daptone- Musikerin Saundra Williams geschriebene »Big Bulbs« am Ende der zweiten Seite.
Ihr lieben antibürgerlichen Atheisten, es gibt ja sicher gute Gründe, Weihnachten zu hassen. Kitsch, Konsum, Geschenkekauf­stress und so. Aber bitte versucht das mal aus meiner Warte zu sehen. Ich glaube, ihr Weihnachtshasser hasst vor allem aus einer zu großen Nähe zur eigenen Familie. Wenn die erst mal wegfällt, sieht Weihnachten schon ganz anders aus. Dann ist das sehr weit entfernt. Meine Eltern sind tot und Kinder habe ich auch nicht. Die einzige Weihnachtsnähe, die ich habe, ist die zu den Weihnachts­süßigkeiten im Supermarkt. Diese flotte Weihnachtssoultanzplatte versetzt mich allerdings in meine ganz private Christmas-Fantasy-Stimmung. Deshalb ist »It’s a Holiday Soul Party« von Sharon Jones und den Dap-Kings auch die endgültige Scheibe des Monats. Sie vertreibt zum Jahresende noch jeden traurigen Gedanken. Und wer kann das jetzt nicht gebrauchen?
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.