Werkverträge sollen gesetzlich neu geregelt werden

Leihweise schuften

Der Entwurf für ein neues Werkvertragsgesetz würde nur einer Minderheit von outgesourcten Arbeitnehmern zugute kommen. Dennoch wird auch dieser Entwurf in der jetzigen Form wohl nicht zum Gesetz.

Es ist schon eine vertrackte Angelegenheit, dieser Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit. Folglich kann es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales niemandem recht machen. So wurde Mitte November ein Gesetzesentwurf aus dem SPD-geführten Ministerium bekannt, mit dem Leiharbeit und Werkverträge stärker als bisher reguliert werden sollten: Arbeit und Soziales sozusagen dialektisch vereint. Doch der Aufschrei der Unternehmerverbände erfolgte prompt: Das koste Arbeitsplätze! Dabei waren im September erst 4 800 neue Jobs in diesem Bereich geschaffen worden, wie ein Verband mitteilte. Die DGB-Gewerkschaften kritisierten, der Entwurf sei »ein erster, wenn auch noch unzureichender Schritt«. Sie beklagten fehlende Mitbestimmungsrechte.
So wenig überraschend wie die Reaktionen ist der Inhalt des Entwurfs, handelt es sich dabei doch um eine getreue Umsetzung des Koalitionsvertrags von 2013. Leiharbeit und Werkverträge, so heißt es in dem Papier aus dem Ministerium von Andrea Nahles (SPD), »sind wichtige Instrumente in einer arbeitsteiligen Wirtschaft«. Deshalb wolle man »Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin – die zeitlich begrenzte Deckung eines Arbeitskräftebedarfs – orientieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern«. Das klingt ganz nach einem salomonischen »Sowohl als auch« im Geiste der Großen Koalition. Eigentlich sollte der Entwurf im Dezember von der Regierung beschlossen und dann im kommenden Jahr dem Bundestag vorgelegt werden, um schließlich Anfang 2017 in Kraft zu treten. Doch es könnte sein, dass es dazu nicht kommt. Nach Presseberichten schickte das Kanzleramt den Entwurf zurück und forderte eine Überarbeitung.

Dass es dabei nur um das Aufpolieren der vielkritisierten Leiharbeit zur zeitgemäßen Zeitarbeit geht, darf allerdings bezweifelt werden. Kernpunkte des Entwurfs, die auf die Leiharbeit zielen, sind die Wiedereinführung einer maximalen Einsatzdauer von 18 Monaten, nach neun Monaten die Angleichung der Bezahlung an die Kernbelegschaft und ein Verbot des Einsatzes als Streikbrecher. Zur Erinnerung: Unter Bundeskanzler Helmut Kohl wurde diese Höchstdauer 1997 auf zwölf Monate verlängert und erst 2003 wurde diese Beschränkung ganz aufgehoben – von der rot-grünen Bundesregierung. Außerdem sollen Leiharbeiter nun als Mitarbeiter eines Betriebs zählen, wenn es um Schwellenwerte für die Betriebsratsarbeit geht. Das wäre längst überfällig, betrachtet man etwa Zahlenverhältnisse wie im Leipziger BMW-Werk mit einem Leiharbeitsanteil von gut 25 Prozent und vielleicht ebenso vielen Arbeitern mit Werkvertrag. In der Bremer Lloyd-Werft kommen nach Gewerkschaftsangaben auf 380 Festangestellte und 80 Leiharbeiter insgesamt 1 100 Werkvertragsbeschäftigte.

Wirklich wasserdicht ist ohnehin nur das Streikbrecherverbot. Bisher sind die einzelnen Beschäftigten lediglich »nicht verpflichtet« zum Einsatz als Streikbrecher. Praktisch ändern dürfte sich dadurch aber wenig, denn ein solches Verbot ist bereits seit 2013 im Zeitarbeitstarifvertrag vorgeschrieben – interessant dürfte indes sein, ob diese Regelung etwa im Weihnachtsgeschäft von Amazon eingehalten wurde und wird. Für die übrigen Neuregelungen sind derweil Öffnungsklauseln vorgesehen: Sowohl die Einsatzdauer als auch der Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit könne gemäß dem Entwurf durch Tarifverträge ausgehebelt werden, und zwar auch durch traditionell ungünstigere Haustarifverträge. Auch diese Öffnungsklauseln, die Andrea Nahles bereits im Juli 2015 andeutete, ist nichts Neues. So ist seit 2003 der Grundsatz gesetzlich vorgeschrieben, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen – dazu zählt freilich auch die Entlohnung – für Festangestellte und Leiharbeiter gleich sein müssen. Das gilt aber nur, solange ein Tarifvertrag keine »abweichenden Regelungen« vorsieht. Und so kommt es, dass die Tarifbindung in der Zeitarbeit wohl die höchste der Republik ist. So kommt es auch, dass Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche, zumindest in Ostdeutschland, noch immer für weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde arbeiten – die Angleichung erfolgt erst im Juni kommenden Jahres.
Wie viele der gut 850 000 Leiharbeitsbeschäftigten von den möglichen Neuregelungen profitieren könnten, ist allerdings unklar. Auf eine parlamentarische Anfrage antwortete die Bundesregierung unlängst, dass gut die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeit nicht länger als drei Monate dauerten. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist dieser Anteil seit 15 Jahren etwa gleich hoch. Von den Neuregelungen, so das IAB weiter, kann überhaupt nur jeder vierte (in Sachen Bezahlung) beziehungsweise jeder siebte Leiharbeitnehmer (in Sachen Einsatzdauer) profitieren – wenn denn die Einsätze nicht wechseln. Pikant ist zudem: »Leiharbeitsverhältnisse von Akademikern, aber auch von Facharbeitern dauern länger als die von Geringqualifizierten.« Die Geringverdiener unter den Geringverdienern kommen also am wenigsten in den Genuss der sozialdemokratischen Schutzregelungen.

Ist der Werkvertrag die neue Leiharbeit? So jedenfalls sehen es die Gewerkschaften und fordern mehr Mitbestimmung. Das geplante Gesetz sieht jedoch lediglich Informationsrechte vor sowie die Festschreibung der ohnehin schon durch Gerichtsurteile etablierten Abgrenzung der Werk- von Arbeitsverträgen. Neu ist hier, dass »verdeckte Arbeitnehmerüberlassung« im Gewand eines Werkvertrags – im Klartext: illegale Leiharbeit – auch durch das Vorhalten einer Leiharbeitserlaubnis nicht legalisiert werden kann. Auch der Katalog von Abgrenzungskriterien ist neu, und eben daran stört sich »die Industrie« in Gestalt der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Zu diesen Kriterien für einen echten Werkvertrag zählt etwa, eigene Ausrüstung zu benutzen, die Arbeitsorganisation selbst zu gestalten und auch Garantie zu leisten. Untersuchungen der Gewerkschaften lassen darauf schließen, dass diese Kriterien bei einem Großteil von Werkverträgen nicht erfüllt sind, die auf dem Betriebsgelände des Auftraggebers erbracht werden. In einer Studie, an der Forscher aus Chemnitz, Duisburg und Darmstadt beteiligt waren, gaben zum Beispiel 45 Prozent der Manager an, dass die Werkverträgler auch von Führungskräften ihres eigenen Betriebs angewiesen und kontrolliert würden. Zugleich seien die Löhne »im Durchschnitt niedriger und die Flexibilitätslasten höher als bei den Stammbeschäftigten«. Einer Umfrage der IG Metall zufolge hat sich binnen dreier Jahre die »Fremdvergabe von Arbeit auf Grundlage von Werkverträgen mehr als verdoppelt«.
Auch hier trabt das Arbeitsministerium den Gewerkschaften hinterher. So gelang es der IG Metall, just als der Gesetzentwurf bekannt wurde, bei Porsche eine »sachbezogene Mitbestimmung« in Sachen Werkverträge durchzusetzen. Das heißt allerdings nicht, dass »der Fehler« – wie es die Plakatkampagne des DGB formuliert – damit behoben wäre. Zumal es sich nicht nur um einen bloßen Fehler handelt.