Schlanker Wandel

»Alle Faulen, alle Betrüger« müssen sich nun in Acht nehmen, denn »die Früchte des Wachstums werden unter allen Burkinabè verteilt werden, nicht nur unter einer Hand voll Personen, die auf dem Rücken der Bevölkerung fett werden«, kündigte Roch Marc Christian Kaboré an. Der Schlankste ist er auch nicht unbedingt, doch mit dem neuen Präsidenten Burkina Fasos verbinden viele Menschen große Hoffnungen auf Demokratisierung in dem armen Land, das seit seiner Unabhängigkeit 1960 sechs Putsche erlebt hat. Kaboré gewann am 29. November die Präsidentschaftswahlen, die als die ersten wirklich freien seit 1978 gelten (Jungle World 48/15), mit 53,5 Prozent der Stimmen. Politische Erfahrung hat der 58jährige ehemalige Generaldirektor der Banque Internationale du Burkina ausreichend gesammelt. 1989 diente er zum ersten Mal als Minister unter der Regierung von Blaise Compaoré und hatte seither fast ununterbrochen Ministerposten oder andere wichtige politische Positionen inne. Bis er sich nach den Wahlen 2012 mit Compaoré überwarf. Doch rechtzeitig vor der Entmachtung des autokratischen Präsidenten im Oktober 2014 und dessen Flucht in die Côte d’Ivoire hatte Kaboré mit anderen Abtrünnigen von Compaorés Regierungspartei CDP im Januar 2014 seine eigene Partei gegründet, die Volksbewegung für den Fortschritt (MPP). Sie bildete einen wichtigen Teil der monatelangen Proteste gegen die von Compaoré angestrebte Verfassungsänderung zur Ermöglichung einer weiteren Amtszeit. Bei den am 29. November dieses Jahres ebenfalls abgehaltenen Parlamentswahlen erhielt der MPP schließlich 55 der 127 Sitze, der CDP 18.
Kaboré wurde sein Wandel zum Oppositionellen von vielen Burkinabè offenbar abgenommen. Die Wahlen verliefen friedlich und sein unterlegener größter Konkurrent, Zéphirin Diabré, gratulierte brav. Er war wie die meisten Kandidaten ebenfalls ein Vertreter des alten Regimes, der sich rechtzeitig von Compaoré losgesagt hatte. Kaboré versprach Investitionen in das Gesundheits- und Bildungssystem und Maßnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. »Sozialdemokratie ist der Weg zur Entwicklung«, sagte er. Dass der jüngste Machtwechsel friedlich vonstatten gegangen ist, kann bereits als Fortschritt gelten. Und sollte Kaboré sich doch als »Betrüger« und Compaoré in spe entpuppen, lassen sich hoffentlich friedliche Protestbewegungen wie der balai citoyen wiederbeleben.