Der gendersensible Sexfilm »Schick Schnack Schnuck«

In der Fickpause Gurkensticks

Veganes Vögeln, Fahrradunfälle und Pärchen-Disput: »Schnick Schnack Schnuck« ist der Versuch einer deutschen Pornokomödie.

In der Filmästhetik der siebziger Jahre buddeln und den Porno neu zu definieren, diesem Ziel hat sich Maike Brochhaus verschrieben. Die Kölner Filmemacherin bringt jetzt mit »Schick Schnack Schnuck« einen Film heraus, der diesem Ziel möglichst nahe kommen soll.
Alternativer Porno, der Begriff steht für alles, was nicht gradliniges Rein-und-Raus-Spiel ist: queer, Lust, Pickel auf der Haut, »echte« Menschen beim Sex. Vor allem letzteres ist eine Herausforderung. Denn so viel Sex, wie man ihn auch für Porno braucht, haben »echte« Menschen oft gar nicht. »Echte« Menschen sind dafür uralt, doof, fett und superhässlich, alles Sachen, die man nicht mal im Alternativporno platziert, sehr wohl aber im Mainstream-Medium Internet findet.
Kann man eigentlich toppen, was eh schon auf Youporn in gut 40 Kategorien ausgestellt wird? Ist der Porno-Mainstream nicht schon queer genug? Bei Brochhaus geht es da eher konventionell zu, die Darsteller sind schön, jung, hip und vor allem ganz schön hetero. Zum Einstieg sieht man Emmi (Jana Sue Zuckerberg) und Felix (Felix Anderson), wie sie sich auf dem »Dorf« voneinander verabschieden. Felix will aufs Festival und freut sich »total auf Fraktus«, die krasse Superband, die es eigentlich gar nicht gibt – hier ist schon Hipsterwissen nötig. Da kommt auch schon die Regionalbahn, zum Abschied gibt’s ein Küsschen, wie man es aus der Hetero-Langzeitbeziehung (zehn Jahre) kennt.
In der Großstadt angekommen – ausgerechnet Köln – trifft der junge Mann alsbald auf Kumpel Kai, den flotten Flitzer. Und dem ist gleich mal ein dolles Ding passiert: Mit dem Fahrrad hat er Steffi über den Haufen gefahren, worauf er als »Rebound« herhalten muss. Bedeutet: Steffis Beziehung hat gerade ein Ende gefunden, nun müssen Ersatztypen gefunden werden. Kai ist schon Nummer drei.
Mit dem schamlosen Luder, das es »faustdick hinter den Ohren hat« (DVD-Klappentext), treibt es der junge Radfahrer mit der Köln-Basecap nun im Wald. Muss man sich wundern, dass er dabei die Festivalkarten verliert und auch noch zu spät zum Treffen mit Felix kommt?
Nein, muss man nicht. Wozu braucht man die auch? Köln, das ist eine Stadt, wo immer Frühsommer herrscht, da staunt Felix, die Land-Pomeranze. Man kann daher nackt durch die Wohnung schlurfen oder Gruppensex im Teich haben. Man freut sich und hat was zu lachen.
Das ist auch gut so, denn dieser Film will eine Pornokomödie sein. Es braucht auch Verwicklungen und Verwechslungen. Zu diesem Zweck landet auch Emmi in der Stadt; die dabei beiläufig ausgeübte Promiskuität wird ihr zu einer besseren Beziehung verhelfen, ganz bestimmt. Als role model dient ihr die lässige Freundin Magda, die kaum Tabus kennt und Emmi an ihrer offenen Beziehung mit zwei Männern am Telefon und dann in der Badewanne teilhaben lässt.
Denn darum geht es insgeheim: Die Generation Neon mit Piercing, bunten Fingernägeln, Bärten und schrägen Körpergemälden, die später mal bei »Tattoo Nightmare« ­landen werden, braucht den Partnertausch und die Aufhebung der sexuellen Normierung, um später mal ins familiäre Glück zu finden. Dafür muss sie Prüfungen bestehen: Das Paar schaut sich a) gegenseitig beim Fremdgehen zu, ohne zu wissen, um wen es sich handelt, um dann b) miteinander fremdzugehen.
Eigentlich könnte es hier richtig interessant werden, denn Brochhaus beginnt, gesellschaftliche Entwicklungen mit den Stilmitteln der Pornographie zu beschreiben. Und die Geschichte wird gebrochen: Man dreht mit Laien, orientiert sich an Trashfilmen, am German Mumblecore. Die Menschen vor der Kamera riskieren was, sogar eine ganze Menge, und Geld gibt es sowieso nicht, außer Crowdfunding-Mini­beträgen.
Mit dem ganzen ironischen Diskursballast kommt der Film daher, bis zum Veganer-Zitat, wenn in der Fickpause Gemüsebrote und Gurkensticks verputzt werden. Getrunken wird natürlich Sojamilch. Cellulitis-Nahaufnahmen, Pickel, blaue Flecken, schlappe Schwänze – durchaus hält sich Brochhaus an ein antipornographisches Konzept, wie es etwa auch Erika Lusts Filmen zugrunde liegt. Manchmal blitzt da was auf, ein schöner Regieeinfall, zum Beispiel wenn auf einem Oberschenkel eine tatöwierte Strichliste geführt wird.
Bei der stringenten Umsetzung des Postporn-Prinzips hapert es aber. Die Gags sind oft recht schluffig und rufen höchstens ein Schmunzeln hervor.
Die Ausarbeitung ist oft nur nomineller Natur: Sexszenen im Kino sind keine einfache Sache, die Spannung zu halten, erfordert einiges Maß an inszenatorischem und vielleicht auch darstellerischem Talent. Beides fehlt zuweilen.
Alsbald findet man eine der Film­idee eigentlich erstaunlich zuwiderlaufende Stumpfheit, die vor allem im zweiten Teil des Films uncharmant gehetzte, ja krampfhafte Züge annimmt. Eine Entgrenzung des ­Begehrens über ein bisschen Gender-Crossen hinaus findet nicht statt. Schwierig ist auch das gewollt Komödienhafte: Ein Schuss Trauer hätte dem kleinen Werk durchaus mehr Tiefe verleihen können, vielleicht eine Andeutung, dass das lockere Leben schon bald vorbei sein kann. Außerdem macht der Score das Anschauen zu einem echten Problem: Die Musik besteht meist aus einer Easy-Listening-Kaufhaus-Version diverser HGich.T-Singles. Da wäre eine Pause mal angebracht gewesen, wenn auch der Name des Komponisten eine Bereicherung für die Credits ist: Sören Störung.
Grausliche Musik, möglichst rasant zur Sache kommen und mit der Zeit auch das etwas verkrampfte Agieren vor der Kamera: Wo ist eigentlich der Unterschied zum herkömmlichen Sexfilm – außer dass dort die Bilder erheblich besser sind? Vor allem gegen das Porno-Einerlei soll sich »Schnick Schnack Schnuck« ja wenden, das Darstellerensemble wirklichkeitsnah rüberkommen. Aber wenn eines fehlt, dann etwas wirklich Wirkliches: Politik oder gar die wirtschaftliche Lage der Twentysomethings? Hinweise dieser Art bieten Filme dieser Art des öfteren. Und hier? Die WG-Zimmer in Köln sind jedenfalls alle quadratkilometergroß. Es wird mal kurz erwähnt, dass Emmi eine heiße Französisch-Lehrerin ist und Felix Programmierer von Sparkassen-Software.
Vielleicht hätte dem Film eine ­Adaption als Basis gut getan: Aschenputtel, gefährliche Liebschaften, Schneewittchen und die sieben Zwerge oder sonst was. Regisseure wie Bruce LaBruce haben es vorgemacht – der hat schon vor 20 Jahren in »Hustler White« Thomas Manns »Tod in Venedig« als irrwitzige Stricherkomödie angelegt. Brochhaus hätte sich womöglich besser den Details zuwenden können. Und »Schnick Schnack Schnuck« hätte das schöne Gesellschaftsabbild werden können, das die Regisseurin wohl letztlich be­absichtigte. Eine Entwicklung der Figuren hätte auch gutgetan – wir ­reden immerhin von einem Film, der fast 90 Minuten lang ist. Schade, dass die Geschichte nur an der Oberfläche kratzt. Wie eine moderne Beziehung aussieht, wie ein Paar sich durchschlägt, eine Antwort auf allerlei Verlockungen findet; solche Fragen hätten aus ihnen tatsächlich echte und erotische Menschen gemacht.
»Schnick Schnack Schnuck« (D 2015). Regie: Maike Brochhaus. Darsteller: Felix Anderson, Jana Sue Zuckerberg. DVD, 18 Euro