Eine Freiburger Flüchtlingsunterkunft führt die Sperrstunde ein

Ein Hauch von Gefängnis

Zugangskontrollen, kein Besuch nach 22 Uhr – diese Maßnahmen sollen dem Wohl der Bewohner eines Freiburger Flüchtlingsheims dienen. Den Alltag der Flüchtlinge erleichtern sie allerdings nicht.

In der überbelegten Unterkunft leben 472 Menschen, davon 179 Frauen. Möchten sie künftig Besuch empfangen, müssen sie diesen vorher anmelden. Bis 22 Uhr müssen die Besucher das Gelände jedoch wieder verlassen haben. Was in der »bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle« (BEA) in der Lörracher Straße sowie in den notdürftig eingerichteten Zeltunterkünften am Stadtrand längst gängiges Prozedere ist, gehört ab sofort auch zum Alltag der Bewohner des vor 25 Jahren errichteten Flüchtlingsheims im Freiburger Stadtteil Stühlinger, in das Menschen schon seit Jahren bewohnen.
Dem Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach zufolge haben in der Vergangenheit häufig Personen, die andernorts wohnen, in der Unterkunft geschlafen und gelegentlich gegen die Hausordnung verstoßen. Auch habe es Fälle von Drogenhandel und Ruhestörung gegeben. Die Stadt sei nach Gesprächen mit der Polizei und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) zu dem Ergebnis gekommen, dass Zugangskontrollen unvermeidlich seien. »Die Maßnahme soll die Bewohner schützen«, so Kirchbach. »Die Kriminalität wurde von außen hereingetragen.«
»Wir wollen den Besuch steuern, bis sich die Situation wieder beruhigt«, sagt Thomas Rapp, Leiter des Amts für Wohnraumversorgung, in dessen Zuständigkeitsbereich das Heim fällt. Die ungebetenen Gäste seien vorwiegend Flüchtlinge gewesen. »Es handelt sich bei ihnen meist um junge Männer, die abends in der Disko waren. Fahren nachts keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr zu ihren Unterkünften außerhalb Freiburgs, schlafen sie eben bei Freunden im Wohnheim auf dem Boden«, so Rapp. Die Polizeisprecherin Jasmin Bohrer sagt, dass bei vergangenen Polizeieinsätzen Flüchtlinge benachbarter Landkreise in der Unterkunft Probleme verursacht hätten. Größere Drogenfunde habe es jedoch selten gegeben.
Dem Vorstandsvorsitzenden des DRK-Kreisverbands Freiburg, Wolfgang Schäfer-Mai, zufolge haben sich insbesondere junge Frauen und Familien mit Kindern nachts auf dem Gelände unsicher gefühlt. »Die Maßnahme war für uns die Ultima Ratio. Ich habe für eine stärkere Polizeipräsenz plädiert. Doch die ließ sich anscheinend nicht umsetzen«, so Schäfer-Mai. Nicht alle Bewohner seien von den Kontrollen durch einen Sicherheitsdienst begeistert. »Schließlich handelt es sich um eine kleine Einschränkung der Freiheitsrechte.«
Ein Heimbewohner, der wegen seines laufenden Asylverfahrens nicht namentlich genannt werden möchte, stellt positiv heraus, dass auf dem Gelände nun weniger Fahrräder gestohlen würden und es nachts ruhiger sei. Er kritisiert aber, dass angemeldete Besucher sich ausweisen müssten und ihre persönlichen Daten gespeichert würden. Spontane Besuche seien nicht mehr möglich. Er fühle sich »ein bisschen wie im Gefängnis«, sagt er. »Wir müssen Besucher beim Hausmeister anmelden, der aber nur bis 16 Uhr vor Ort ist.« Sein Onkel aus Nordrhein-Westfalen könne ihn nicht mehr besuchen, da er sich kein Hotelzimmer leisten könne.
Auch die Arbeit zahlreicher Initiativen, die in der Vergangenheit Kontakte zwischen Flüchtlingen und Freiburgern geknüpft haben, werde durch die Maßnahmen erschwert. »Wenn die Bewohner der näheren Umgebung das Areal nicht mehr betreten dürfen, fördert das kaum unsere Integration«, sagt der 36jährige Asylsuchende.
Johanna Wintermantel vom Freiburger Forum »Aktiv gegen Ausgrenzung« steht in engem Kontakt mit vielen Bewohnern des Flüchtlingsheims und bezweifelt, dass tatsächlich deren Wohl im Vordergrund stehe. »Ich hätte mir gewünscht, Probleme im Umfeld des Wohnheims, wie Ruhestörung und Drogenhandel, würden so gelöst wie in anderen Wohnvierteln auch – und nicht mit Abschottung.« In den umstrittenen Kontrollmaßnahmen erkennt sie eine Kontinuität. »Sie stehen im Zusammenhang mit der Law-and-Order-Politik, die seit zwei Jahren im Stühlinger Park durchgezogen wird«, so Wintermantel. Seit dort vor zwei Jahren eine Gruppe minderjähriger Flüchtlinge Überfälle und Diebstähle beging, kontrolliert die Polizei vermehrt dunkelhäutige Menschen.