Bekommt Darmstadt 98 ein neues Stadion?

Der Trouble mit dem Stadion

Stadionneubau für Darmstadt 98? Von wegen, die Stadt Darmstadt setzt auf einen Umbau, der vor allem dadurch besticht, dass auch in Zukunft nicht mehr Zuschauer zu den Spielen der Lilien kommen können.

Als Rüdiger Fritsch, der Präsident von Darmstadt 98, am Donnerstag vergangener Woche gemeinsam mit dem Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch vor die Presse trat, war Fritzsch bereits anzusehen, dass das, was gleich präsentiert würde, einer persönlichen Niederlage gleichkäme.
Und tatsächlich löste das Ergebnis der Pressekonferenz unter den Fans der Lilien Entsetzen aus. Statt des erhofften Standorts für einen Stadionneubau stellte der OB einen Fünf-Punkte-Plan vor, der eine Modernisierung des Stadions am Böllenfalltor vorsieht. Neben der Sanierung der Haupttribüne soll unter anderem die in der Bundesliga einmalige Gegengerade überdacht werden und die bisherigen Nord- und Südkurve durch vom Verein finanzierte Stahltribünen ersetzt werden, durch die die Zuschauer immerhin näher ans Spielfeld rücken.
Folgte Rüdiger Fritsch der Vorstellung der städtischen Pläne schon mit sichtlicher Unzufriedenheit, so machte er in seinem Statement deutlich, dass diese weit hinter dem zurückblieben, was sich der Verein erhofft hatte und als nötig empfindet. Mehrmals sprach er davon, dass es sich um eine »Zwischenlösung« handele, die eben auch nur als solche gesehen werden könne (das Wort Zwischenlösung hörte man vom Darmstädter OB übrigens kein einziges Mal).
Tatsächlich wird mit den von der Stadt, der das Stadion gehört, vorgestellten Baumaßnahmen kein einziges strukturelles Problem des Vereins gelöst.
Die Stadionkapazität bleibt mit 17 000 Zuschauern weiterhin für den Profifußball extrem niedrig, so dass zukünftig kein einziges zusätzliches Ticket verkauft werden kann. Auch werden die in der angrenzenden Böllenfalltorhalle geplanten Verbesserungen nur in geringem Maße Möglichkeiten schaffen, die Vermarktungseinnahmen zu steigern. Bereits in der vergangenen Saison wurde geschätzt, dass den Lilien aufgrund ihres Stadions jährlich etwa fünf Millionen Euro an Einnahmen im Vergleich zu anderen Wettbewerbern fehlen.
Veranschlagt sind für die Umbauten Kosten von elf Millionen Euro, bis Sommer 2018 sollen sie fertig sein. Klar ist somit aber auch, dass es einen Neubau mit öffentlichen Mitteln so schnell nicht mehr geben wird. Manch zynischer Beobachter stellte sogar die Frage, ob die Stadt nicht darauf hoffe, dass sich der sportliche Erfolg der Lilien wieder gebe, damit die Kommune so mit der preiswerten Modernisierung dem schätzungsweise 30 Millionen Euro teuren Stadionneubau entkommen könne. Je weniger Geld der Verein einnimmt, umso größer schließlich die Chance auf einen Abstieg, durch den eine neue Spielstätte dann obsolet würde.
Die Stadt muss sich vorwerfen lassen, zu lange an einem Umbau des Böllenfalltors als einziger Option festgehalten und trotz bekannter Schwierigkeiten (siehe Jungle World 25/2015) nicht bereits frühzeitig mögliche alternative Standorte identifiziert zu haben, dazu gehörten Lärmschutz, Parkplätze und Zugangswege. Dass es letztlich neben Einwänden von Anwohnern die TU Darmstadt, eine öffentliche Einrichtung des Landes, war, die die Umbaupläne zum Scheitern brachte, ist dabei ein Kuriosum, wie man es nicht bezeichnender hätte erfinden können.
Der Verein hat in der Stadionfrage zu lange öffentlich geschwiegen. Trotz des kometenhaften sportlichen Aufstiegs wurden öffentliche Forderungen in Sachen Stadionneubau erst nach dem Klassenerhalt gestellt, als es wohl schon zu spät war und die Stadt sich bereits für die Sanierung des Böllenfalltors ausgesprochen hatte.
Offen ist, wie es nun weitergeht. Zwar wurde von Seiten der Stadt auf der Pressekonferenz mitgeteilt, dass man nun dabei sei, Standorte für einen Neubau zu finden, gleichzeitig ließ man die große Frage unbeantwortet, wie dieser finanziell denn nun zu realisieren sei, angesichts der für die Modernisierung des aktuellen Stadions aufgewendeten Summen.
Für die Vereinsverantwortlichen, die durch eine von den Mitgliedern beschlossene Satzungsänderung nun für ihre Tätigkeit endlich bezahlt werden dürfen, wird die Frage sein, ob man den weiterhin angestrebten Stadionneubau mit einem privaten Partner besser erreichen kann. Mahnende Beispiele, dass ein Stadionneubau in Kombination mit ausbleibendem sportlichem Erfolg einen Verein ruinieren kann, gibt es allerdings genug, unter anderem im benachbarten Offenbach.
Und um das sportliche Ziel Klassenerhalt in der neuen Saison zu erreichen, wird es erneut eines Darmstädter Wunders bedürfen. Denn trotz der angekündigten Erhöhung des Etats von 16 auf 20 Millionen Euro ist man in Südhessen weiterhin das sprichwörtliche Armenhaus der Bundesliga. Dass viele Spieler den Verein verlassen würden, war den Fans dabei klar. Erstaunt waren sie aber, wie schnell der Verantwortliche für den sportlichen Aufstieg, der Trainer und sportliche Leiter Dirk Schuster, bereit war, ein Angebot des FC Augsburg anzunehmen. Dass dies kein Abgang im Einvernehmen war, zeigte auch Schusters Aussage, dass es beim Ausstand mit den Mitarbeitern des Vereins nach momentanem Stand kein gemeinsames Bier mit Vereinspräsident Fritsch geben würde.
Mit dem erst im Frühjahr installierten Chefscout Holger Fach war ein neuer sportlicher Leiter rasch gefunden, die Dauer der Trainersuche zeigte aber schnell, wie kalt Dirk Schusters Abgang den Verein erwischte. Mit Norbert Meier hat nun ein Mann in Darmstadt als Trainer das Sagen, der keineswegs im Verdacht steht, den bisherigen Stil der Lilien einer Radikalkur zu unterziehen, und mit dem auch weiterhin der Schwerpunkt auf die Defensive gelegt werden wird. Und der vor allem auch gezeigt hat, dass er seine Linie gegen Widerstände von außen beibehält.
Nur mit welchen Spielern er dies tun wird, ist derzeit noch vollkommen unklar. Denn bisher wurden nur auf der Torhüterposition Verstärkungen gefunden, dazu wabern weiterhin jede Menge Gerüchte um das Böllenfalltor, wonach weitere Leistungsträger sich anderen Vereinen anschließen wollen.
Bei den gegebenen finanziellen Möglichkeiten ist es zurzeit noch schwer, Spieler nach Darmstadt zu locken, zumal andere Vereine nicht mehr so einfach bereit sind, einen Wettbewerber zu stärken, wie es beispielsweise in der vorigen Saison noch der Fall war, als Werder Bremen dem verliehenen Luca Caldirola dessen halbes Gehalt weiterzahlte. Sportchef Holger Fach sprach von jeder Menge Absagen, die er bekäme, und Norbert Meier beklagte, dass derzeit kein Trainingsspiel elf gegen elf möglich sei.
So werden die Lilien wieder darauf bauen, dass Spieler anderer Klubs nach den ersten Wochen unzufrieden mit ihrer sportlichen Situation sind oder Vereine ihre Kader noch reduzieren wollen. Deshalb wird auch dieses Jahr viel davon abhängen, dass man in Darmstadt im Schlussverkauf an den Wühltischen der Liga Erfolg hat.
Bei allen Problemen mit Stadion und Kader kann es im Übrigen durchaus sein, dass ein weiteres Problem hinzukommt, denn Präsident Fritsch hat sich noch nicht dazu geäußert, ob er für eine Wiederwahl im Herbst zur Verfügung steht.
Immerhin, einen großen Erfolg gab es zu Beginn der Sommerpause aber schon zu vermelden: Auf dem Trainingsgelände wurde ein dritter Rasenplatz eingeweiht.