Die wilden Tiere sind los

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Große Aufregung vorige Woche in der Mark Brandenburg südlich Berlins: Zwei Löwen waren aus dem Gehege eines Tierparks ausgebrochen. Doch: Nichts passiert. Nach zwei Stunden kam die Löwin von alleine zurück nach Hause, der Löwe wurde mit einem Betäubungsgewehr ruhiggestellt. Wären sie im märkischen Dschungel untergetaucht, wer weiß, womöglich hätten die beiden eine europäische Löwenpopulation ­begründet. Die menschlichen Meuterer der »Bounty« haben es einst vorgemacht und die zuvor unbewohnte Insel Pitcairn bevölkert.
Der kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar hatte sich in seinem riesigen Anwesen bei Medellín einen Zoo anlegen lassen; neben Löwen, Elefanten und Giraffen gab es dort vier Nilpferde. Nachdem Escobar 1993 erschossen worden war, verfiel seine ­Hacienda und die Nilpferde büchsten aus – und erwiesen sich als zeugungswillige Gesellen. Inzwischen ­haben sie sich zur größten wildlebenden Flusspferdherde außerhalb Afrikas hochgepoppt, mindestens 35 Tiere leben bereits in der Gegend;  – manche behaupten, es seien mehr als doppelt so viele.
Auch die mittlerweile über 120 Nandus, bis zu 1,70 Meter große Straußenvögel aus Südamerika, die in Mecklenburg-Vorpommern in freier Wildbahn ­leben, stammen von Ausbrechern ab, sie entflohen im Jahr 2000 aus einem Gehege bei Lübeck. Ebenfalls »Gefangenschaftsflüchtlinge« sind die Nilgänse, die sich seit den Siebzigern und in den vergangenen Jahren im Westen Deutschlands zu Hause fühlen. Sie stammen ursprünglich aus Afrika, wurden im 18. Jahrhundert in Großbritannien als Ziergeflügel gezüchtet – und immer mal wieder entwischten ein paar Vögel. Hier sind sie wenig beliebt. Der Ornithologe vom Naturschutzbund kritisiert sie als »penetrant und biestig«.
Die Wisente, von denen es seit drei Jahren wieder eine wilde Herde im Rothaargebirge gibt, sind keine Meuterer, sie sind bewusst ausgewildert worden. Es sind die Nachfahren von nur insgesamt zwölf Zootieren. Das ist eine noch geringere genetische Variation als bei den »Bounty«-Leuten. Anfang des 20. Jahrhunderts waren sämtliche wilde Wisente ausgerottet. Mittlerweile gibt es wieder rund 5 000 Exemplare, 3 000 von ihnen in freier Wildbahn, zumeist in Osteuropa, und alle stammen von jenen zwölf Zoowisenten ab. Ursprünglich waren die zotteligen Rinder auch in Deutschland heimisch, doch heutzutage betrachtet man sie als Fremde. Die Forstwirte im Rothaargebirge jammern über Schäden an Bäumen und nachdem ein Wisent kürzlich eine Wanderin verletzt hat, fordern jetzt Bauern und Lokalpolitiker: Wisente raus! Man kann sich also vorstellen, was erst los wäre, wenn die Löwen sich in Brandenburg breit gemacht hätten – oder stellen Sie sich vor, sie wären Richtung Dresden gezogen!