Die NPD leidet unter der Konkurrenz mit der AfD

Partei mit Zerfallserscheinungen

Die NPD profitiert nicht von der rassistischen Stimmung in Teilen der deutschen Bevölkerung. Die Aussichten der Partei in den bevor­stehenden Landtagswahlen sind kläglich.

Die Umstände klingen günstig für die NPD: Nach jahrelangem Rückgang stieg die Zahl der organisierten Rechtsextremen in der Bundesrepublik nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahr 2015 um 1 600 auf insgesamt 22 600 Personen. Die Behörde sieht in der »dynamischen Entwicklung im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise« die Ursache des Zuwachses. Rechtsextreme fühlten sich zurzeit »in ihrem Aktivismus bestärkt und herausgefordert«.
Der NPD, der ältesten existierenden rechtsextremen Partei in Deutschland, kommt diese Entwicklung aber nicht zugute. Selbst die vielen von Parteifunktionären organisierten Proteste gegen den Zuzug von Flüchtlingen brachten ihr keinen Zulauf. Die Zahl der Mitglieder stagniert derzeit bei 5 200, das ist ein Viertel weniger als vor zehn Jahren. Zugleich steigern kleinere Parteien wie »Die Rechte« und »Der III. Weg« ihre Mitgliederzahlen. Und die Aufmerksamkeit der Wähler und der Öffentlichkeit gilt der AfD.
Der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke musste bereits im Frühjahr auf Nachfrage des RBB einräumen, dass die seit nunmehr zweieinhalb Jahren andauernden Proteste gegen Flüchtlinge keinerlei Zulauf gebracht hätten. Im beginnenden Wahlkampf geht es der NPD nur um die Verteidigung der Mandate in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) von Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Lichtenberg, wo sie derzeit über jeweils zwei Sitze verfügt. Das dürfte schwer werden im September. Die AfD liegt derzeit in Umfragen zur Wahl für das Abgeordnetenhaus und die BVV bei etwa zehn Prozent, die NPD ist vernachlässigbar.
In Mecklenburg-Vorpommern rechnen sich die »Nationaldemokraten« hingegen größere Chancen aus, erneut in den Landtag einzuziehen. Der öffentlich bekannte Spitzenkandidat Udo Pastörs führt dort den Wahlkampf an. Ende Juni ließ die NPD verlauten, keine eigenen Direktkandidaten für die Wahl im September aufzustellen. Der Verzicht auf die Kandidaturen habe »nichts mit Zerfallserscheinungen zu tun«, versicherte der stellvertretende Landesvorsitzende David Petereit dem NDR. Man habe genügend Bewerber, die Partei wolle sich jedoch diesmal allein auf die Zweitstimmen konzentrieren. Außerdem habe die NPD ohnehin keine Chance auf Direktmandate, wohl aber die AfD. »Da gibt es ja einige ordentliche Leute«, sagte Petereit weiter, und ein Wähler, der seine Erststimme nicht der NPD geben könne, wähle dann wohl eher die AfD. Diese Leihstimmen könnten gerade in den östlichen Wahlkreisen für die Rechtspopulisten den Ausschlag geben, so Petereit.
Die nationaldemokratischen Abgeordneten im Landtag in Schwerin wollen die Legislaturperiode offenbar mit einem großen Knall beenden. Die Partei reichte anstatt der üblichen drei bis fünf Anträge insgesamt 59 für die letzte Sitzungswoche ein, die am Freitag endete. Bei den meisten Vorlagen handelt es sich nicht um neue Initiativen der NPD-Fraktion, sondern um leicht abgeänderte Anträge, teilweise liegt die Einreichung der ursprünglichen über fünf Jahre zurück. Die Vorlage einer solchen Vielzahl von Anträgen in einer Sitzungswoche sei äußerst ungewöhnlich, sagte ein Parlamentssprecher. Die Landtagsverwaltung prüfe nun, ob der Behandlung der Anträge rechtliche Gründe entgegenstehen könnten.
Manchmal treten NPD und AfD auch gemeinsam auf. Für einige Empörung im Wahlkampf sorgte im Juni ein Rostocker Gymnasium mit der Einladung von Holger Arppe (AfD) und Petereit. Schüler hatten den Landtagskandidaten Arppe und den Landtagsabgeordneten Petereit als Gäste zum Thema Rechtsextremismus ausgesucht. Sie befragten die beiden und diskutierten mit ihnen. Der verantwortliche Lehrer, bestätigte der Schulleiter der Welt, sei bei dem Streitgespräch dabei gewesen. Dem Direktor war der Besuch eines AfD- und eines NPD-Politikers angekündigt worden. Details kannte er aber nach eigener Aussage nicht. »Hätte ich gewusst, dass die beiden wegen Volksverhetzung verurteilt wurden, hätte ich kurz gezögert«, so der Schulleiter. Doch Rechtsextremismus sei »nicht mehr nur ein Randphänomen«. Wolle man »junge Menschen wappnen«, müssen man »ihnen die Möglichkeit geben, sich intensiv mit dem Gedankengut aus­einanderzusetzen«. Er könne deshalb die Kritik nur zum Teil nachvollziehen, so der Direktor.
Mit Petereit hatten sich die Schüler einen ganz besonderen Rechtsextremen ausgesucht. Wie der Terminliste des Fernsehsenders SWR zum NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München zu entnehmen ist, war für den 300. Verhandlungstag am 13. Juli um 9.30 Uhr ein gewisser »David P.« als Zeuge geladen. Den Angaben der Vertreterin der Nebenklage, Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, zufolge handelt es sich dabei um David Petereit. Er wurde vorgeladen, weil er das Naziheft »Der weiße Wolf« verantwortet haben soll, in dem 2002 der Satz erschienen war: »Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen.«
Sollte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, dürfte dies aber weniger an möglichen Verbindungen zum NSU liegen als an der Konkurrenz durch die AfD. Schwerwiegende Folgen hätte ein solcher Wahlausgang für die rechts­extreme Partei allemal, wie ein Blick nach Thüringen zeigt. Nach der Niederlage bei der Landtagswahl im September 2014 läuft es für die NPD dort schlecht, Machtkämpfe werden ausgetragen. Wenn die NPD »das Konkurrenzdenken über die Gemeinschaft stellt, ist sie ein verstaubtes Relikt der Geschichte«, sagte der ehemalige Organisationsleiter der thüringischen NPD, David Köckert, vor einigen Wochen. Funktionäre wie Patrick Weber und Thorsten Heise konzentrieren sich hauptsächlich darauf, Rechtsrockkonzerte zu veranstalten. Der bisherige Erfurter Stadtrat für die Nationaldemokraten, Enrico Biczysko, wechselte Mitte Juni die Partei. Wegen »anhaltender innerparteilicher Streitigkeiten« sei in der NPD »keine konstruktive politische Arbeit möglich«, schrieb der Kreisverband Mittelthüringen der Partei »Die Rechte«, bei der sich Biczysko mittlerweile betätigt.
Dieter Hausold, Landtagsabgeordneter der Linkspartei, attestierte der NPD in Thüringen während der Vorstellung des Berichts der Parlamentarischen Kontrollkommission im Juni ebenfalls Schwäche. Dennoch sei die Partei weiterhin die »bedeutendste parteipolitische Kraft im rechtsextremistischen Spektrum«. Vor allem warnte Hausold angesichts eines möglichen NPD-Verbots vor möglichen »Nachfolgestrukturen«. Denn die Ideologie verschwinde nicht mit einem Verbot.