Neue Maßstäbe

Die Serie »House of Cards« hat Maßstäbe gesetzt. Erzählt wird die Geschichte eines ehrgeizigen Ehepaars im US-amerikanischen Politikbetrieb. Das wirft nun einige Probleme für ein ehrgeiziges Ehepaar im realen US-amerikanischen Politikbetrieb auf. Wenn Hillary Clinton Präsidentin geworden ist, wird sie ihr Konjunkturprogramm nicht »America Works« nennen können, weil Serienpräsident Frank Underwood seines so genannt hat. Pech für Clinton, denn dieser Arbeitsplatzbeschaffung mit patriotischem Optimismus verbindende Name ist kaum zu schlagen. Ärgerlicher ist für die Clintons aber wohl, dass Frank Underwood, ein Demokrat, gelegentlich Menschen, die ihm gefährlich werden, persönlich beseitigt. Die Feinde der Clintons glauben gern, dass sie so etwas auch tun. So werden sie für den Tod Seth Richs verantwortlich gemacht, eines jungen Mitarbeiters der Parteizentrale der Demokraten (DNC), der am 8. Juli in Washington erschossen wurde. »Vier Tote mehr im Kielwasser der Clintons. Zufall? Ich glaube nicht«, twitterte Roger Stone (Jungle World 32/2016), ein informeller Mitarbeiter Donald Trumps, der gleich noch ein paar ungeklärte Todesfälle hinzuzählt. Stone steht nach eigenen Angaben in Kontakt mit Julian Assange, dem Leiter von Wikileaks, der angedeutet hat, Rich sei eine »Quelle« bei der Beschaffung der E-Mails des DNC gewesen. Wikileaks hat 20 000 Dollar Belohnung für die Aufklärung des Mordes an Rich ausgesetzt, was wohl die Botschaft verbreiten soll, russische Hacker hätten mit der Datenbeschaffung nichts zu tun gehabt. Ukra­inische Ermittler haben nun ein Dokument veröffentlicht, dem zufolge Paul Manafort, der Leiter der Kampagne Trumps, 12,7 Millionen Dollar von der prorussischen »Partei der Regionen« des 2014 gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch erhalten habe. Mana­fort bestreitet das, seine Tätigkeit für Janukowitsch ist jedoch nachgewiesen.
»Das Talent eines Lügners besteht darin, die Leute glauben zu machen, man habe kein Talent zum Lügen«, lehrt Frank Underwood. Im wirklichen Leben aber kann man nunmehr offen lügen, wenn das Publikum die Lüge glauben will. Millionen von Amerikanern haben nun wohl die vor Freude über die Anschläge vom 11. September tanzenden Muslime in New Jersey, die Trump erfunden hat, vor Augen. Wäre Trumps Wahlkampf eine Erfindung von Netflix oder Hollywood, würden sich die Republikaner bitterlich über ein so bösartiges Zerrbild beklagen. In einem Film oder einer Serie wäre Trump in der Tat deplatziert gewesen – viel zu dick aufgetragen, würden auch jene sagen, die die Republikaner hassen. Früher haben die Konservativen der Unterhaltungsindustrie vorgeworfen, die Sitten zu verderben und das kulturelle Niveau zu senken. Nun setzt Trump Maßstäbe der Primitivität und der Absurdität, für deren Erfindung noch vor kurzem jeder Drehbuchautor hinausgeworfen worden wäre.