Die Digitalisierung der Arbeitswelt reproduziert gesellschaftliche Hierarchien und traditionelle Geschlechterbilder

Das bisschen Haushalt

Mit Hilfe zahlreicher Apps können Haushaltshilfen und Putzkräfte gebucht, Mahlzeiten ins Haus bestellt oder bezahlte Dates organisiert werden. Auf diese Weise reorganiseren elektronische Helfer die Reproduktionssphäre. Was als avantgardistisch daherkommt, knüpft an tradierte Geschlechterbilder an.
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Tauschen und Teilen sind die Prinzipien der Share Economy. Privatleute stellen zeitweilig ihr Eigentum oder ihre Dienstleistungen zur Verfügung. Im Idealfall koordinieren sich die User dann virtuell. In der industriellen Fertigung, der Maschinenkommunikation, der Telearbeit und bei Großkonzernen wie Amazon wird diese digitale Entwicklung als Teil der sogenannten Industrie 4.0 beschrieben. Die Ökonomie des Teilens kann für Auftraggeber und Beschäftigte individuelle Vorteile bringen. Aber Digitalisierung – damit sind die Veränderungen durch Automatisierung von Prozessen, digitale Vernetzung und Neuarrangements von Mensch-Maschine-Technologien gemeint – betrifft auch die privaten Haushalte als Arbeitsplatz und damit ein Arbeitsmarktsegment, das von feministischen Kämpfen um soziale Anerkennung und Bezahlung geprägt ist. Weit entfernt davon, einen gesellschaftlichen Ausgleich anfallender Tätigkeiten zu organisieren, setzen sich gesellschaftliche Hierarchien in der digitalen Arbeitsverteilung fort. Haushaltshilfen, Putzkräfte und Lieferdienste können via App einfach gebucht werden. Plattformen, wie deliveroo.de, helpling.com oder bookatiger.de vermitteln zwischen zwei Usergruppen, Auftraggebern und selbständig Beschäftigten. Solche On-Demand-Firmen basieren auf dem Geschäftsmodell der Soloselbständigkeit von Dienstleistenden und deklarieren ihre Arbeit als Vermittlungsleistung. Arbeitgeberbeiträge und Mindestlöhne müssen nicht gezahlt werden. Die Software, mit der dabei gearbeitet wird, vereinbart automatisch Termine. Das Produktdesign orientiert sich an den Interessen derjenigen, die die Aufträge vergeben. Durch die Gestaltung der Software ist das Arbeitsverhältnis zwischen Auftraggebern und Selbständigen nur noch vage erkennbar. Für die, die vom Auftraggeber zum Kunden werden, hat das große Vorteile. Für die Leistungserbringer ist der Druck umso größer. Eine Bestellung über foodora.com lagert die Essenszubereitung aus dem Privathaushalt aus (Jungle World 26/16). Organisation und Zubereitung des Essens verschwinden aus dem Blickfeld. Aus den Restaurants, bei denen es sich um weitere Geschäftspartner von foodora.com mit wiederum eigenen Arbeitgebern und Angestellten handelt, wird direkt auf den gewünschten Tisch geliefert und das bei jedem Wetter innerhalb der nächsten halben Stunde. Der Kontakt zwischen Kunden und Kurieren beschränkt sich dabei auf das Entgegennehmen der braunen Papiertasche mit dem gewünschten Essen darin. All das kostet nicht einmal viel. Das Start-up-Unternehmen Helpling reduziert das Problem der Verteilung von Reproduktionsarbeit in seiner Werbung auf Bequemlichkeit. Saubermachen nervt und ist anstrengend. Wer also »keine Lust auf Putzen« hat, es aber trotzdem sauber haben möchte, dem bietet Helpling eine einfache Lösung an. Jeder kann problemlos eine »Putzkraft online buchen«, schon ab 12,50 Euro pro Stunde. Als Putzkraft registrieren lassen kann sich auf der Website des Unternehmens, wer eine Versicherung hat, über eine Arbeitserlaubnis in Deutschland verfügt und beim Finanzamt als selbständig gemeldet ist. Ein Kunststück des Helpling-Marketings: Während der Zielgruppe in kurzen Werbefilmen vor Augen geführt wird, wie anstrengend dieses nervige Putzen ist, wird zugleich darauf verwiesen, dass es scheinbar Leute gibt, denen genau das nichts ausmacht und die sogar noch ein faible dafür haben. Die Helplinge – viele Frauen, auch einzelne Männer – werden in den Spots beim Arbeiten gezeigt, so lernt man: Es ist für sie eine saubere, leise und wenig anstrengende Arbeit, die sie in Ruhe und mit viel Sorgfalt erledigen, am besten in Abwesenheit der Kundschaft. Und Geld gibt es ja auch: eine Win-win-Situation also. Unkompliziert und einfach ist der Schritt zum Auftraggeber für prekäre Arbeit also auch in dieser Hinsicht. Es funktioniert wie in allen anderen Fällen, in denen Leute online bestellen oder buchen: Die »Helplinge« werden auf der Website zur Auswahl präsentiert. Sie haben nur Vornamen und eine Anzahl von Sternchen, die zeigen, wo sie bisher gearbeitet haben und wie zufrieden die Kunden dort waren. Gibt man eine Postleitzahl ein, werden nur die Besten, also die mit den meisten Zufriedenheitssternchen, aus dem entsprechenden Gebiet vorgeschlagen. Wie die Wohnung vor der Reinigung aussah und wie sich die Kunden benommen haben, ob es Trinkgeld oder blöde Sprüche vom Auftraggeber gab, das weiß nur, wer dabei war. Einen Platz für öffentliche Beschwerden der Reinigungskräfte gibt es nicht. Ein bestimmtes Geschlecht ist keine zwingende Vorgabe dafür, Arbeiten zu vergeben und auszuführen. Bei der Inszenierung der Tätigkeiten, der hierarchischen Gestaltung der App und der generierten Verhältnisse spielen Wertvorstellungen dennoch eine wichtige Rolle. Sie sind freilich mit Vorstellungen von Geschlecht verbunden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die offiziell als Selbständige gelten, werden denen, die bezahlen, untergeordnet. Die Auftraggeber mit ihren Ansprüchen und Wertungen haben Vorrang. Die Bezahlung für die Versorgungsarbeit ist schlechter als bei vielen Reinigungsfirmen seit Einführung des Mindestlohns, etwa 10 Euro bleiben in der Stunde, abzüglich Fahrtkosten, Putzmittel und Versicherung und Smartphone mit Internetflatrate, um die Aufträge zu koordinieren. Auch wenn sich die Strukturen dieser Arbeitsverhältnisse von denen tatsächlicher Bediensteter im Haushalt unterscheiden, gibt es viele Ähnlichkeiten mit den Anforderungen an Hausangestellte und »eine gute Hausfrau« aus einem Hauswirtschaftsbuch der Nachkriegszeit. Es ist ein vermeintliches Ideal von Weiblichkeit: Leise, sauber und unaufdringlich sollen die »Helplinge« und andere die Tätigkeiten erledigen, die für andere keine nennenswerte Arbeit sind, aber unnötige Mühe bedeuten würden. Viel eindeutiger ist das Geschlechterverhältnis beim Online-Portal Ohlala.com festgelegt. Hier kann man sich entweder als Mann oder als Frau anmelden und ist dann automatisch Kunde oder Dienstleisterin. Frauen, Schwule und Queers können hier keine Sexarbeit kaufen. Der Kunde gibt an, was er haben will und dafür zahlen möchte. Frauen, also Dienstleisterinnen, stellen Bilder von sich online und können innerhalb von 20 Minuten auf Angebote der Kunden reagieren. Aus allen Zusagen sucht sich dann der Kunde aus, mit wem er sich treffen will. Auch hier wird vor allem mit der Vorstellung gespielt, dass es eigentlich ein Gefallen wäre, der den Frauen getan wird. Sie können sich mit Männern verabreden, flirten und damit für deren Wohlsein sorgen. Da sie das, so wird es unterstellt, sowieso bei jedem Date täten, scheinen sie mit dem Geschäft einen Volltreffer zu landen. Da gibt ihnen jemand für ihre Freizeitbeschäftigung auch noch Geld. Und wenn es gut läuft, springt am Ende auch noch Sex dabei heraus. Als sei Sexarbeit eben keine Arbeit, die fair und gut bezahlt werden sollte. Durchzusetzen, dass es sich um eine professionelle Verabredung handelt, bei der bestimmte Leistungen im Preis enthalten sind und andere nicht, ist in diesem Setting besonders schwierig. Auch hier ist nicht vorgesehen, dass die Frauen untereinander Verbindungen knüpfen, sich über Preise oder Erfahrungen austauschen. Mit all diesen Apps haben Start-ups wie Rocket Internet und andere Vorreiter Möglichkeiten der Versorgung geschaffen, die vor dem Zerfall des Einzelverdienermodells noch die Ehe- und Hausfrau übernahm: Kochen, Putzen, Fürsorge, Sex. Die abhängige Ehefrau wird ersetzt durch die Prekarierin ohne Nachnamen.