Arbeit 4.0 sorgt nicht für Geschlechtergerechtigkeit

It’s the sex, stupid

Männlich, deutsch, gebildet: Glück gehabt! Noch immer werden vorwiegend Start-ups und Gründungen gefördert, die von jungen Männern stammen. Doch Statistiken zeigen, dass Frauen als Gründerinnen seltener scheitern.
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»Frauen sind durchweg gute Teamplayer mit psychologischem Gespür, Integrationskraft, Kreativität und Flexibilität, sie können also genau das, was in der neuen, vernetzten Arbeitswelt gefordert wird«, freut sich Christiane Funken von der TU Berlin in ihrem neu erschienenen Buch »Sheconomy«. »Wenn weibliche Führungskräfte und junge Berufseinsteigerinnen sich heute nicht abschrecken lassen, dann ist beiden geholfen: der Wirtschaft und ihnen selbst.« In der Digitalisierung erkennt Funken Chancen für die Umgestaltung der Arbeitswelt durch Frauen. Diese könnten von den social skills profitieren, die ihnen anerzogen werden. Sogar in technischen Berufen, in denen Frauen bisher unterrepräsentiert sind, seien neben hoher fachlicher Qualifikation eben auch solche antrainierten Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit und Empathie stärker gefragt als zuvor. Diese Nachfrage könne und solle genutzt werden, die Arbeitsverhältnisse zugunsten der Vereinbarkeit von Job und Familie – und damit zugunsten von Frauen – zu gestalten.
Auch die Gewerkschaften sehen in der Digitalisierung eine Veränderung, die Raum für Mitwirkung im Sinne einer beruflichen Gleichstellung gibt. »Das Prinzip des global vernetzten Arbeitens leitet einen Kulturwandel ein, der das Team in den Mittelpunkt rückt und sich vom Bild des ›egoistischen Machers‹ verabschiedet. Unter den Bedingungen einer digitalen Arbeitswelt könnten die ›weichen‹ zu ›harten‹ Faktoren werden und Frauen helfen, neue Rollen im Arbeits- und Innovationsprozess einzunehmen«, schreibt der DGB-Bundesvorstand in einem Rundschreiben mit dem Titel: »Frau geht vor – Wie weiblich ist die Arbeit der Zukunft?«
Zwar ist die hohe Männerquote in informatischen Berufen nicht der schlech­teren Qualifikation von Frauen geschuldet, aber vielleicht wird es durch variierte Stellenprofile tatsächlich mehr Frauen möglich sein, in die männlich geprägten Ingenieursberufe einzusteigen. Möglicherweise bietet der globalisierte Dienstleistungssektor für Hausarbeit einzelnen »selbstbewussten Karrierefrauen«, wie sie die feministische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie nennt, tatsächlich Möglichkeiten beruflichen Aufstiegs. Haushalt und Pflege können schließlich günstig an noch schlechter verdienende Frauen außerhalb der Familie abgegeben werden.
Statt besserer Arbeitsbedingungen für alle entstehen jedoch im digitalen Kapitalismus vor allem neue Unannehmlichkeiten – nicht nur für Arbeiterinnen. Auch in überwiegend männlich besetzten Positionen wird unbezahlte Arbeit häufiger eingefordert und bezahlte Arbeit immer schlechter entlohnt. Wer in der IT-Branche beschäftigt ist, soll berufliche Vorstellungen mit privaten Interessen in Einklang bringen. Keine Trennung von Arbeits- und Freizeit, sondern Work-Life-Balance. Flexibilität gilt als neue Anforderung. ­Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Verteilung der Arbeiten, deren Wahrnehmung und Bezahlung bleiben bestehen. Die reproduktive Infrastruktur zu stellen, bleibt eine vorwiegend weibliche Aufgabe.
Als Kehrseite und als Voraussetzung der wenigen gutbezahlten Jobs des Arbeitsmarkts 4.0 entstehen durch die tayloristische, also kleinteilige Zerlegung von größeren Prozessen, große Massen an Aufgaben, die von sogenannten Clickworkern bewältigt werden müssen. Der Vorteil der digitalen Arbeit soll darin liegen, dass sie zu Hause ausgeführt wird. So sollen Verdienst und Familie vereinbar gemacht werden. Damit fällt die Doppelbelastung nach wie vor, meist schon aus ökonomischer Notwendigkeit, den schlechter Verdienenden zu – und damit eben meist den Frauen.
Die Auflösung bekannter Geschlechterverhältnisse durch neue Technologien schien zu Zeiten des »Manifests für Cyborgs« von Donna Haraway zumindest für Feministinnen möglich und denkbar. In einer technisierten Welt würde nicht nur das Argument der Unterschiede zwischen Mann und Frau obsolet, so die damalige Hoffnung, überhaupt könnten dichotome Strukturen in vielerlei Hinsicht abgelöst werden.
Das geforderte Umdenken, die grundlegende Infragestellung von Geschlecht als Kategorie der neuen Arbeitswelt ist allerdings ebenso ausgeblieben wie eine sonstige emanzipatorische Umwälzung der Verhältnisse. Im Gegenteil führt das Gerede von von soft skills, die Frauen zugeschrieben werden, eher zu einer Verfestigung der Geschlechterdichotomie. Männliche Führungsmodelle werden nicht in Frage gestellt. Dass die Zukunft der Arbeitswelt weiblich sein soll, ist unter diesen Umständen also keine linke, queerfeministische Forderung, sondern höchstens eine dystopische Vorstellung.