Ausgehext

Okkultismus, Geisterbeschwörung, Hexenmythos. Das waren die Themen, aus denen Demdike Stare seit 2009 auf fünf Alben ihr Image aufgebaut haben. Benannt haben sie sich nach Demdike, der Anführerin der sogenannten Pendle-Witches, die 1612 in Lancashire der Hexerei angeklagt wurden. Die Cover ihrer Platten inszenierten okkulte Themen stets in düsterem Schwarzweiß, während die Video-Clips aus Ausschnitten italienischer Horror- und Giallo-Filme der Siebziger und Achtziger montiert waren. Musikalisch wurde droniger Ambient-Sound geboten, oft unterlegt mit düsteren Samples. In guten Momenten war das eindrucksvoll, manchmal plätscherte die Musik aber auch dahin, nur durch einen Nebel von Anspielungen und Zitaten bedeutungsvoll wirkend.
Auf dem neuen Album ist von dem mystischen Überbau nichts mehr zu finden. Cover und Rückseite sind Ausschnitte von schlichten schwarzweiß Bildern der beiden Musiker und Titel wie »Forest of Evil« sind passé. Vor allem ist die Musik sachlicher geworden. Auf die bewährten düsteren Synthesizerflächen und Samples verzichten Sean Canty und Miles Whittaker fast völlig. Während es Dem­dike Stare bisher meist darum ging, albtraumhafte Atmosphären heraufzubeschwören, ist »Wonderland« ein nüchternes Album mit energiegeladenen Konstrukten aus Beat und Bass geworden, die sich an Grime, Dubstep und Dancehall abar­beiten.
Vielleicht war das Okkultismus-Thema ausgereizt; vielleicht war es aber auch nicht mehr angebracht in einer Zeit, in der die Wirklichkeit die schaurigsten Geschichten schreibt. Im grauenhaften Jahr 2016 eine Platte »Wonderland« zu nennen, mag zynisch klingen. Oder den Wunsch ausdrücken, dem Elend etwas ent­gegenzusetzen. Einer der besten Momente des Albums ist das Sprachsample einer Flughafenansagerin, die so seltsam expressiv und menschlich einen Flug nach Brasilien ansagt, wie man es an einem ­solchen Nichtort nie erwarten würde. Eigenartigerweise klingt die triste Realität da kurz wirklich wunderbar.
Demdike Stare: Wonderland (Modern Love)