Schlechte Notlösung

Es stimmt: Gaza gleicht einem Gefängnis – weil die Hamas Gaza dazu macht. Besonders Frauen leiden unter den Haftbedingungen. Der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete, gemäß einer Studie hätten 70 Prozent der Frauen in Gaza Erfahrung mit »verbaler, psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt«. Die Dunkelziffer sei wahrscheinlich höher. Eines der Opfer war offenbar Nahla A. Der Times of Israel zufolge wollte die 26jährige Palästinenserin Ende Januar 2016 frische Luft schnappen gehen. Dazu brauchte sie die Erlaubnis ihres 36jährigen Ehemanns, Rabie Abu Anzeh. Weil Frauen in Gaza nicht alleine in der Öffentlichkeit unterwegs sein dürfen, »begleitete« er sie. Am 30. Januar fand man die Leiche von Abu Anzeh. Einen Tag später wurde Nahla A. festgenommen. Am 5. Oktober verurteilte ein Gericht in Khan Yunis Nahla A. zum Tod durch Erhängen. Sie habe in einem Verfahren hinter verschlossenen Türen ein Geständnis abgelegt. Es gebe Beweise für den Mord, so die Justizbehörde zur Zeitung The National aus den vereinigten Arabischen Emiraten. Zum Tatmotiv äußerten sich aber weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft. Bakr Torkmani, der Anwalt von Nahla A., sagte, seine Mandantin sei gegen ihren Willen verheiratet und wiederholt von ihrem Mann geschlagen worden.
Nahla A. ist seit 1994 die erste zum Tode verurteilte Frau in Gaza und der Westbank. Der Generalstaatsanwalt von Gaza, Ismail Jaber, bekräftigte am 13. Dezember das Urteil und sagte, sobald alle Verfahrensschritte abgeschlossen seien, werde es vollstreckt. Nahla A. würde gerne ihren Sohn sehen, doch die Familie des Ehemannes untersagt es ihr. Menschenrechtsgruppen beklagen seit langem die Intransparenz der Gerichtsverfahren und sind beunruhigt über die steigende Zahl von Todesurteilen in Gaza. Seit der Machtübernahme der Hamas 2007 wurden 96 Todesurteile verhängt, 21 allein dieses Jahr.
Die Herrschaft der Hamas trägt wesentlich dazu bei, patriarchale Strukturen zu verteidigen und Möglichkeiten weiblicher Emanzipation zu unterbinden. Schutz- und Freiräume für Frauen werden meist verweigert, Rechtsgleichheit für Frauen gibt es in Gaza de facto nicht. »Frauen haben zwar das Recht, Täter anzuzeigen. Aber wenn eine Frau zur Polizei geht, würde das heißen, dass sie mit ihrer Familie bricht. Üblicherweise wird das in der Familie geregelt. Und natürlich ist die Lösung nicht fair für die Frau«, sagte Andalib Adwan, Leiterin einer Beratungsstelle für Frauen in Gaza, dem BR. Adwan wollte ihre Einrichtung zum Frauenhaus ausbauen, aber die Hamas verweigerte bisher ihre Zustimmung. Viele Möglichkeiten, sich gegen Missbrauch zur Wehr zu setzen, hatte Nahla A. also nicht.