Sekt und Sozialismus

Revolutionär wie Gemüsesaft

Sekt und Sozialismus Von

Revolution ist cool. Mal im Ernst. Die Bilder, die Ikonen, die Randale – die Idee der Revolution hat eine Karriere durchlaufen, wie es keine andere linke Idee bisher geschafft hat. Enteignung? Mmhh. Vergesellschaftung von Produktionsmitteln? Bitte was? Arbeitskampf? Ach nö. Revolution? Auf jeden Fall! Revolution ist ein derart erfolgreiches Konzept, dass praktisch alles mit Revolution beworben wird – der Kapitalismus schafft es eben auch, seine eigenen Schreckgespenster zu integrieren. Und so gibt es dann selbst im beschaulichen Tuttlingen eine Werbeagentur, die sich nach einer gewitzten Abwandlung des Wortes ­Revolution »Revoluzion« nennt.
Revolution hat etwas Befreiendes. Menschen mögen Befreiungsschläge, sie suchen sie, sie nehmen sie sich vor. Sie trinken deswegen einmal einen grünen Smoothie, kaufen sich eine ­Yogamatte und denken dann, dass ihr Leben ab jetzt absolut anders ist. Besser, gesünder. Mit einem Schlag. Gerade zu Jahresbeginn ist diese Hauruckmentalität besonders ausgeprägt. Jetzt aber! Diesmal wird alles anders! Eine kleine, persönliche Revolution im tristen Alltag. Da es aber nicht reicht, die Wohnung einmal richtig aufzuräumen – es sei denn, man lebt danach nicht mehr in der Wohnung – oder einmal in James Joyces »Ulysses« reinzugucken, um es zu verstehen, stellt sich natürlich schnell Frust ein. Der lang herbeigesehnte Befreiungsschlag wird zur Illusion, der man hinterherläuft und läuft und läuft. Manchmal verursacht so ein Befreiungsschlag sogar Probleme und Schmerzen. Jahrelang keinen Sport zu machen und dann plötzlich ein Hochleistungsprogramm zu absolvieren, kann schnell mit kaputten Knochen und gerissenen Musk elfasern enden.
Derzeit gibt es viele, die sich (wieder) einen politischen Befreiungsschlag wünschen. Deswegen wählen sie auch die AfD, schreien nach einem Führer, nach einer »Revolution des Volkes«. Mit linker Politik hat das nichts zu tun. Im Gegenteil, aus einem gerechten Sieg über Unterdrückung und Ausbeutung wird eine völkische, eine rassistische, eine menschenfeindliche Bewegung aus dem Gruselkabinett deutscher Geschichte, wo der Befreiungsschlag im Menschheitsverbrechen endet.
Was Revolutionen aber immer noch versprechen, ist Freiheit, das Erringen eines Sieges, der nicht für möglich gehalten wurde. Die Idee der Revolution ist der Beweis, dass Geschichte von Menschen gemacht wird. Sie erinnert uns daran, dass wir unser Leben selbst gestalten können. Und vielleicht sind Revolutionen deswegen mittlerweile so beliebig wie unpolitisch, aufgegangen in der kapitalistischen Leistungs- und Profitlogik. Oder eben grüne Smoo­thies, die am Ende doch nur pürierter Spinat und Grünkohl mit Agavendicksaft sind.

Merkel musste mal weg. An dieser Stelle schreibt Julia Schramm ab nun über Politik und Lifestyle.