Der gigantische Palast, der Nicolae Ceaușescu in Bukarest bauen ließ, ist heute eine Touristenattraktion. Ein Besuch

Mahnmal der Gigantomanie

Seite 2 – Bröckeln für die Ewigkeit
Reportage Von

 

Im ganzen Palast fehlt eine elektrische Klimaanlage. Wie bei Diktatoren üblich, hatte Nicolae Ceaușescu unglaubliche Angst vor Anschlägen oder Vergiftung. Es sei eine natürliche Belüftung eingebaut worden, die wirklich kompliziert sei, erklärt Elena. Augenzwinkernd fügt sie hinzu, dass man für Details bitte einen der beteiligten Architekten fragen möge. Anca Petrescu, die Architektin, die den Wettbewerb für den Palastbau gewann, lebt zwar seit einigen Jahren nicht mehr. Da jedoch insgesamt 700 Architekten beteiligt waren, kann man mit Sicherheit noch einen lebenden finden. Draußen erhascht man einen Blick auf den riesigen Balkon, von dem aus sich Ceaușescu an »sein Volk« wenden wollte, das ihm brav aufgereiht auf dem Bulevardul Unirii, damals noch »Boulevard des Sieges des Sozialismus«, zujubeln sollte.

 

 

Decke, Parlamentspalast, Bukarest

Können bis zu fünf Tonnen wiegen: Kronleuchter im Palast

Bild:
Guido Sprügel

 

Nach Elenas Saal kommt man so langsam in das Herz des Prunks. Als hätte sich der deutsche Modedesigner Harald Glööckler hier als Innenarchitekt ausgetobt. Der Haupteingang besteht aus gigantischen Türen. Dort sollten Staatsgäste eintreten. Tritt man ein, fallen sofort von rechts und links kommende Marmortreppen ins Auge. Wer sollte dort herunterkommen? Natürlich von links Elena und von rechts Nicolae. Elenas Treppe wurde sieben Mal abgerissen, weil sie nicht zur Schrittlänge der Präsidentengattin passte. Die junge Elena lächelt bei diesem Teil der Führung häufiger verschmitzt. Man kommt sich aber auch wirklich vor wie in einem Irrenhaus. Einem unglaublich prunkvollen allerdings.

 

Die Idee für den Bau kam Nicolae Ceaușescu auf einer Reise nach Nordkorea in den siebziger Jahren. Er war beeindruckt von den Prestige-bauten in Pjöngjang und dem Personenkult der Kim-Dynastie.

 

Vom »Windfang« gelangt man in den nächsten Saal, ausgestattet mit Marmor, der akustisch so gestaltet ist, dass Nicolae ohne Mikrophon zu seinen Staatsgästen hätte sprechen können. Wieder werden fünf Meter hohe Türen geöffnet und man steht im größten Saal des Palastes, 16 Meter hoch, über 2 000 Quadratmeter groß. Dort sollte das Bankett stattfinden, links und rechts sollten große Gemälde der Ceaușescus hängen. Der »Titan der Karpaten« wollte in jedem Saal verewigt sein. Das Dach dieses Riesensaales besteht komplett aus Glas. Rund um die Uhr sollten Spezialeinsatzkräfte präsent sein, die bei Gefahr eines Anschlages das Dach in wenigen Minuten hätten öffnen können. Dann wäre ein Hubschrauber gekommen und hätte das Präsidentenpaar gerettet – so der Plan. Doch auch in diesem Saal fand niemals ein Bankett statt. Die Geschichte hat die Ceaușescus vorher hinweggespült, ihr Erbe blieb bestehen. 1991 einigte man sich darauf, den Bau doch noch zu beenden. Seit 1997 tagt die rumänische Abgeordnetenkammer im Palast des Parlaments, seit 2005 auch der Senat. Weite Teile stehen jedoch nach wie vor leer. Einige Säle sind für private Feiern zu mieten, für 4 000 Euro kann man es mit Hunderten Gästen krachen lassen.

 

 

Dachterrasse, Parlamentspalast, Bukarest

Aussicht auf den Boulevard. Blick vom Balkon des Palasts

Bild:
Guido Sprügel

 

Im Keller, der den Abschluss der Führung bildet, sind die einzelnen Bauabschnitte des Palastes fotografisch dokumentiert. Vieles bröckelt nach 25 Jahren schon vor sich hin. Beim Bau wurde geschlampt, viele Wände haben bereits Risse und die Renovierungskosten gehen jährlich in die Millionen. Für die Ewigkeit ist der Palast offenbar nicht gemacht. Um den Keller ranken sich Gerüchte, es soll einen Bunker und geheime Tunnel geben. Doch vieles lässt sich nicht erhärten. Durch weniger schöne Nebengänge, vorbei an bereits abgenutzten Versorgungsleitungen, geht es zum Ausgang. Im Souvenirshop kann man den Palast in all seiner Pracht in Miniatur kaufen. Eine Wohltat ist es, nach der Führung außerhalb des Palasts im charmanten Bukarest in einem einfachen Imbiss auf Plastikstühlen rumänische Hausmannskost zu genießen. Ganz ohne Marmor.